TTödliche Beißattacke: Kampfhund springt über Gartenzaun und tötet Dackel

Staffordshire-Mix in einem Berliner Tierheim (Symbolfoto). Schon während des Verwaltungsverfahrens nach einer Beißattacke wird in Niedersachsen behördlich eine vorbeugende Maulkorb- und Leinenpflicht angeordnet. Foto: dpa
Körperliche und emotionale Wunden hat eine Beißattacke in Altenwalde hinterlassen. Dass der eigene Garten keinen Schutz vor dem Nachbarshund bot, nagt an den Bewohnern.
Altenwalde. Die Ereignisse am 19. Juni 2025 wird eine Familie aus Altenwalde nicht mehr vergessen. Es ist der Tag, an dem ihr Zwergdackel Shaggy starb, tödlich verletzt durch den Nachbarshund, nachdem dieser über den Zaun in ihren Garten gesprungen war. Doch auch die Menschen erlitten Wunden - körperlich und seelisch.
Erstes Ziel war ein kleiner Yorkshireterrier-Welpe
„Die emotionale und rechtliche Aufarbeitung ist in vollem Gange“, berichtet Julia A. (Name geändert), Shaggys Halterin. Sie war bei der Arbeit, als im Garten ihrer Eltern das Drama seinen Lauf nahm. Ihre Mutter habe sich mit den beiden kleinen Hunden der Familie draußen aufgehalten und sich im Gespräch mit der Nachbarin befunden, als deren Hund - es soll sich um einen Staffordshire-English Bullterrier-Mix handeln - über den Zaun gesprungen sei und sich den Yorkshireterrier-Welpen ihrer Mutter geschnappt, geschüttelt und schließlich weggeworfen habe.
Vater erlitt Bisswunde am Arm
In zusehends aufgeheizter Stimmung hätten ihre Mutter, die Nachbarin und schließlich auch der Vater versucht, den Hund durch Rufe und körperlichen Einsatz zu bewegen, von dem etwas mehr als 1,5 Jahre alten Zwergdackel Shaggy abzulassen, in den er sich inzwischen verbissen hatte.

Zwergdackel Shaggy erlitt bei der Attacke Verletzungen, die mit dem Leben nicht mehr vereinbar waren. Foto: cnv
Der Vater erlitt dabei eine Bisswunde am Arm, die ärztlich versorgt werden musste und eine mehrwöchige Arbeitsunfähigkeit nach sich zog. Er habe in diesem Moment nicht nachgedacht, sondern nur gehandelt, erzählt die Tochter. Die Eltern trauten sich seit dem Vorfall nicht mehr in den Garten.
Tierarzt stellte lebensbedrohliche Verletzungen fest
Der diensthabende Tierarzt in Elmlohe (im Notdienst nach 18 Uhr) hielt den dramatischen Zustand in seinem Bericht fest: Bei einer bereits äußerlich erkennbaren Schädeldeformierung, Weichteilschwellungen und offenen Wunden habe der Hund schon deutliche neurologische Symptome gezeigt.
Nachdem das Röntgenbild eine Perforation des Schädels bestätigt hatte, habe er der Besitzerin dringend angeraten, Shaggy an Ort und Stelle einzuschläfern. So geschah es dann auch.
Verwaltungsverfahren beim Landkreis läuft
„Neben dem Verlust unseres geliebten Hundes beschäftigt uns vor allem die Frage: Wie kann so etwas passieren - und wer schützt andere Familien vor ähnlichen Gefahren?“, sagt Julia A. Der Aufforderung der Stadt, den Zaun zu erhöhen, seien die Nachbarn inzwischen nach wiederholtem Druck nachgekommen.
Sowohl bei der Polizei als auch bei der Stadt und beim Landkreis Cuxhaven ist der Vorfall aktenkundig. Der Landkreis hat ein Verwaltungsverfahren eingeleitet. Die Polizei Cuxhaven bestätigt eine eingegangene Anzeige. Die Polizei ermittle wegen fahrlässiger Körperverletzung; inzwischen sei der Fall an die Staatsanwaltschaft Stade abgegeben worden.
Niedersächsisches Hundegesetz regelt, was zu tun ist
Dem Landkreis Cuxhaven obliegt es nun, die Gefährlichkeit des Hundes zu bewerten. Der Umgang mit Hunden und die Vorbeugung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sind seit 2011 im niedersächsischen Hundegesetz geregelt. Zunächst sind die Gemeinden, in diesem Fall die Stadt Cuxhaven, für dessen Umsetzung zuständig.
Bei ihr müssen der Sachkundenachweis (Theorie/Praxis), die unveränderliche Kennzeichnung des Tieres (Transponder unter der Haut), die obligatorische Haftpflichtversicherung und die Anmeldung des Tieres im Zentralregister nachgewiesen werden.
Vorbeugende Leinen- und Maulkorbpflicht wird immer gleich angeordnet
Der Landkreis kommt in dem Moment ins Spiel, wenn ein Vorfall - in der Regel eine Beißattacke - angezeigt wird, bei dem ein Mensch oder ein Tier eine „mehr als nur geringfügige Verletzung“ erlitten haben. Zuständig ist nicht das Veterinäramt, sondern die Ordnungsbehörde. Das Verfahren ist standardisiert. Anschreiben der Beteiligten und durch sie benannte Zeugen, Austausch mit dem praktizierenden Tierarzt und anderen Behörden. Ab Ermittlungsbeginn gilt für den Hund, der gebissen hat, eine vorbeugende Leinen- und Maulkorbpflicht außerhalb des Grundstücks, das außerdem ausbruchssicher abgesichert werden muss.
Hundehalter bekommen einen Aufgabenkatalog auferlegt
Die festgestellte Gefährlichkeit eines Hundes verpflichtet Halterin oder Halter, eine Haltungserlaubnis beim Landkreis zu beantragen und innerhalb von drei Monaten eine Reihe von Nachweisen zu erbringen: Wesenstest bei einem zugelassenen Tierarzt, Führungszeugnis, praktische Sachkundeprüfung mit dem Hund, Nachweis der Kennzeichnung und der Haftpflichtversicherung. Die Frist kann einmalig um drei Monate verlängert werden.
Die nächsten Möglichkeiten, einen Hund zum Wesenstest vorzuführen, befinden sich in den Landkreisen Wesermarsch oder Harburg. Werden die geforderten Nachweise nicht fristgerecht erbracht, ist der Hundehaltende verpflichtet, das Tier an ein Tierheim oder einen anderen Halter abzugeben. Letzter Schritt ist die behördliche Entnahme des Hundes aus dem Haushalt.
Hunderasse spielt bei Bewertung keine Rolle
Dass der in Altenwalde auffällig gewordene Hund einer Rasse angehört, die in anderen Bundesländern, so auch in Bremen, auf einer Rasseliste steht (im Volksmund „Kampfhund“), darf bei der Bewertung nicht ins Gewicht fallen. Denn das niedersächsische Hundegesetz von 2011 enthält keine Rasseliste. Das heißt: Keine Hunderasse wird von vornherein als gefährlich eingestuft.
Neue Einstufung bei der Hundesteuer löste vehemente Proteste aus
Die Reglementierung sogenannter Listenhunde löst erfahrungsgemäß stets heftige Emotionen aus. Erst vor etwa 1,5 Jahren hatte die mit einer drastischen Erhöhung der Hundesteuer verbundene Aufnahme einer Rasseliste in die Hundesteuersatzung der Stadt Cuxhaven große Proteste ausgelöst. Der Rat beschloss daraufhin im Januar 2024, diese Liste wieder zu kippen.