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Norddeutschland

TSeehundbaby Fussel: Warum wir schuld an diesen Schicksalen sind

Fiete robbt auf dem Boden

Fiete war einer der ersten Heuler in diesem Jahr. Foto: Seehundstation Norddeich

Zuletzt wurde Fussel allein in Bremerhaven gefunden. In der Seehundstation ist er das bald nicht mehr. 28 mutterlose Heuler werden dort aufgepäppelt. Schuld ist oft der Mensch.

Von Maike Wessolowski Donnerstag, 20.06.2024, 05:50 Uhr

Bremerhaven. Heulen müssen sie jetzt nicht mehr: Das machen Seehundbabys, wenn sie Hunger haben und von der Mutter getrennt sind. So auch Seehundbaby Fussel, der in der vergangenen Woche in Bremerhaven am Weserdeich gefunden wurde.

Er wurde in die einzige Seehundstation in Niedersachsen gebracht – so wie viele andere Findelkinder. Sie heißen jetzt Popcorn, Fiete, Fussel oder Kate: 28 Heuler befinden sich aktuell zur Aufzucht in der Seehundstation Norddeich.

Alle Tiere wurden mutterlos, als sogenannte Heuler, an der Niedersächsischen Küste und auf den vorgelagerten Inseln gefunden – dazu zählt in diesem Fall auch das bremische Bremerhaven.

Drei Findelkinder von Norderney, Wangerooge und Spiekeroog

Die ersten drei Fundtiere waren Frühgeburten, die auf den Inseln gefunden wurden: Kate vom 13. Mai auf Norderney, Fiete zwei Tage später auf Wangerooge und Popcorn am 16. Mai auf Spiekeroog. Die Seehundbabys mit den Kulleraugen wogen zwischen siebeneinhalb- und achteinhalb Kilogramm.

Heuler Kate leigt auf einem Tuch.

Sie war das erste mutterlose Seehundbaby in diesem Jahr: Heuler Kate. Foto: Seehundstation Norddeich

Die Tierschützer der Station beklagen in diesem Jahr eine sehr hohe Quote von Frühgeburten, die im Mai aufgefunden wurden.

Schuld daran sind offenbar drei Dinge – das schöne Wetter im Mai, lange Wochenenden und der Mensch.

Menschen sind oft schuld, dass Babys zu Heulern werden

Denn wenn viele Besucher an der Nordseeküste unterwegs sind, passiert es leicht, dass sich die Muttertiere gestört fühlen, flüchten und die Jungen verlieren.

Mindestens die Hälfte aller eingelieferten Seehundbabys sind durch solche Störungen verwaist.

Grundsätzlich werden alle der Seehundstation gemeldeten Tiere von den ehrenamtlichen Mitarbeitern, meist Wattenjagdaufseher, unter Beobachtung genommen.

Jeder Seehund muss in Quarantäne: Auch Fussel aus Bremerhaven

Erst wenn ausgeschlossen werden kann, dass kein Kontakt zum Muttertier möglich ist, werden die Heuler in die Quarantänestation des Waloseums gebracht. Dort verbrachte also auch Fussel aus Bremerhaven seine ersten Tage.

Zwei junge Seehunde schauen in die Kamera.

So niedlich! Natürlich will da jeder nah ran – doch die Experten bitten darum, dem Drang zu widerstehen Foto: Seehundstation Norddeich

Jetzt nähert sich die Zeit, in der die meisten Seehundbabys geboren und aufgezogen werden. Jungtiere werden dann von den Muttertieren auf den Sandbänken gesäugt und während der Nahrungssuche kurzfristig abgelegt.

Ein Jungtier am Strand bedeutet daher nicht zwangsläufig, dass es sich um einen Heuler handelt, der dauerhaft von seiner Mutter getrennt wurde.

Jede Störung kann ein Seehundbaby zum Waisen machen

Der Leiter der Seehundstation Norddeich, Dr. Peter Lienau, warnt: „Gerade in der Hochphase der Ferien kommt es zu häufigen Tier-Mensch-Begegnungen.

In seltenen Fällen handelt es sich um Heuler, also verwaiste Jungtiere. Häufig sind es von der Mutter kurzfristig abgelegte Jungtiere, die ein sehr hohes Ruhebedürfnis haben.“

Fussel als er am Weserdeich gefunden wurde.

Fussel ist am Weserdeich gefunden worden. Foto: Dennis He.

Es sei in diesem Fall enorm wichtig, dass die Seehunde nicht gestört werden, unterstreicht der Experte. „Jede Störung durch uns Menschen kann dazu führen, dass verwaiste Jungtiere entstehen. Wir Menschen müssen respektieren, dass wir uns im Wohn- und Schlafzimmer der Seehunde aufhalten und hier nur zu Gast sind.“

Der Chef der Station rät eindringlich: „Finger weg von den Wildtieren, Smartphone in der Tasche lassen. Ruhe bewahren und Abstand halten. Sie helfen damit, Heuler zu vermeiden.“

Fussels Rettung: Was ist die Seehundstation Norddeich?

Die Seehundstation Nationalpark-Haus ist die einzigartige Betreuungsstation in Niedersachsen. Jährlich werden über 100 mutterlose, verletzte oder kranke Seehunde – vermehrt auch Kegelrobben – versorgt und für die Auswilderung vorbereitet.

Heuler Popcorn  liegt auf dem Boden.

Popcorn ist ein Findelkind von Spiekeroog. Foto: Seehundstation Norddeich

Seehunde: 5 Tipps

Die Seehundstation Norddeich hat fünf Tipps für alle Strand-Besucher, die einen jungen Seehund sehen.

  • Nicht anfassen.
  • 300 Meter Abstand halten.
  • Fundort verlassen, damit die Mutter wieder Kontakt zum Jungtier aufnehmen kann.
  • Das Tier muss nicht bewacht werden.
  • Im Notfall melden Sie den Fund der Seehundstation unter 04931973330. Dort prüft man, ob es sich um einen Heuler handelt.

Bereits nach vier bis sechs Wochen, also etwa ab August, sind die jungen Seehunde selbstständig. Sie können dann allein überleben und haben keinen Kontakt mehr zur Mutter.

Deshalb müssen Jungtiere, die keine offensichtlichen Verletzungen haben, ab dieser Zeit nicht mehr gemeldet werden. Weitere Informationen gibt es täglich von 9 bis 18 Uhr in der Seehundstation Nationalpark-Haus.

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