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Tierschutz

TMit Esel, Kamel und Kuh: Hof in Drochtersen wird zum tierischen Therapiezentrum

Yvonne und Thorsten Neumann vor der denkmalgeschützen Hofanlage Haus Siebenstein in Dornbuschermoor. Eselin Franzi gehört zu den Tieren des Tierschutzhofs, von denen etliche bei der tiergestützten Therapie zum Einsatz kommen.

Yvonne und Thorsten Neumann vor der denkmalgeschützen Hofanlage Haus Siebenstein in Dornbuschermoor. Eselin Franzi gehört zu den Tieren des Tierschutzhofs, von denen etliche bei der tiergestützten Therapie zum Einsatz kommen. Foto: Knappe

Haus Siebenstein heißt das denkmalgeschützte reetgedeckte Fachwerkhaus in Dornbuschermoor. Zu den Vorbesitzern gehörte auch der frühere Hamburger Bürgermeister Hans-Ulrich Klose. Jetzt fungiert die Hofanlage als Zentrum für tiergestützte Therapie. Das steckt dahinter.

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Von Katja Knappe
Freitag, 12.01.2024, 08:50 Uhr

Drochtersen. Ein Waldkauz hat sich im Giebelfenster der Tenne seinen Schlafplatz gesucht und macht hier in Seelenruhe sein Nickerchen. Yvonne und Thorsten Neumann vom Tierschutzhof Neumann öffnen das Tor der Tenne. Ein sechs Meter langer selbst gebauter Versammlungstisch aus Holz steht auf dem Steinfußboden. Eines von Thorsten Neumanns vielen Bauprojekten - meistens sind das eher Ställe und Anlagen für die Tiere auf dem Tierschutzhof, der nur rund 200 Meter entfernt auf der anderen Straßenseite liegt.

Wie ein Rabe die Entscheidung herbeiführte

Im Dezember 2022 kaufte Yvonne Neumann das denkmalgeschützte Anwesen aus dem Jahr 1819: „Da saß ein Rabe in der riesigen alten Kastanie auf dem Grundstück. In dem Augenblick, als der Rabe losflog, fiel bei mir die Entscheidung, das Haus zu kaufen.“ Und deshalb heißt die Hofanlage Hausnummer 7 jetzt auch „Haus Siebenstein“, benannt nach dem Raben Rudi in der Kinderfernsehserie Siebenstein. Zum Anwesen gehören das Fachwerkhaus mit offenem Kamin, Besprechungsecke und bodentiefen Fenstern, die Tenne, ein Teich und eine große Gartenanlage, auf der Yvonne Neumann dieses Jahr noch einen Schafstall einrichten möchte.

Bereits seit zweieinhalb Jahren kooperiert der Tierschutzhof Neumann mit Einrichtungen der Jugendhilfe. Benachteiligte Jugendliche, Jugendliche mit Problemen und Schulverweigerer kommen regelmäßig zum Tierschutzhof und arbeiten hier mit. „Die Tiere sind die größte Motivation und der Schlüssel, um mit diesen Kindern in Kontakt zu kommen“, weiß Yvonne Neumann. Auch Gruppen vom Roten Kreuz und von der Buxtehuder Kindertafel waren schon hier.

Spagat zwischen Glamourwelt und Ställen im Moor

Die 42-Jährige beendete im Vorjahr eine dreijährige Ausbildung für tiergestützte Therapie. „Das war kein leichter Ritt. Ich brachte zwar aufgrund der Arbeit mit Tieren Fachwissen mit, aber ich hatte ja keine pädagogischen Vorkenntnisse,“ erzählt sie. Sie kommt beruflich aus einer komplett anderen Branche, aus der Glamourwelt der Entertainer: Als Maskenbildnerin unter anderem von Schlagerstar Roland Kaiser war sie jahrelang auf Achse.

Yvonne Neumann im Besprechungraum des Haupthauses mit Hund Henry.

Yvonne Neumann im Besprechungraum des Haupthauses mit Hund Henry. Foto: Knappe

„Ich habe 13 Jahre lang aus Koffern gelebt und bin von Hotel zu Hotel gezogen“. Als sie Thorsten Neumann kennenlernte und vor neun Jahren auf dem Tierschutzhof einzog, änderte sich ihr Leben grundlegend. „Ich habe erst versucht, einen Spagat zwischen der Glitzerwelt und Dornbuschermoor zu machen.“ Aber schon bald fiel die Entscheidung für ein naturnahes bodenständiges Leben. „Ich konnte nicht mehr verstehen, wie Leute darüber diskutieren, sich für 3000, 4000 Euro eine Handtasche zu kaufen. Ich bin froh, dass ich diesen Absprung geschafft habe“, sagt Yvonne Neumann.

Dieses Jahr wird sie noch an etwa 30 Terminen Schlagerstar Mary Roos begleiten, dann soll endgültig Schluss sein mit der Entertainmentbranche. Immerhin: Sie habe gut verdient und kann jetzt Träume verwirklichen. Der Wunsch, vor allem für Kinder und Heranwachsende etwas zu tun, sei erwacht bei einem Besuch in einem Kinderhospiz. „Da war ein schwerkranker Junge. Mir waren wohl die Gesichtszüge entgleist. Da nahm der kleine Junge meine Hand und sagte: Du musst nicht traurig sein. Ich bin’s auch nicht“. Deshalb gehörte auch eine Trauerfamilie aus einem Hospiz zu den ersten Gästen von Haus Siebenstein.

Haus Siebenstein soll Tierschutzhof sichern

Die Therapiearbeit mit Tieren bietet Yvonne Neumann für Menschen jedes Alters an, sowohl für Gruppen wie für Einzelne, zu den Klienten gehören auch Menschen mit Depressionen oder autistische Kinder. „Fürs Esel-Coaching habe ich für dieses Jahr schon etliche Anfragen.“ Die Räumlichkeiten auf der Hofanlage plant Yvonne Neumann zudem für Seminare etwa im naturpädagogischen oder naturheilkundlichen Bereich tageweise zu vermieten.

Dieser Waldkauz hat den Giebel der Tenne von Haus Siebenstein zu seinem Schlafplatz auserkoren. Weil auch ein Storch mehrfach vorbeischaute, haben die Neumanns jetzt ein Storchenrad installiert.

Dieser Waldkauz hat den Giebel der Tenne von Haus Siebenstein zu seinem Schlafplatz auserkoren. Weil auch ein Storch mehrfach vorbeischaute, haben die Neumanns jetzt ein Storchenrad installiert. Foto: Knappe

Die tiergestützte Therapie finde sowohl auf dem Tierschutzhof als auch in Haus Siebenstein statt, auch Übernachtungen sind möglich. Für viele Klienten sei es besser, in der ruhigen Umgebung von Haus Siebenstein anfangs erst mal mit nur ein oder zwei Tieren in Kontakt zu kommen - auf dem Tierschutzhof könne die Vielzahl der Tiere anfangs überfordernd sein. Als Therapie-Tiere kommen etliche Bewohner des Tierschutzhofes zum Einsatz: Esel, Hühner, Kamele, Alpakas, Kühe und das beliebte Border-Lancaster-Schaf „Hasi“ mit den riesigen Fledermausohren. „Rentner“-Hund Henry ist natürlich immer dabei. Die Einnahmen von Haus Siebenstein sollten letztlich dazu dienen, den Unterhalt der Tiere auf dem Tierschutzhof und dessen Betrieb auch in späterer Zukunft zu sichern, sagt Yvonne Neumann.

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