TImmer mehr Schüler mit Problemen: Wie diese Stader Schule gegensteuert
Die Stader Jobelmannschule hat ein Konzept entwickelt und umgesetzt, das anderenorts Schule machen könnte. Foto: Richter
Der sozialpädagogische Beratungsbedarf an Schulen steigt, Personal ist aber knapp. Die Stader Jobelmannschule schafft Abhilfe - mit einem Projekt, das Schule machen könnte.
Landkreis. Ein Schüler ist gerade zu Hause rausgeflogen und schläft im Auto. Ein anderer hat psychische Probleme, bekommt aber keinen Therapieplatz: Diese Fälle stammen aus der Praxis der Jobelmannschule in Stade und sind zwei Beispiele von vielen, die zeigen, warum der Beratungsbedarf an Schulen steigt.
„Um überhaupt lernen zu können, müssen oft erst häusliche und gesellschaftliche Probleme aufgefangen werden“, erklärt Jochen Pankop von der Jobelmannschule. Und die Probleme hätten in den letzten Jahren ganz klar zugenommen.
Jochen Pankop, Mitinitiator des Innovationsprojekts „Schulpädagogische Berater*innen“ der Jobelmannschule, Dr. Jörg Matzen, Leiter des Evangelischen Bildungszentrums Bad Bederkesa und Dieter Janzen, Schulleiter der Jobelmannschule (von links). Foto: Jobelmannschule
Lerninhalte seien eben nicht alles, was Schüler heutzutage von der Schule brauchen, erklärt Pankop. Gründe dafür seien unter anderem die Folgen der Corona-Pandemie, der Vormarsch der digitalen Medien und daraus resultierend Vereinsamung und ein Mangel an echten Ansprechpartnern.
Fachleute sprechen von einer enormen Versorgungslücke
Die Wissenschaft stützt die Beobachtungen des Stader Berufsschullehrers: Auch die ersten Ergebnisse des BiPsy-Monitors, einer Langzeit-Studie der Universität Leipzig und der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, kommen zu dem Schluss, dass der Bedarf an psychosozialer Versorgung von Kindern und Jugendlichen hoch und über alle Schulformen und -strukturen hinweg bei Weitem nicht ausreichend gedeckt ist. Auch die Praxen der Psychotherapeuten sind überlaufen. Fachleute sprechen von einer enormen Versorgungslücke.
Schönheitsdeal mit Gefahren
Essstörungen nehmen stark zu - vor allem unter Mädchen
Die Praktiker von der Jobelmannschule haben das Problem und den Bedarf erkannt und Lösungsideen gesammelt. Sie wussten auch, dass Beratungslehrkräfte mit fundierter Ausbildung in den Bereichen Beratung, Pädagogik und Psychologie knapp sind. Auch die Landespolitik hat das im Grundsatz erkannt und will mehr multiprofessionelle Teams in Schulen einsetzen.
„Wir wollten aber nicht auf die Unterstützung des Landes warten“, sagt Pankop. Gemeinsam mit dem Evangelischen Bildungszentrum in Bad Bederkesa hat sich die Jobelmannschule deshalb ein Konzept ausgedacht, das Beratung und schulpädagogische Kompetenz schnell in die Breite bringt: die schulpädagogische Beratung.
Konflikt zwischen Erwartungen der Betriebe und Problemlagen
Was die Lehrkräfte ausgetüftelt haben, ist auf die Bedürfnisse der Jobelmannschule zugeschnitten. „Unser Ziel war, dass sich möglichst viele Kollegen trauen, bestimmte Themen anzugehen. Wir öffnen eine Tür und helfen zur nächsten Tür weiter“, erklärt Schulleiter Dieter Janzen.
Dazu gehörten Problemlagen im Jugendalter, Gesprächsstrategien und die Zusammenarbeit mit Trägern von Unterstützungsangeboten in der Region. Der Landkreis als Schulträger ist mit im Boot, und inzwischen hat der erste Lehrgang die modulare Fortbildung durchlaufen.

Die Teilnehmer des ersten Durchgangs der Weiterbildung. Foto: Jobelmannschule
Eine von ihnen ist Anja Waskow. Die Tischlerin und Lehrerin in der Berufsfachschule dual weiß: „Menschen und Gesellschaft verändern sich. Beratung ist heute in vielen Bereichen implementiert.“ So gehören Coaching und Beratung in der Berufsfachschule dual fest ins Programm. Um die Erwartungen der Betriebe, in denen ihre Schüler arbeiten, trotz häuslicher oder gesellschaftlicher Probleme erfüllen zu können, brauche es manchmal zusätzliche Unterstützung.
Bildungszentrum wirbt bei Nachbarschulen für das Konzept
Auch der Berufsschullehrer David Schütz hat die Ausbildung durchlaufen. Dass das so viele Kollegen getan haben, sei sehr hilfreich: „Das ist jetzt eine kritische Masse. Wir fühlen uns nicht mehr allein mit den Problemen.“ Pankop hat beobachtet, dass diese Kollegen nun intensiver über Pädagogik nachdenken und sich austauschen, was ins Kollegium hineinwirke.
Gesundheit
Wo Schüler jetzt psychologische Hilfe finden
Der zweite Lehrgang ist demnächst fertig, so dass an der Jobelmannschule dann 35 ausgebildete schulpädagogische Berater für die Schüler als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Das Evangelische Bildungszentrum hat den ersten Ausbildungsgang bereits evaluiert. Das Fazit ist positiv. Nun ist der Lehrgang ins Programm aufgenommen worden und das Bildungszentrum wirbt schon bei Nachbarschulen für die Fortbildung.
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.