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TSeit fast 80 Jahren durch dick und dünn: Geheimnis einer Freundschaft

Vor kurzem hat Hella Blohm (links) ihr Freundin Ute, die inzwischen in einem Seniorenheim in Bruchhausen-Vilsen wohnt, besucht. „Wir haben wieder viel zusammen gelacht", sagt die 78-Jährige.

Vor kurzem hat Hella Blohm (links) ihr Freundin Ute, die inzwischen in einem Seniorenheim in Bruchhausen-Vilsen wohnt, besucht. „Wir haben wieder viel zusammen gelacht", sagt die 78-Jährige. Foto: Privat

Sie waren Nachbarskinder, sind zusammen aufgewachsen, haben als erwachsene Frauen Freud‘ und Leid miteinander geteilt: Hella Blohm und Ute Vogel sind beste Freundinnen. Das ist ihre Geschichte.

Von Detlef Glückselig Montag, 27.01.2025, 14:05 Uhr

Nordenham. Wie es meistens so ist im Leben: Man wächst zusammen in derselben Straße auf, ist befreundet, dann zieht die oder der eine weg, und man verliert sich aus den Augen. Die Wege trennen sich.

Bei Hella Blohm, geborene Gräf, und Ute Vogel, geborene Schlicht, ist alles ganz anders gekommen. Die beiden ehemaligen Nordenhamerinnen sind beste Freundinnen, und das seit bald 80 Jahren. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass die beiden Frauen schon lange weit voneinander entfernt wohnen. Diese besondere Freundschaft, sie kann nichts erschüttern.

Sonntags gab‘s Hühnerbeine auf der Torfkiste

„Wir waren Nachbarskinder“, sagt Hella Blohm, die im Juli ihr 79. Lebensjahr vollenden wird. Sie wohnte damals am Mittelweg im Haus mit der Nummer 51. Hella Blohms Mutter verstarb früh. Deshalb war sie als Kind oft nebenan bei den Schlichts, bei ihrer Freundin Ute. „Ich weiß noch, wie ich sonntags bei Ute in der Küche auf der Kiste mit Torf, der zum Heizen genutzt wurde, saß und mittags ein Hühner- oder Kaninchenbein abbekam“, erinnert sich die ehemalige Nordenhamerin, die 1969 mit ihrem Mann nach Wilhelmshaven verzog und dort noch heute lebt.

Die Freundschaft zu Ute Vogel hätte schon nach wenigen Jahren vorbei sein können, denn die Familie Schlicht zog bald in die Südstraße um. Die ist vom Mittelweg aber nicht allzu weit entfernt. Und so konnten sich die Freundinnen trotzdem weiter treffen - und gemeinsam das Leben erkunden. Zum Beispiel auf dem Roonkarker Mart.

Auf dem Deich zu Fuß zum Rodenkircher Markt

„Wir bekamen Geld für die Zugfahrt“, blickt Hella Blohm zurück, „aber das haben wir uns lieber für die Kirmes aufgespart“. Der Preis dafür: Die Mädchen mussten sich, Utes jüngere Schwester im Schlepptau, zu Fuß auf den Weg nach Rodenkirchen machen. Und nach dem heißen Ritt auf der Schiffschaukel ging es auf demselben Weg wieder zurück nach Nordenham: auf dem Deich und zu Fuß.

Geschichten wie dieser können die beiden Frauen viele erzählen und noch heute gemeinsam darüber lachen. Ute Vogel erinnert sich daran, wie die beiden Familien einmal gemeinsam auf den Nordenhamer Jahrmarkt wollten. In den 50er-Jahren muss das gewesen sein. Die Mädchen trugen weiße Söckchen und Thermoschuhe und vertrieben sich die Zeit, bis es losgehen sollte, damit, immer wieder über einen Graben zu springen. „Irgendwann sackten wir ein und wurden ins Bett gesteckt.“ Das war es dann gewesen mit dem Markt.

Dieses Foto von Ute Vogel (links) und Hella Blohm entstand im Sommer 1963.

