TDas Tagebuch des Osteschiffers: Autor Harry Banaszak folgt seinem Kurs
Osteschiffer im Gräpeler Hafen auf einer historischen Postkarte. Das Tagebuch von 1907 des Osteschiffers Saul war Vorlage für ein neues Buch. Foto: Archiv
Er wuchs in dunklen Zeiten auf und wurde Kapitän: Harry Banaszak aus Stade hat selbst viel zu erzählen. Geschrieben hat der Autor jetzt über ein historisches Tagebuch. Es führt ins Jahr 1907.
Oldendorf. Das Buch „1907 im Osteland“ erzählt dieses eine Jahr im Leben des Schippers Jan, der mit seinem Besan-Ewer von der Gräpeler Werft in See sticht. Harry Banaszak hat das Tagebuch eines Osteschiffers als reale Vorlage genommen und seine Protagonisten wie Jan, seine junge Frau Gesche vom kleinen Moorhof und die Männer im Hamburger Seefahrtskontor dazu erdacht. Am Freitagabend stellte er sein Buch bei einer Lesung im Brunkhorst’schen Haus in Oldendorf vor.
Harry Banaszak hat viel erlebt und darüber auch geschrieben. Die Zuhörerinnen und Zuhörer in Oldendorf hörten Auszüge aus seinem neuen Buch. Foto: Ernst Ryll
„Ich bin ein Stehaufmännchen“
Ein gut gefüllter Aktenordner mit historischen Dokumenten ist das Ergebnis seiner Recherchen zu „1907 im Osteland“. Sein eigenes Leben - es könnte ganze Regalmeter füllen. Harry Banaszak scheint in seinem Leben Unglaubliches vollbracht zu haben: Immer wieder bekam er Wind von vorn, musste er seinen Kurs ändern und durch Untiefen navigieren - aber seinen Optimismus hat er nicht verloren. „Ich bin ein Stehaufmännchen“, sagt er. Egal, wo und wie er neu anfangen musste - „ich habe immer mein Bestes gegeben“.
Über sein bewegtes Leben hat er bereits drei Bücher veröffentlicht. Er hat viel zu erzählen, viel, was ihn zutiefst geprägt hat. Seine Kindheit und Jugend in den Kriegsjahren hat er im Buch „Keiner hat mich je gefragt“ aufgearbeitet. Geboren 1931, wuchs er in Berlin auf. Die Familie zerriss später - und irgendwo in diesem Riss, zwischen Ost und West, Polen und Deutschland, in Kriegswirren und unsteter Nachkriegszeit wurde Banaszak erwachsen. Er lebte bei seinem Vater in Polen, war Seemann, Arbeiter auf der Kolchose und Papiermacher. 1958 kehrte er auf dem Weg der Familienzusammenführung zu seiner Mutter zurück nach Deutschland.
Vom Chef zum Matrosen
Zwei Jahre später erfüllte er sich einen Traum und begann sein Fernstudium, den Lehrgang Technik der Erzählkunst. Er arbeitete in West-Berlin erfolgreich im Verlagswesen und hatte fast geglaubt, er hätte es geschafft. Bis ein neuer Chef ihm zu verstehen gab, dass all seine Vertriebserfolge ihm nichts nutzten, solange er nicht den Brief des Kaufmannsgehilfen vorweisen könne.

Harry Banaszak hat das Tagebuch eines Osteschiffers aus dem Jahr 1907 keine Ruhe gelassen. Das Buch „1907 im Osteland“ ist das Ergebnis. Foto: Klempow
Banaszak änderte den Kurs, heuerte bei der Esso in Hamburg und als Matrose auf dem Tankschiff an. Banaszak blickt auf sein Leben Anfang der 70er zurück: „Das war wie ein Tsunami. Aus der Chefetage in die Zweibettkammer eines Matrosen.“
Die Matrosen hatten Holzbänke, die Offiziere Sessel. Wenn einer immer sein Bestes gibt, dann gibt er sich nicht mit Holzbänken zufrieden. Nach einem Jahr auf See in der Karibik machte Banaszak also sein Kapitänspatent an der Seefahrtschule Grünendeich.
Steuermann und Kapitän
In Stade ging er vor Anker, heiratete zum zweiten Mal und zog mit seiner Frau Lydia nach Wiepenkathen. Über seine Zeit als Steuermann und als Kapitän auf kleiner und mittlerer Fahrt für Reedereien in Kehdingen und im Alten Land hat er viel zu erzählen. Die Erinnerungen hat er in zwei Büchern festgehalten: „Abenteuer See“ und „Aus meinem Logbuch“.
Seit 25 Jahren ist er in Rente. Und seit zehn Jahren beschäftigte ihn immer wieder das Leben eines anderen: Ein Nachbar hatte ihm das Tagebuch seines Vaters gezeigt, des Osteschiffers Peter Saul, Eigner des Besan-Ewers „Tina“. Alle Reisen, Ladungen, Frachtraten, Häfen und Wetterdaten hat Banaszak für sein Buch übernommen - ein authentischer Blick in das Jahr 1907, nach Gräpel und ins Osteland, nach Hamburg und bis nach Malmö.
Drumherum hat er seine Protagonisten in dieses Jahr geschickt. Den jungen Jan Wilhelm Tool, der es zum Kapitän bringt und der 1907 den Bielbrief, die Papiere für seinen eigenen Ewer entgegennimmt. Auch so einer wie Banaszak selbst, der nicht verzagt, sondern die Segel hisst.
Vom Moorhof und der Fahrt durchs Kattegatt
Damit trotzt Jan dem Widerstand des Vaters. Jans junge Frau Gesche, die sich um den „Spökenkieker“, ihren dementen Vater, kümmert, gerät nach dessen Tod in Schwierigkeiten - beansprucht doch der Onkel das Erbe, den Moorhof. Jan ist unterwegs, segelt nach Dänemark, durchs Kattegatt und nach Schweden, der Kontakt ist fast unmöglich - nur das Handelskontor in Hamburg weiß, in welche Häfen Jans Fahrten ihn führen. Aber ist auf das Kontor auch Verlass?

Harry Banaszak stellte am Freitagbend in Oldendorf sein Buch „1907 im Osteland“ vor. Das Buch spielt zum Teil auch im benachbarten Gräpel und hinterm Ostedeich. Foto: Klempow
Harry Banaszak reichert die Geschehnisse und Familiengeschichte mit historischem Hintergrund an, zum damaligen Kaiser-Wilhelm- und heutigen Nord-Ostsee-Kanal, zu den Pfeffersäcken, die Sozis und Gewerkschaften fürchteten. Seinem Publikum in Oldendorf lieferte er einen Einblick in die Zusammenhänge und in die Geschehnisse 1907 im Osteland.
„So entstand mit vielen Recherchen dieses Buch“, sagt Harry Banaszak. Die Kurse des Osteschiffers ist er auf seinen Seekarten nachgefahren, geändert hat er keinen.
Das Buch „1907 im Osteland“ ist in der „edition lesezeichen“ erschienen, kostet 18,95 Euro und ist im Buchhandel erhältlich.
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