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Hannoveraner Zucht

TStutenschau: Warum Pferde und Menschen in Großenwörden fast schweben

Zwei im Schwebezustand: Stefan Wolter muss auch im Trab mit den Pferden mithalten, ohne sie zu stören.

Zwei im Schwebezustand: Stefan Wolter muss auch im Trab mit den Pferden mithalten, ohne sie zu stören. Foto: Klempow

Es geht um begehrte gelbe Plaketten und eine Schärpe an diesem Tag in Großenwörden. Aber auch um schwebende Pferde und Menschen. Und um einen, der sich zurückkämpft.

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Von Grit Klempow
Mittwoch, 09.07.2025, 13:50 Uhr

Großenwörden. Das Publikum ist konzentriert. „Die würde ich sofort auf den Hänger packen“, sagt eine Frau. „Hest de sehn, de schwatte Düvel?“, meint einer der Alten. Die Zuschauer mustern fachkundig, was sie auf dem Rasen sehen. Sie sind hier, weil sie Pferde und ganz besonders Hannoveraner lieben - und auch den Klönschnack bei der Stutenschau.

600 Kilo geballte Dynamik

Federnd, fast schwebend traben die Stuten auf der Dreiecksbahn in Großenwörden vorbei. Die Menschen, die am Zügel mit diesen rund 600 Kilo geballte Dynamik mithalten wollen, passen sich an, federn und schweben mit. Das ist ihr Job - das Pferd soll ungestört seine Bewegungen zeigen.

Stefan Wolter aus Engelschoff ist einer dieser Läufer. Er stellt sieben Pferde verschiedenster Besitzer und auch eigene vor - und beweist dabei Schwung und Sprungkraft. Trainiert er das? „Nee. Ich bin Landwirt, da bin ich sowieso in Bewegung“, sagt er und grinst. An anderer Stelle muss er bremsen und die Stuten davon überzeugen, stillzustehen, damit das dreiköpfige Richterteam den Körperbau beurteilen kann. Je nach Temperament, Alter und Erfahrung finden die Tiere diese Minuten akzeptabel.

Züchter denken über Generationen

Warum die Stutenschau so wichtig ist, weiß Dr. Axel Brockmann. Er ist Landstallmeister und damit Chef des Landgestüts in Celle. Das Landgestüt stellt die Hengste für die Hannoveraner Zucht. „Wir nehmen hier die Deckstuten auf, beurteilen sie in Körperbau und Bewegung. Anhand der Noten können die Züchter die Generationen gut überblicken und sehen, was sich verbessert oder verschlechtert hat“, erklärt Brockmann.

Landstallmeister Dr. Axel Brockmann kommentiert Körperbau und Bewegung der gezeigten Stuten.

Landstallmeister Dr. Axel Brockmann kommentiert Körperbau und Bewegung der gezeigten Stuten. Foto: Klempow

Schön ist, was harmonisch ist. Das Zuchtziel aber steht darüber: „Es geht darum, dass die Pferde gesund bleiben.“ Ein Beispiel: Ist der Winkel zwischen Huf und Fesselgelenk zu klein, ist die Belastung größer. Fachleute sprechen von „weicher Fesselung“. Es drohen Folgeschäden. „Ein Mensch mit O-Beinen hat auch andere Verschleißerscheinungen, als würde er gerade laufen“, erklärt Brockmann. Mängel im Körperbau könnten Menschen über Krankengymnastik und Körperhaltung ausgleichen. „Aber bei Pferden ist es gut, wenn sie von vorneherein korrekt gestellt sind.“ In der Zucht würde im Idealfall für eine „weich gefesselte Stute“ ein Hengst gesucht, der einen solchen „Mangel“ ausgleicht.

Richterteam ernennt die Schausiegerin

Das Richterteam legt auch eine Reihenfolge der gezeigten Stuten fest. Fast mehr als die Hälfte bekommt die beste Prämierung 1a. Aus den Erstplatzierten der unterschiedlichen Altersklassen (Ringe) wird die schönste Stute der Schau gekürt.

Begehrte Plakette: Bei der Stutenschau in Großenwörden erhalten 10 von 19 Stuten die Prämierung 1a.

