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Ehrenamt

TTelefonate um Mitternacht: Wie sich diese Stader für ihre Mitmenschen engagieren

Britta Rust (links), Ehrenamtslotsin und Ehrenamtskoordinatorin der Hansestadt Stade, und die beiden Freiwilligen Rahman Osman und Sibylle Werft.

Britta Rust (links), Ehrenamtslotsin und Ehrenamtskoordinatorin der Hansestadt Stade, und die beiden Freiwilligen Rahman Osman und Sibylle Werft. Foto: Bisping

Der 5. Dezember ist der Internationale Tag des Ehrenamts. Freiwillige engagieren sich in der Hansestadt unter anderem in Vereinen, in Bildung und Kirche, in der Feuerwehr und der Flüchtlingshilfe. Zwei Menschen berichten von außergewöhnlichen Erfahrungen.

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Von Alexandra Bisping
Montag, 04.12.2023, 08:55 Uhr

Stade. Rahman Osman kam durch Zufall zur Flüchtlingshilfe in Stade. „Ich war bei der VHS in einer Malgruppe“, erzählt er. Dort habe ihn eine Frau angesprochen, die eine Deutschgruppe leitete. Das war 2016. Seitdem ist Osman, der aus Afghanistan stammt, als Sprachmittler im Einsatz. Falls nötig, bis spät in die Nacht.

Wenn Rahman Osman gebraucht wird, ist er da. Er berichtet von einem besonderen Fall. Ein Mann aus Afghanistan war in Stade auf offener Straße zusammengebrochen. Weder er noch seine Frau sprachen etwas anders als ihre Muttersprache. „Niemand konnte mit ihm oder seiner Familie reden“, erzählt Osman. Der Mann kam ins Krankenhaus. Um 22 Uhr wurde Rahman Osman eingeschaltet. Er erhielt einen Anruf - und vermittelte.

Ehrenamt ist ein guter Integrationsmotor

Auch für den Ehrenamtlichen war das nicht ganz einfach. Wie sich herausstellte, konnte die Frau des Patienten weder lesen noch schreiben. Das Bildungsniveau in Afghanistan sei sehr unterschiedlich, sagt Osman. „Gerade die 30- bis 35-Jährigen, die zu Taliban-Zeiten in die Schule hätten gehen müssen, hatten teilweise keine Chance dazu“, erklärt er. In dem genanntem Fall bedeutete das: Die Ehefrau konnte ihm nicht sagen, welche Medikamente ihr Mann einnahm. Schließlich fotografierte sie zu Hause die Packungen und schickte Osman Fotos. Der telefonierte wegen der Medikamente dann mitten in der Nacht mit der Klinik.

Über dieses Engagement freut sich Britta Rust. Sie ist die Ehrenamtslotsin und Ehrenamtskoordinatorin der Hansestadt Stade. Ehrenamt als Integrationsmotor und Flüchtlinge, die sich selbst engagieren wollen, begrüßt sie. Rahman Osman beispielsweise fungiere als Brückenbauer, sei auch für andere Ehrenamtliche da, die afghanische Flüchtlinge betreuten. Er unterstütze bei Arzt- und Behördengängen, auch bei Elternabenden. Zeitweise habe er elf Familien betreut, bis zu 50 Seiten Formulare und Briefe zum Übersetzen über WhatsApp bekommen, sagt Osman.

Stade will mit anderen Städten netzwerken

In Britta Rusts Kartei stehen 250 Ehrenamtliche. Das sind lange nicht alle - „aber sie sind schwer zu greifen“, sagt sie. Was Rust merkt: Die Zahl der Ehrenamtlichen ist rückläufig. „Nicht nur in der Flüchtlingshilfe, auch beispielsweise in Vereinen engagieren sich weniger Menschen.“

Um sich mit anderen Städten auszutauschen und von deren Erfahrungen zu profitieren, hatte sich die Hansestadt beim Programm „Engagierte Stadt“ beworben. Das Netzwerk war 2015 bundesweit mit 50 Städten und Gemeinden ins Leben gerufen worden. Seit 2020 ist Stade eine von mehr als 100 miteinander vernetzten Städten, Gemeinden und Stadtteilen. Das Stader Vorgängernetzwerk „Interkulturell“ ging darin auf, der einstige Ehrenamt-Stammtisch gehört nun zum neuen Netzwerk.

Die meisten Ehrenamtlichen sind im Sport aktiv

Auf seiner Webseite beschreibt das Bundesministerium des Innern und für Heimat das Ehrenamt als „Motor der Demokratie“. „Rund 29 Millionen Menschen engagieren sich überall in unserer Gesellschaft für das Gemeinwohl“, heißt es weiter. Die meisten der Ehrenamtlichen engagieren sich laut Ministerium im Bereich Sport und Bewegung (13,5 Prozent), Musik und Kultur (8,6 Prozent) sowie im sozialen Bereich (8,3 Prozent). Insgesamt sind 39,7 Prozent der Wohnbevölkerung Deutschlands im Alter ab 14 Jahren freiwillig aktiv. Dabei liege der Anteil der Frauen bei 39,2 Prozent und der Anteil der Männer bei 40,2 Prozent.

Auch für Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist das Ehrenamt „das Entscheidende für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft“. Man könne das Ehrenamt nicht hoch genug schätzen, denn es sei „etwas, was Menschen neben ihrer alltäglichen Arbeit und ihrer Familie organisieren“, so Faeser. Zum Internationalen Tag des Ehrenamts am morgigen Dienstag, 5. Dezember, hat das Ministerium die Kampagne „Ehre, wem Ehre gebührt“ gestartet.

Was die „Spielscheune Ottenbeck“ bietet

Sibylle Werft engagiert sich ebenfalls. Sie betreut seit 2016 eine Stader Flüchtlingsfamilie. Sie kümmert sich auch um die ehrenamtliche „Spielscheune Ottenbeck“. Kinder können dort mit ihrer erwachsenen Begleitperson spielen und toben. „Angefangen haben wir mit zwei, drei Kindern“, sagt Sibylle Werft. „Jetzt sind es 20, und es ist toll, das anzuschauen.“ Sie sei „Oma für viele Kleinkinder“, sagt sie. Alles sei sehr familiär. Das kann Rahman Osman nur bestätigen. Das Ehrenamt mache ihm „richtig viel Spaß“. Er erzählt von „Momenten der Dankbarkeit“: „Ein Mädchen hat mal zu mir gesagt, ich sei für sie Papa, Opa und Onkel zugleich.“

Wer sich auch ehrenamtlich engagieren möchte, ist willkommen. Anlaufstelle bei der Stadt ist Britta Rust, erreichbar unter 04141/401515 oder per Mail: britta.rust@stadt-stade.de.

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