TSportcoupé-Entwickler aus Bargstedt baut jetzt fahrbare Ökohäuser

Kevin Schmidt aus Bargstedt baut Wohnwagen aus nachwachsenden Rohstoffen. Foto: Fehlbus
Nach dem Studium hat Kevin Schmidt in Bayern am M4 und 7er BMW mitgetüftelt. Nun baut der 31-Jährige in Bargstedt Holzmobile. Statt 480 PS hat das Projekt Schaffell und Hanf unter der Holzhaube. Aber das Tempo spielt trotzdem noch eine Rolle.
Harsefeld. Mit ausgezogenem Küchenblock erinnert der Wagen auf der Wiese erst einmal an eine Imkerhütte. Im Inneren stecken die Erfindungen, die das Modell HC240 zum nachhaltigen Wohnwagen machen. Ein Dachfenster in Doppelverglasung lässt den Blick auf den Himmel frei.
Ebenso wie das kleine Fenster, das der Eingangstür gegenüber liegt, hat es einen Holzrahmen. Dank Hanfdämmung und fünf Zentimeter dicker Korkschicht im Boden lassen sich die sechs Quadratmeter mit geringem Aufwand beheizen. Fußbodenheizung und Heizwürfel können über die auf dem Dach befestigte Photovoltaikanlage mit Energie versorgt werden.

Der Wohnwagen aus Holz hat einen Küchenblock auf Schienen, der sich schnell herausziehen lässt. Foto: Schmidt
Auch der „Kühlschrank“ - eine kleine mit Strom betriebene Box - und die Beleuchtung im Inneren werden damit gespeist. Der Batteriestand ist ablesbar. „Wir waren mal acht Tage unterwegs, ohne nachladen zu müssen“, sagt Kevin Schmidt.
Umzug von Fredenbeck nach Landshut in Bayern
Kevin Schmidt ist in Kutenholz und Fredenbeck zur Schule gegangen. Später ging es für ihn nach Stade und zum Maschinenbau-Studium nach Osnabrück. Gelernt hat er unter anderem in der Werkstatt des Autohauses Gotthard in Fredenbeck, bevor er zusammen mit Freundin Janina nach Landshut in Bayern zog.
„Ich war bei BMW als Fahrzeugbauingenieur für die Entwicklung des Sportcoupé M4 und vom 7er BMW zuständig“, sagt Kevin Schmidt. Jeder im dortigen Team hatte seinen Aufgabenbereich. Für den 31-Jährigen ging es darum, den Hauptkabelbaum mit allen Problemen, die auftauchen können, perfekt im Fahrzeug zu platzieren.
Prototyp hatte Holzofen und Sauna-Funktion
Die Familie mit den Wohnorten Schwinge und Bargstedt war der ausschlaggebende Punkt, wieder zurück in den Norden zu gehen. Und noch eine spezielle Liebe befeuerte die Rückkehr: Schweden. Der Weg in das Lieblingsreiseland des Holzwohnwagen-Tüftlers und seiner Freundin ist vom Landkreis Stade aus deutlich leichter zu erreichen als von Bayern aus.
Die ersten Monate zurück in Norddeutschland wohnten Kevin Schmidt, seine Freundin und Wolfsspitz Anuk in einem selbst gebauten Haus auf Rädern. „Ehrlich gesagt, entstand meine Idee dank eines Fotos aus Kanada. Ich habe im Internet einen Wagen gesehen, der mit Holzofen beheizt wurde“, sagt Kevin Schmidt. Dank des Ofens in Kombination mit Saunasteinen wurde das Bargstedter Holzhäuschen sogar zur Wellnessoase - Schwitzen inklusive. Aber es war nur die erste Idee.
Mit 100 Stundenkilometern statt festem Tiny House
„Ich wollte eine Alternative zu bestehenden Campingfahrzeugen schaffen. Und das nur mit Dingen, die es bei uns gibt und die nachhaltig sind“, sagt Kevin Schmidt. Zugleich wollte er sich von der Schäferwagen-Variante als Tiny House verabschieden. Der Reisekomfort sollte eine zentrale Rolle spielen.

