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Zukunftsvisionen

TStade unter Wasser? So könnte sich die Hansestadt bis 2100 entwickeln

Blick auf die Stader Altstadt. Wie wird sich die Hansestadt in den kommenden 75 Jahren verändern?

Blick auf die Stader Altstadt. Wie wird sich die Hansestadt in den kommenden 75 Jahren verändern? Foto: Martin Elsen

Diese Veranstaltung bot mehr als einen Blick in die Glaskugel: Wie sieht Stade in 75 Jahren aus? Fünf Referenten informierten über die aktuelle Lage der Stadt und wie sie sich entwickeln könnte. Ein Abend mit Fakten und Visionen.

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Von Alexandra Bisping
Donnerstag, 08.02.2024, 17:50 Uhr

Stade. Das Cinestar steht unter Wasser. Das Stadeum auch. Ebenso wie Schölisch - das versinkt komplett im Nass. Dafür bleibt die Altstadt verschont. Stade im Jahr 2100. Zu sehen auf einer Überflutungskarte*, mit der Moderatorin Vivien Dirksen von der IHK Stade in die Veranstaltung einstieg - und einige Besucher aufschreckte. Denn was auf der Karte sichtbar wurde, könnte real werden. Wenn bis 2100 nichts passiert, beispielsweise Deiche nicht erhöht und CO2-Bilanzen nicht reguliert werden.

Wie könnte es im Jahr 2100 in Stade um den Tourismus und die Wohnsituation bestellt sein? Darüber diskutierten unter anderem (von links) Christine Plath, Dr. Andreas Schäfer und Dr. Christian Pape.

Wie könnte es im Jahr 2100 in Stade um den Tourismus und die Wohnsituation bestellt sein? Darüber diskutierten unter anderem (von links) Christine Plath, Dr. Andreas Schäfer und Dr. Christian Pape. Foto: Alexandra Bisping

Die Stader Gesellschaft für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik wollte einen Testballon steigen lassen. Mit fünf Experten und einer Podiumsdiskussion unter dem Motto: „2100 - Land unter? Zukunftsstrategien für die Hansestadt Stade“. In den Räumen der IHK ging es um Wohnsituation und Klima, um Wirtschaft und Tourismus. Ein Blick auf Stade durch die Expertenbrille.

Sind die Häuser der Zukunft kleiner?

Wohnen muss klimaneutraler werden. Referent Dr. Christian Pape, Vorstand der Wohnstätte Stade, sagte hausübergreifende Nahwärmenetze seien sehr sinnvoll. Die Wohnstätte hat 2600 Wohnungen in ihrem Bestand. Wie sieht es beim Häuserbau aus? Laut Nabu sind die CO2-Emissionen aus Bau und Nutzung von Gebäuden für etwa 30 Prozent der Emissionen in Deutschland verantwortlich.

Sind kleinere Häuser, sogenannte Tiny Houses, eine Lösung? Nicht unbedingt. Pape berichtete von einem Tiny-Houses-Projekt. Bei dem waren vier kleine Häuser à 20 Quadratmeter je Haus gebaut worden. Kosten: 700.000 Euro. „Ein absolutes Nischenprodukt“, sagte er.

Aber auf dem Wohnmarkt herrsche eine „absolute Mangelsituation“. 900.000 Wohnungen fehlten in Deutschland. Auch die Wohnstätte habe Wartezeiten von bis zu 18 Monaten. Mieten seien „fulminant“ angestiegen. „Wir müssen den Wohnmarkt bezahlbar machen und brauchen bessere Förderprogramme.“ Dafür müssten die kommunale, die Landes- und Bundesebene stärker zusammenarbeiten.

Kreislaufwirtschaft und Produktion neu denken

Über den „Green Deal“ sprach Referentin Daniela Westerhoff von der IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum. Den Deal hatte die EU-Kommission Ende 2019 für eine moderne, ressourcenschonende und wettbewerbsfähige Wirtschaft ausgerufen. Er umfasst laut IHK-Portal Maßnahmen, die „eng miteinander verflochtene Politikbereiche betreffen: Klima, Umwelt, Energie, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und nachhaltiges Finanzwesen“.

Bis 2050 soll die EU klimaneutral werden, Deutschland bis 2045. Dazu gehöre, so Daniela Westerhoff, auch der „Green Claim“ - Werbeaussagen, die Nachhaltigkeits- oder Klimaschutzaspekte beinhalten. Bald sollen sie wissenschaftlich überprüft werden, sagte Westerhoff. Um die angebliche Umweltfreundlichkeit von Produkten aufzudecken. „Es gibt 230 Label“, sagte sie. „Da weiß man bei vielen nicht, was dahintersteckt.“ Um Ressourcen zu schonen, sollten Produkte länger genutzt und Produktionen zurückgefahren werden.

