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Glücksspiel

TSüchtig nach Sportwetten: Wie Experten Teenager im Kreis Stade warnen

In Deutschland nahm die Zahl der Betroffenen von Glücksspielsucht zuletzt deutlich zu. Vor allem im Internet sind die Angebote verlockend.

In Deutschland nahm die Zahl der Betroffenen von Glücksspielsucht zuletzt deutlich zu. Vor allem im Internet sind die Angebote verlockend. Foto: Carsten Rehder/dpa

Eine Woche lang dreht sich in den achten Klassen an der IGS Buxtehude alles um Sucht und ihre Gefahren. Was schon 14-Jährige zu Fußballwetten sagen.

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Von Thomas Sulzyc
Samstag, 28.09.2024, 17:50 Uhr

Buxtehude. Wissen über Sport garantiert keinen Gewinn bei Fußballwetten. Wenn Torwart Manuel Neuer am Spieltag erfährt, dass jemand aus seiner Familie schwer erkrankt ist, könnte das seine Leistung schmälern, nennt Almuth Diekhöner vom Verein Sozialmedizin Stade eine Unwägbarkeit, die ein Fußballspiel beeinflussen kann. Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern, eine überragende Tagesform beim Gegner und das Wetter sind weitere.

Eine Woche Suchtgefahren auf dem Stundenplan

Zum Auftakt der Woche zur Suchtprävention für den 8. Jahrgang an der Integrierten Gesamtschule (IGS) Buxtehude hat die Suchttherapeutin Almuth Diekhöner Teenager auf die Risiken von Glücksspiel aufmerksam gemacht. 150 Schüler und Schülerinnen im Alter von 13 und 14 Jahren befassen sich bis einschließlich Mittwoch, 2. Oktober, mit Süchten und ihren Gefahren.

Im Alter von 13 und 14 Jahren begännen Jungen und Mädchen, selbstständig unterwegs zu sein, sagt die städtische Schulsozialarbeiterin Vivien Rasch. Dieses Alter sei genau richtig, um mit Suchtprävention zu beginnen.

Schulsozialarbeiterin Vivien Rasch begleitet die Projektwoche Suchtprävention an der IGS Buxtehude. 14-Jährige seien genau in dem richtigen Alter, mit der Warnung vor Süchten zu beginnen, sagt sie.

Schulsozialarbeiterin Vivien Rasch begleitet die Projektwoche Suchtprävention an der IGS Buxtehude. 14-Jährige seien genau in dem richtigen Alter, mit der Warnung vor Süchten zu beginnen, sagt sie. Foto: Sulzyc

Das sagen Teenager zu Sportwetten

Was wissen Achtklässler der IGS Buxtehude von kommerziellen Sportwetten? Jonas ist im Internet auf Social-Media-Plattformen auf sie aufmerksam geworden, erzählt er in einer Gruppe mit 24 Schülerinnen und Schülern, die Almuth Diekhöner leitet.

Er tippe manchmal mit Freunden auf den Ausgang von Fußballspielen - in selbst organisierten Tippspielen, sagt Jonas dem NDR-Fernsehteam, das im Klassenzimmer filmt.

„Poker oder so“, spielt Oskar manchmal mit Freunden. „Aber nicht um Geld“, sagt er. Mattheo würde Sportwetten gerne mal ausprobieren. „Weil ich eine glückliche Hand bei Glücksspielen habe.“

Wettanbieter sponsern Fußballvereine

Fußballfans kommen an Wettanbietern nicht vorbei. Die Werbung ist überall: im Stadion, im Fernsehen, im Internet. Die Glücksspielbranche habe inzwischen den höchsten Anteil beim Trikotsponsoring, berichtete Deutschlandfunk Kultur.

In Gesprächen mit Jugendlichen hat Almuth Diekhöner erfahren, dass Fußballtrainer Wetten für Minderjährige abgäben. „Das gehört einfach dazu.“ Zunehmend mehr Trainer dächten aber auch an die Risiken von Süchten und stellten zum Beispiel keine Kiste mit Bier mehr in die Kabine von Jugendspielern.

Diese Dinge symbolisieren unterschiedliche Formen von Süchten und machen sie Schülern anschaulich: Zum Beispiel steht die Barbie-Puppe für Magersucht und die Weinflasche für Alkoholsucht.

Diese Dinge symbolisieren unterschiedliche Formen von Süchten und machen sie Schülern anschaulich: Zum Beispiel steht die Barbie-Puppe für Magersucht und die Weinflasche für Alkoholsucht. Foto: Frerichs

Wann ist das Wetten auf Fußballspiele noch Spiel - und wann eine Sucht? Die Sozialpädagogin lässt die Schülerinnen und Schüler Lebenssituationen bewerten.

Zwei Freunde wetten auf den Ausgang des Endspiels der Fußball-Weltmeisterschaft um eine Pizza. Das sei unter Freunden und deshalb noch nicht gefährlich, sagte ein Schüler.

So werden Fußballwetten zur Sucht

Jemand habe kein Geld mehr, sogar Schulden gemacht und möchte eine Wettpause einlegen. Der Wettanbieter bietet ihm einen 50-Euro-Bonus an und damit die Chance, verlorenes Geld zurückzugewinnen. Als gefährlich schätzt das ein Schüler ein.

In dieser Situation sollte der Kunde das Angebot nicht annehmen und eine Wettpause einlegen, rät Almuth Diekhöner. „Man muss für sich selbst prüfen, ob man sich noch wohlfühlt.“

An einem Parcours mit unterschiedlichen Brett- und Quizspielen im Klassenzimmer sensibilisiert die Suchttherapeutin Almuth Diekhöner für Risiken von Glücksspiel.

An einem Parcours mit unterschiedlichen Brett- und Quizspielen im Klassenzimmer sensibilisiert die Suchttherapeutin Almuth Diekhöner für Risiken von Glücksspiel. Foto: Sulzyc

Wettanbieter ködern mit Bonuszahlungen

Sportwettenanbieter merkten genau, wenn Kunden nicht mehr regelmäßig spielen und versuchten, sie mit Bonusangeboten zu ködern, warnt Diekhöner.

„Die Wettindustrie möchte an das Geld der Menschen“, sagt Almuth Diekhöner den Teenagern. „Es interessiert sie nicht, ob Menschen spielsüchtig sind, ob sie krank sind.“

Bei Quiz- und Würfelspielen sensibilisiert die Sozialpädagogin die Teenager für die Risiken von simulierten Glücksspielen. Das sind Spiele mit Glücksspielanteilen. Videospiele, bei denen sich die Spieler Vorteile, zum Beispiel bessere Waffen auf dem virtuellen Schlachtfeld, mit Geld erkaufen.

Das passiert noch in der Projektwoche

Die Risiken, von Alkohol, Tabak, Cannabis oder Internetmedien süchtig zu werden, sind weitere Themen der Suchtpräventionswoche an der IGS Buxtehude.

Höhepunkt dürfte ein Ausflug auf die Reeperbahn in Hamburg sein. Eine geführte Tour des Projekts „Olivia macht Schule“ von Dragqueen Olivia Jones soll den Teenagern die nicht glitzernde Seite des Vergnügungsviertels zeigen. Schulsozialpädagogin Vivien Rasch: „Ecken, die anschaulich machen, wo man enden kann, wenn es im Leben mal nicht so gut läuft.“

Bei Suchtproblemen können Betroffene und Angehörige eine Erstberatung beim Verein Sozialmedizin Stade vereinbaren: Telefon 04141-999 30.

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