Dieses Foto von Ute Vogel (links) und Hella Blohm entstand im Sommer 1963. Foto: Privat

Oder auch das nahe gelegene Ackerland, das die Familien aus der Nachbarschaft bewirtschafteten, um in der schlechten Zeit ihre Speisekammern auffüllen zu können: Eine der Parzellen lag brach, war überwuchert mit Unkraut - und stellte für Ute und Hella buchstäblich ein gefundenes Fressen dar. Denn dort wuchsen wild die leckersten Erdbeeren, an denen sich die Mädchen bedienten.

Ute Vogel verließ Nordenham schon früher als ihre Freundin Hella, und dieses Mal sollte die Distanz für die Freundschaft eine größere Herausforderung als die wenigen hundert Meter zwischen Mittelweg und Südstraße sein. Die junge Frau verschlug es beruflich ins baden-württembergische Ludwigsburg, mehr als 600 Kilometer entfernt von Nordenham. Doch das war keine Hürde für zwei Frauen, die zusammenhalten wie Pech und Schwefel. Hella Blohm setzte sich kurzerhand in den Zug und stattete ihrer Freundin tief unten im Süden der Republik einen Besuch ab.

Überraschungsgast auf der goldenen Hochzeit

Dass der Kontakt in dieser Zeit mehr nicht so intensiv war wie unter Nachbarskindern, liegt in der Natur der Sache. Abgerissen jedoch ist er nie. Denn im Herzen waren sich die beiden Frauen immer nahe. Und auch geografisch sollten sie in den folgenden Jahrzehnten so weit nicht wieder voneinander entfernt sein. Während Hella Blohm nach Wilhelmshaven ging, zog Ute Vogel von Ludwigsburg zunächst nach Bremen, später dann nach Bruchhausen-Vilsen im Landkreis Diepholz.

Hochzeiten, die Geburten der Kinder, Schicksalsschläge - Hella Blohm und Ute Vogel haben Freud‘ und Leid miteinander geteilt und tun es bis heute. Als Hella Blohm vor acht Jahren mit ihrem Mann Goldene Hochzeit feierte, tauchte Ute Vogel als Überraschungsgast auf und bereitete ihrer Freundin Hella damit das schönste Geschenk. „Es hat in Strömen geregnet, aber wir beiden hatten viel Spaß“, erinnert sich Ute Vogel.

Diese Freundschaft beweist: Gegensätze ziehen sich an

Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Und vielleicht ist das das Geheimnis dieser besonderen Freundschaft. „Ich war immer die Quirlige und Ute eher die Zurückhaltende“, sagt Hella Blohm. Dazu passt noch so eine alte Geschichte: Als Kleinkind spielte Hella Blohm gerne mit einer Klöterdose, wenn sie in ihrer Sportkarre saß. Sie warf die Dose aber immer wieder über Bord. Ihre Freundin Ute, ein dreiviertel Jahr älter, war es, die die Dose mit einer Engelsgeduld immer wieder aufhob und sie ihr zurückgab.

Trotz dieses unterschiedlichen Temperaments passt kein Blatt zwischen die beiden Frauen. „Wir waren uns nie böse“, erzählt Ute Vogel und sagt über ihre Freundschaft zu Hella: „Das ist mein Leben.“

Ein herzliches Wiedersehen im Seniorenheim

Hella Blohms Tochter Inga Grabow, die in Nordrhein-Westfalen wohnt, ist es zu verdanken, dass die Freundinnen kürzlich wieder einmal Gelegenheit hatten, miteinander zu lachen und in alten Erinnerungen zu kramen. Sie fuhr nach Wilhelmshaven, verfrachtete ihre Mutter ins Auto und machte sich mit ihr auf den Weg nach Bruchhausen-Vilsen, wo Ute Vogel inzwischen in einem Seniorenheim lebt. Es war ein herzliches Wiedersehen.

Ansonsten halten die Freundinnen vorzugsweise über ein Kommunikationsmittel Kontakt, das in alten Kindertagen am Mittelweg noch die reinste Science Fiction war: per WhatsApp.

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