Wirtschaft und Innovation in der Hansestadt

Saskia Deckenbach von der Wirtschaftsförderung Stade nannte die Hansestadt als Wasserstoff-Standort für die Luft- und Schifffahrt. Ideal dafür: der Hafen im Chemiepark. „Wir sind in einer super geografischen Lage“, so Deckenbach. „Nicht viele Regionen haben die Möglichkeit, Wasserstoff umzuschlagen.“

Es gebe diverse Projekte, beispielsweise die Entwicklung des ITZ, das zukünftige Innovations- und Technologiezentrum Nord. Das werde wohl in Stade-Ottenbeck entstehen. Ein weiteres Projekt: der frisch gestartete „Innovationspark“. In dem Netzwerk beschäftigen sich große Player intensiv mit dem Thema Wasserstoff, zum Beispiel mit der Speicherung.

Wichtig sei auch klimaneutrales Fliegen. Airbus werde wohl auf Wasserstoff setzen. „Bis 2035 will Airbus die ersten Flugzeuge am Himmel haben“, sagte sie.

Wandel im Tourismus und Handel

Geschäftsführer Dr. Andreas Schäfer und Citymanagerin Christine Plath, beide von der Stade Marketing und Tourismus, berichteten von Wandel und Handel. Die großen Busgruppen von früher gebe es im Tourismus nicht mehr. Der Markt sei individueller geworden, der Radmarkt boome. „Nachhaltiger Tourismus ist ein großes Thema“, sagte Schäfer.

Digitalisierung ist hier angekommen. Social Media spiele eine große Rolle, jeden Tage gebe es einen Post in den sozialen Netzwerken. Touristen informierten sich vorher - Social Media sei nicht mehr wegzudenken.

Geschäfte und Einzelhandel stünden vor „immensen Herausforderungen“, so Schäfer. Die Mieten seien hoch, Onlinehandel und abnehmende Kaufkraft ein Riesenthema. Stade könne mit „Stade 360“ im Netz erkundet werden, sagte Christine Plath. Virtuell durch die Stadt zu laufen oder Restaurants zu buchen werde wichtiger. Genauso wie Erlebnisshopping und Erlebnisgastronomie.

Stade 2100 - das sagen die Experten

Keiner der Referenten rechnet damit, dass Stade in 2100 unter Wasser steht. Eine „noch liebenswertere Stadt“ werde Stade dann sein, vermutet Pape. Die Quartiersorientierung bleibe erhalten, es werde mehr nachbarschaftliches Miteinander, mehr direkten Austausch geben. Schäfer hatte keine direkten Visionen. Seiner Meinung nach müsse aber mehr miteinander kommuniziert und Bürger mehr beteiligt werden. Christine Plath sah wieder mehr Leute in der Innenstadt und neue Konzepte, zum Beispiel in der Mobilität.

Stade jetzt und im Jahr 2100: Saskia Deckenbach (links) und Daniela Westerhoff gaben Einblicke in Energie, Wirtschaft und Umwelt.

Stade jetzt und im Jahr 2100: Saskia Deckenbach (links) und Daniela Westerhoff gaben Einblicke in Energie, Wirtschaft und Umwelt. Foto: Alexandra Bisping

Kreislaufwirtschaft müsse ressourcenschonend und neu gedacht, T-Shirts zum Beispiel geliehen statt gekauft werden, sagte Daniela Westerhoff. „Der Verkäufer wird vielleicht zum Vermieter.“ Nach Meinung von Saskia Deckenbach habe Stade sich jetzt bereits als innovativer Standort entwickelt. Was sie vermutete: „Es wird sich in 75 Jahren viel tun, mit Technik, die wir uns nicht vorstellen können.“

Kritik kam aus dem Publikum

Aus dem Publikum hieß es, die Stadtwerke sollten mehr Bürger zum Thema Wärmenetz ansprechen. Es sei gar nicht um Stade 2040 gegangen. 2100 sei sehr weit weg. „Wir brauchen viele Millionen. Wo soll das Geld herkommen?“ Stade solle sich als Bildungsstandort weiterentwickeln.

Hier meldeten sich aus dem Publikum Stader Ratsmitglieder zu Wort. Christian Demski (Bündnis 90/Grüne) sagte, im Rat sei gerade das nachhaltige Stadentwicklungskonzept Stade 2040 beschlossen worden. „Wir versuchen, die Stadt wetterfest und klimaneutral zu machen. Wir kämpfen an zwei Fronten.“ Die Stadt sei klamm, Planungen würden laufen.

Sigrid Koppelmann (SPD) sagte, sie möchte Hoffnung verbreiten. „Visionen sind wichtig, sonst gibt es Stillstand.“ Die Bevölkerung beteilige sich sehr wenig an Sitzungen. „Ich finde es traurig, dass immer nur gemeckert wird.“ Projekte sollten eine Chance bekommen.

*Die Überflutungskarte ist abrufbar unter https://coastal.climatecentral.org.

Blick auf die Stader Altstadt. Wie wird sich die Hansestadt in den kommenden 75 Jahren verändern?

Blick auf die Stader Altstadt. Wie wird sich die Hansestadt in den kommenden 75 Jahren verändern? Foto: Martin Elsen

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