TTempo-30-Zone: Als Buxtehude bundesweit für Aufsehen sorgte

Otto Wicht bekam für sein Tempo-30-Werk den Bundesverkehrssicherheitspreis in Gold verliehen. Foto: TAGEBLATT
1983 wurde in Buxtehude deutschlandweit die erste Tempo-30-Zone eingeführt. Es ging um mehr Sicherheit und weniger Lärm. Autofahrer reagierten empört. Ein Mann spielte eine besondere Rolle für die „Wichtel-Gebirge“ im Feldversuch.
Buxtehude. Der Mann, der Tempo 30 vor 40 Jahren im November durchsetzte, war der damalige Stadtbaurat Otto Wicht. Sein Name geht in diesen Tagen rund um den Jahrestag der verkehrspolitischen Pioniertat durch die Medien. „Kübel-Otto“ nannten ihn die Buxtehuder anfangs verärgert, später dann respektvoll. Seine „Wichtel-Gebirge“ im bundesweit ersten Feldversuch der flächenhaften Verkehrsberuhigung haben tiefe Spuren hinterlassen.
200 Betonringe machen Buxtehude bundesweit bekannt
In der Stadt waren die verkehrsberuhigenden Hindernisse in der ersten Zeit umstritten. Weil Geld und Vorbilder fehlten, ließ der inzwischen verstorbene Stadtbaurat Otto Wicht kurzerhand 200 Betonringe in die Straßen stellen und bepflanzen. Deshalb bekam er auch seinen Spitznamen „Kübel-Otto“.
Das TAGEBLATT berichtete damals, dass die Betonringe als Geschäft der laufenden Verwaltung - also ohne Zustimmung der Politik - in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zuerst in der Konopkastraße aufgestellt worden seien. Ein derart zupackendes Verwaltungshandeln ist heute nicht mehr vorstellbar. Gefühlt würde mit Bürgerbeteiligung, Machbarkeitsstudie und politischer Diskussion ein halbes Jahrzehnt vergehen, bis eine so große Veränderung angegangen werden könnte.

Bepflanzte Betonringe waren die ersten Hindernisse auf den Buxtehuder Straßen, um das Autofahren langsamer zu machen. Foto: TAGEBLATT
Otto Wicht war von 1966 bis 1994 Stadtbaurat - in einer Zeit, in der sich die Zahl der Einwohner in Buxtehude verdoppelte. Am Ende seiner 28 Amtsjahre gab es Lobeshymnen von vielen Seiten.
Stadtbaurat Wicht erst beschimpft, dann hoch geachtet
Der Modellversuch mit der flächenhaften Verkehrsberuhigung entwickelte sich innerhalb eines Jahres zum großen Werbeträger der Stadt Buxtehude. Nach einem internationalen Kolloquium in Berlin wurde in nahezu allen Tageszeitungen und Nachrichtensendungen über die positiven Erfahrungen in Buxtehude berichtet. Es erinnert ein bisschen an die aktuelle Berichterstattung zum 40. Geburtstag der „Wichtel-Gebirge“ in Buxtehude. Als Otto Wicht die Autofahrer zum Tritt auf die Bremse bewegen wollte, habe ihm das viel Hohn und Spott in Buxtehude eingebracht, berichtete das TAGEBLATT damals. Außerhalb der Stadt avancierte Wicht zum Medienstar, und auch die Buxtehuder versöhnten sich mit ihrem Stadtbaurat.

Otto Wicht in Aktion: Hier testet er die Funktionalität der verkehrsberuhigenden Bauten in einem Linienbus. Foto: TAGEBLATT
Deshalb ist das Thema Tempo-30-Zone ein Dauerbrenner
Wieso ist das Thema Tempo 30 immer noch so aktuell? Die Zahl der Autos hat sich seit 1983 von 24,5 Millionen auf 47 Millionen fast verdoppelt. Deshalb ist die Frage, wem der Verkehrsraum gehört und wer dort das Tempo bestimmt, nach wie vor eine zentrale Frage der Verkehrsplanung - auch in Buxtehude. Jüngstes Beispiel ist die neue Tempo-30-Regel für die Buxtehuder Ortschaft Ketzendorf. Die Schilder sind erst aufgestellt worden, nachdem die Anwohner wochenlang ihre Autos als Verkehrshindernisse auf die Kreisstraße gestellt hatten und zwei Zählungen die massive Zunahme der Fahrzeuge bestätigt hatten.
Das Problem: Durch Ketzendorf zieht sich die Kreisstraße 84 und auf solchen Straßen mit überregionaler Bedeutung ist es auch vier Jahrzehnte nach der Pioniertat immer noch kompliziert, Anwohner vor dem Verkehr zu schützen. Die Zahl der Autos, die den beschaulichen Ort als Abkürzung zwischen den Bundesstraßen 73 und 3 nutzen, war explodiert, nachdem die Anschlussstelle Neu Wulmstorf der Autobahn 26 Anfang des Jahres freigegeben wurde.
Neues Gesetz: Tempo 30 kann leichter umgesetzt werden
Sollen Städte und Kommunen künftig selbst darüber entscheiden können, wo auf ihren Straßen ein Tempo-Limit herrscht? Das jedenfalls ist das Ziel der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“. Viele Städte in Niedersachsen fordern schon lange, die Geschwindigkeit bei Bedarf flexibel anpassen zu dürfen. Nun hat der Bundestag die entsprechende Änderung im Straßenverkehrsgesetz im Oktober beschlossen. Auch die Stadt Buxtehude war einer entsprechenden Initiative beigetreten.
Bislang sind Kommunen durch den Gesetzgeber stark eingeschränkt und können nur in begründeten Ausnahmefällen Tempo-30-Zonen einrichten. Solche Begründungen können beispielsweise eine erhöhte Unfallquote oder eine zu hohe Lärmbelästigung sein.
In Zukunft werden im Straßenverkehrsgesetz nicht nur die Ziele der Verkehrssicherheit und des leichten Verkehrsflusses verfolgt. Jetzt finden auch der Klima- und Umweltschutz, die Gesundheit der Menschen oder die städtebauliche Entwicklung dort Berücksichtigung. Das bedeutet: Wenn eine Kommune Busspuren anlegen, Anwohnerparkplätze einrichten oder Tempo-30-Regeln anordnen will, kann sie das auch damit begründen, dass die Maßnahme der Gesundheit oder der städtebaulichen Entwicklung dient.