Die Küche mit Spülbecken und zwei Kochstellen lässt sich im Sitzen bedienen. Foto: Fehlbus
Mit 100 Stundenkilometern kann der HC240 laut Zulassungsschein unterwegs sein. Dafür braucht es ein Zugfahrzeug. Aber mit um die 750 Kilogramm Leergewicht ist der Anhänger auch für ein Elektroauto oder einen Polo geeignet. Und es ist kein Anhänger-Führerschein nötig, um das Haus an die Anhängerkupplung hängen zu dürfen.
Schafsfilz und Holz sorgen für gutes Raumklima
Der größte spürbare Unterschied zum konventionellen Wohnwagen mit Kunststoffhülle ist das Raumklima, meint Kevin Schmidt. „Massivholz und Schafsfilz sind natürliche Materialien mit herausragenden feuchtigkeitsregulierenden Eigenschaften“, sagt er. Das Holz könne Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben, wodurch das Raumklima stabilisiert werde. Das schütze vor Schimmel und anderen Problemen wie sie in herkömmlichen Wohnwagen aus Kunststoff ohne zusätzlichen Luftentfeuchter schnell entstehen.
Die Hanffasern in der Wand dienen als natürliche Dämmung. Auch sie sollen helfen, Feuchtigkeit abzuleiten. Dampfbremsen verhindern das Eindringen von Feuchtigkeit von außen und schützen die Wohnwagenstruktur vor Schäden durch Feuchtigkeit. Selbst das Dach besteht vor allem aus Holz.
Der Gaskocher ist nicht nachhaltig
Unter den Holzbrettern auf dem Dach ist eine wasserdichte Schicht verarbeitet, die das Wasser in eine Art Regenrinne leitet. Chemische Schutzmittel gegen Insekten und Pilze werden nicht eingesetzt. Dafür ist der Wohnwagen-Werkstoff quasi einmal durch die Superhitze gegangen. „Wir verwenden nordisches Thermoholz“, erklärt Kevin Schmidt. Es wird ohne weitere Zusatzstoffe speziell bearbeitet. Damit könne es zwar noch ausgrauen, sei aber sehr beständig gegen die meisten Fäulniserreger.
Der Fußboden im Innenraum ist ebenfalls mit Holz belegt.
Die kleine Küche lässt sich im Sitzen vom Sofa aus bedienen, besser aber im Stehen als Outdoorküche. Ein paar Handgriffe und der Küchenblock lässt sich auf Schienen nach außen ziehen. „Hier haben wir ausnahmsweise auf den Gaskocher zurückgegriffen. Das ist effizienter als ein Kochen mit Strom“, sagt Kevin Schmidt. Die Batterie hätte geradezu riesig sein müssen, sagt er. Die Gasflasche ist fest und sicher mit Notentlüftung verbaut. Die offizielle Gasprüfung hat das System bestanden.
Kokosfasern im Klo und Wasser aus dem Hahn
Wer mag, kann sich draußen unter eine Wassersack-Dusche stellen. Mitten in Schweden, wo keine Campingplätze angefahren werden müssen oder können und im Wald oder am See höchstens ein Elch vorbeikommt, braucht es keinen Duschvorhang. In der Küche gibt es ein Abwaschbecken mit Wasser aus dem Hahn. Gespeist wird er aus einem Zwölf-Liter-Frischwasserkanister.
Sogar eine Toilette für solch abgeschiedene Naturplätze ist vorhanden - nachhaltig aufgebaut. „Chemietoiletten gehen gar nicht“, sagt Kevin Schmidt nachdrücklich. Stattdessen hat er eine Trockentrenntoilette in formschöner Optik dabei. Bei richtiger Bedienung sollen sich die Reststoffe als Dünger eignen oder über den Hausmüll entsorgen lassen. Wer einen Campingplatz findet, werde vermutlich eher die Sanitäranlagen nutzen, sagt Schmidt. „Aber für unterwegs und wenn es nichts anderes gibt, geht es sehr gut.“
Ins Bett und Kinderbett in einer Minute
1,60 Meter ist der Holzwagen breit. So lang ist das Kinderbett mit Rausfallschutz, das sich in die vorbereiteten Aufhängungen legen lässt. Zuvor muss das Elternbett hergerichtet werden. Unter dem Sofa befinden sich Bettzeug und Kissen. In weniger als einer Minute ist alles umgeklappt. Für Kevin Schmidt sind die sechs Quadratmeter perfekt.

Das Kinderbett ist 1,60 Meter lang und mit unterschiedlichen Fallschutzlösungen erhältlich. Foto: Schmidt
Wer es größer liebt, kann sich ab dem kommenden Jahr wohl auch für ein Wohnmobil aus Holz entscheiden. Kevin Schmidt plant fleißig an neuen Modellen. Im Moment stellt er seine Kreationen samt Konfigurator auf Messen vor. Zum nächsten Frühjahr hofft er, dass er in Bargstedt auch eine kleine Ausstellungsfläche verwirklichen kann.
Das Unternehmen ist gegründet. „Holzbauweise“ heißt der noch junge Betrieb, der sich nicht ganz zufällig in einer Autowerkstatt befindet. Vater Kai-Uwe Schmidt ist Inhaber des „Bargstedter Automobilservice“ an der Raisa-Tankstelle. Erst einmal werden sich beide die Werkstatt teilen. Wenn es gut läuft, sollen Holzmobile bald die Automobile verdrängen und für eine nachhaltige Zukunft am Standort sorgen.
Ab 17.500 Euro
Das Modell HC240 gibt es in verschiedenen Versionen. Erhältlich ist es ab 17.500 Euro. Auf der Deichsel gibt es einen Fahrradständer im Extra-Zubehör. Hier können auch E-Bikes mitfahren. Wer auch im Winter autark unterwegs sein will, kann für zusätzlich rund 3000 Euro eine Anlage mit zweimal 170 Wattstunden Solar und einer 125 Amperestunden Lithium Batterie kaufen. Zusätzlich ist eine Elektroheizung verbaut. Mehr Infos unter www.holzbauwei.se.