TSchuldeneintreiber der rabiaten Art – Opfer schweigt und verstirbt

Die Vorwürfe wogen schwer, doch die Beweislage war es auch, zumal das Opfer vor Gericht schwieg und später starb. Nun fällte das Gericht das Urteil. Foto: Hartmann/dpa
Ein Fall mit überraschender Wendung endet abrupt: Plötzlich will sich ein 24-Jähriger an nichts mehr erinnern. Dabei wiegen die Vorwürfe schwer.
Verden/Rotenburg. Ein 29 Jahre alter Scheeßeler ist am Landgericht Verden vom Vorwurf des erpresserischen Menschenraubs freigesprochen worden. „Wir wissen nicht, was er gemacht hat“, hieß es in der Urteilsbegründung. Der Staatsanwalt sieht das anders. Er hatte eine Freiheitsstrafe in Höhe von fünf Jahren und drei Monaten beantragt. Zu seiner Überzeugung war es im April 2023 zu der angeklagten Tat an einem 24-Jährigen gekommen.
Im Dezember hatte der 24-Jährige aus Rotenburg als Zeuge ausgesagt. Mehrmals wurde er an seine Wahrheitspflicht erinnert, denn der Staatsanwalt hatte den Eindruck, dass der junge Mann nicht aussagen wollte. Doch der Zeuge war dabei geblieben, sich weder an den Angeklagten noch an eine Tat erinnern zu können. Er habe in der Zeit viel Alkohol und Drogen konsumiert und sich psychiatrisch behandeln lassen, so seine Begründung.
Gewalttat an einem abgelegenen Ort
Die Tat, wie sie sich aufgrund einer früheren Aussage des Rotenburgers darstellte, wäre ein so einschneidendes Erlebnis, dass der Staatsanwalt ihm nicht glaubte. Am 21. April 2023 soll das Opfer von Scheeßel an einen abgelegenen Ort am Ufer der Wümme gebracht worden sein. Dort sei er geschlagen, bespuckt und unter Vorhalt einer Schreckschusswaffe zur Zahlung von 1000 Euro aufgefordert, hinterher in den Kofferraum gedrückt und gewürgt worden.
Bei der Polizei habe der Zeuge unter anderem ausgesagt, dass es für ihn total peinlich und demütigend gewesen sei, in Scheeßel aus dem Kofferraum aussteigen zu müssen. Offenbar, weil dies Zeugen gesehen hatten. „Jemand, der eine Geschichte erfindet, konzentriert sich auf Kernpunkte“, argumentierte der Staatsanwalt.
Im Rahmen einer Durchsuchung in einem anderen Verfahren sei bei dem Angeklagten eine Pistole gefunden worden. Außerdem habe der 24-Jährige an jenem 21. April einen Kredit aufgenommen und am selben Tag 1000 Euro bar abgehoben. Nur 50 Minuten nach der Abhebung sei ein Video als Selfie entstanden. Zur Überzeugung des Staatsanwalts zeigt es den Angeklagten, jedoch nicht sein Gesicht. Die Person in dem Video sitzt in einem Auto, hat einen Umschlag mit 1000 Euro in der Hand und prahlt mit diesem „Schutzgeld“. Auf die Geldabhebung und das Darlehen angesprochen, hatte der Zeuge vor Gericht ausgesagt, dass er zu dem Zeitpunkt viele Kurzzeitkredite aufgenommen habe.
Weitere Anklagen liegen vor
Die Polizei hatte sich vom 24-Jährigen an den mutmaßlichen Tatort führen lassen. „Hier dachte ich, dass ich mein Leben verliere“ soll der Zeuge sinngemäß gesagt haben. „Das ist sehr eindrücklich“, hatte ein Kriminaloberkommissar in seiner Aussage vor Gericht betont.
Dem Gericht reichte es am Ende, insbesondere aufgrund des Aussageverhaltens des 24-Jährigen, nicht für eine Verurteilung. Der Angeklagte wurde freigesprochen. Weil er noch eine dreijährige Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, kam er trotzdem nicht auf freien Fuß. Es gibt am Landgericht zudem eine weitere Anklage, die noch nicht verhandelt worden ist.
Der 24-Jährige ist mittlerweile verstorben. Zur Ursache hatte der Staatsanwalt nichts gesagt. „Der Polizei Rotenburg liegen zum aktuellen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte für ein Gewaltverbrechen vor“, so auf Nachfrage Polizeisprecher Marvin Teschke.
Über eine Revision der Staatsanwaltschaft Verden hat der Bundesgerichtshof zu entscheiden. (oer)