Begehrte Plakette: Bei der Stutenschau in Großenwörden erhalten 10 von 19 Stuten die Prämierung 1a.

„Den Schausieger zu stellen, das ist der Ehrgeiz eines jeden Züchters“, sagt Olaf Nimmert. Er ist Vorsitzender des gastgebenden Pferdezuchtvereins Stade-Altes Land. Schausiegerin wird eine schwarze Schönheit. „Ein hochmodernes Pferd, das sich mit Sicherheit auch unter dem Sattel sehr gut zu bewegen weiß“, sagt Richter Bo Eitenmüller vom Hannoveraner Verband.

Stefan Wolter hält die Siegerstute der Schau noch einmal am Zügel. Für Kenner: Ihr Vater ist der Landgestüt-Hengst „Von Und Zu“.

Stefan Wolter hält die Siegerstute der Schau noch einmal am Zügel. Für Kenner: Ihr Vater ist der Landgestüt-Hengst „Von Und Zu“. Foto: Klempow

Die Rappstute gehört Ferdinand Mayer. Er lebt in der Eifel und arbeitet eng mit Hans-Henning von der Decken aus Stade zusammen. Die Pferde sind ein Kindheitstraum. „Es fing mit dem Pony an und hört mit dem Hannoveraner auf. Der steht an erster Stelle.“

Züchter Ferdinand Mayer freut sich über die Auszeichnung seiner Stute als Schausiegerin. Passenderweise nennen ihn die Züchterkollegen „Ferdi“.

Züchter Ferdinand Mayer freut sich über die Auszeichnung seiner Stute als Schausiegerin. Passenderweise nennen ihn die Züchterkollegen „Ferdi“. Foto: Klempow

Mehr als 15 Siegerstuten hat er schon gehabt. Gibt es ein Herzenspferd? Die Augen funkeln. „Alle!“ Die Fohlen wachsen bei ihm in der Eifel auf. Später ziehen sie zur Ausbildung in den Stall von der Decken in Stade.

„Das Pferdevirus sitzt drin“

Von Züchterleid und -freud kann Richard Jungclaus aus Hüll erzählen. In seinem Stall sind schon 110 Fohlen zur Welt gekommen, „das Pferdevirus sitzt drin“, sagt er. Hunderte Pferde aus seinem Stutenstamm sind im Sport erfolgreich. Aber gerade erst hat er eine seiner Stuten nach einer Verletzung einschläfern lassen müssen. Ein herber Verlust.

In Großenwörden kennt jeder jeden. Es war schon mal mehr los, aber alle sind froh, dass sie diese Stutenschau noch haben. „Großenwörden ist eine tolle Gemeinschaft“, sagt Brockmann. Das zeigt sich, als ein schmaler Mann eine der Stuten im Schritt führt. Aber nicht im Trab. Das geht noch nicht für Andreas Quaas, den alle nur Quaasi nennen.

Tanja und Andreas Quaas. Er hat sich aus Krankenhaus und Reha zurückgekämpft.

Tanja und Andreas Quaas. Er hat sich aus Krankenhaus und Reha zurückgekämpft. Foto: Klempow

Und alle freuen sich, dass er nach seinem schweren Reitunfall und Schädel-Hirn-Trauma Anfang Februar bis hierher zurückgekämpft hat. „Mensch, der Quaasi“, heißt es. Und ja, der Profi mit eigenem Ausbildungsstall in Oberndorf, sitzt schon wieder auf dem Rücken eines Ponys, wenigstens im Schritt - und wenig überraschend. „Ich hab gewusst, dass er wieder reitet“, sagt seine Frau Tanja. Quaasi ist ein Kämpfer und guter Dinge - und vielleicht schwebt auch er im nächsten Jahr wieder im Trab.

Die Pferde werden auf der Dreiecksbahn vorgestellt. Die Bögen um die Spitzen des Dreiecks fordern heraus, dass gut zu sehen ist, ob die Stuten gut in der Balance sind.

Die Pferde werden auf der Dreiecksbahn vorgestellt. Die Bögen um die Spitzen des Dreiecks fordern heraus, dass gut zu sehen ist, ob die Stuten gut in der Balance sind. Foto: Klempow

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