TTrotz Hochlauf: Vor diesen Herausforderung steht Airbus

Treiber des Aufschwungs bei Airbus ist vor allem die große Nachfrage nach Flugzeugen der A-320-Familie. Die Produktionsrate soll auf 75 Maschinen pro Monat erhöht werden. Under Bild zeigt die Fertigung in der Flow Line im Nordenhamer Werk. Foto: Heilscher
Während andere deutsche Schlüsselindustrien in der Krise stecken, geht es im Flugzeugbau bergauf. Wo Airbus trotzdem vor Herausforderungen steht, erklärt Michael Eilers, Betriebsratsvorsitzender von Airbus Aerostructures.
Norddeutschland. TAGEBLATT: Herr Eilers, noch nie seit Gründung von Airbus haben so viele Menschen im Nordenhamer Werk gearbeitet. Geht die Mitarbeiterzahl noch weiter nach oben?
Michael Eilers: Das Nordenhamer Airbus-Werk beschäftigt derzeit rund 3700 Mitarbeiter, einschließlich der Auszubildenden. Unternehmen und Betriebsrat gehen nicht davon aus, dass diese Zahl aktuell noch groß steigen wird. Seit der Gründung von Airbus Aerostructures vor zweieinhalb Jahren ist die Mitarbeiterzahl um immerhin 1300 nach oben gegangen. Die neuen Kolleginnen und Kollegen müssen ja auch erst mal in die betrieblichen Abläufe integriert werden.

Michael Eilers ist Betriebsratsvorsitzender von Airbus Aerostructures in Nordenham und auch Gesamtbetriebsratsvorsitzender. Foto: Heilscher
Woher kommen all die neuen Leute?
Die meisten Mitarbeiter leben in einem Umkreis von gut 20 Kilometern ums Werk. Viele der neuen Kolleginnen und Kollegen sind von der östlichen Weserseite zu uns gekommen.
Das klingt nicht einfach, mit vielen neuen Akteuren den Hochlauf bei Airbus zu bewältigen.
In Summe hat die Integration gut funktioniert. Das Nordenhamer Werk hat im benachbarten Innovationszentrum ein Trainingszentrum aufgebaut für die neuen Kolleginnen und Kollegen. Das klappt gut. Wir bekommen die Flugzeuge produziert, und das in guter Qualität. Dass es hin und wieder Engpässe gibt, liegt vor allem daran, dass benötigte Bauteile nicht rechtzeitig geliefert werden.
Wenn wir über den Hochlauf reden, was heißt das konkret?
In allen Programm des zivilen Flugzeugbaus bei Airbus gehen die Produktionszahlen nach oben. Treiber des Aufschwungs ist die A-320-Famillie. Da soll die Produktionsrate bis 2027 auf 75 Maschinen im Monat steigen. Aber auch die anderen Programme laufen gut, also die Produktion der Langstreckenjets A350 und A330. Mit dem A350-Frachter ist ein neues Programm hinzugekommen. Und der Standort Nordenham ist an allen Programmen gut beteiligt.
Wie dick ist das Auftragspolster?
Airbus hat auch 2024 mehr Aufträge bekommen, als Maschinen ausgeliefert wurden. Aktuell stehen 8769 Bestellungen in den Auftragsbüchern. Airbus baut rund 800 Flugzeuge im Jahr. Bei der derzeitigen Produktionsmenge hat Airbus also für gut zehn Jahre Arbeit. Das ist schon eine sehr besondere Situation.

Noch nie haben im Nordenhamer Airbus-Werk so viele Menschen gearbeitet wie zurzeit: Es sind 3700. Die Auftragsbücher sind voll. Die Aussichten gut. Und doch gilt es, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Foto: Scheer
Klingt nach einer sorgenfreien Zukunft.
Die gesamte Branche steht vor der Herausforderung, 2050 möglichst klimaneutral zu fliegen. Airbus hat sich dazu auf den Weg gemacht. Dieser Aufgabe müssen wir uns aber auch als Industrienation stellen. Da haben wir Nachholbedarf. Ein Beispiel: In der Regierungskoalition in Berlin war vereinbart, die Mehreinnahmen aus der erhöhten Steuer für Flugtickets zu verwenden, um die Entwicklung und Produktion eines klimafreundlicheren Treibstoffs zu fördern. Das ist aber nicht geschehen. Stattdessen wurden mit dem Geld Haushaltslöcher gestopft. Wir Betriebsräte erwarten eine Industriepolitik, die die Produktion in Deutschland stärkt und damit Arbeitsplätze sichert. Es bleibt abzuwarten, wie Boeing in den USA unter der Trump-Regierung aus der Krise kommt. Auch die Chinesen haben mit der C919 inzwischen ein eigenes Passagierflugzeug auf dem Markt. Wir müssen in Europa und in Deutschland unsere Hausaufgaben machen, damit wir industriell Vorreiter bleiben.
Über welchen alternativen Treibstoff reden wir?
Dieser Treibstoff wird unter dem Namen SAF geführt – Sustainable Aviation Fuel. Das ist der Oberbegriff für alle Flugkraftstoffe, die anders als herkömmliches Kerosin ohne die Verwendung von fossilen Energieträgern wie Erdöl hergestellt werden. Moderne Triebwerke könnten bereits Treibstoffe mit einem Anteil von 50 Prozent SAF verwerten. Es gibt ihn nur nicht. Das ist aber ein großer Hebel, und deshalb müssen die zusätzlichen Steuereinnahmen zweckgebunden eingesetzt werden.
Airbus hat angekündigt, bis 2035 das erste klimaneutrale Flugzeug auszuliefern und will zudem die Produktion wesentlich klimafreundlicher organisieren. Wie ist da der Stand?
Airbus ist auch dabei auf dem Weg. Wir schauen, wie wir in den Produktionsprozessen mit weniger Energie, weniger Emissionen und weniger Material auskommen können. Ein Beispiel aus Nordenham: Beim Abtragen der Aluminiumbleche, also um sie dünner und damit leichter zu machen, wird zunehmend auf mechanische statt chemische Verfahren gesetzt: Flächenfräsen statt chemisch abtragen. Das funktioniert gut und wird weiter ausgebaut. Es geht um ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Die einzelnen Standorte sind da in einem engen Austausch miteinander. Ziel ist es, bis 2030 in Summe den Ausstoß an Kohlendioxid in den Airbuswerken um 85 Prozent zu reduzieren und den Energieverbrauch um 20 Prozent zu senken. Bezugsjahr ist 2015.
Bei Airbus sind im zurückliegenden Jahr eine Reihe von Tarifverträgen zwischen dem Unternehmen und der IG Metall abgeschlossen worden. Was bedeuten die für die Mitarbeiter?
Da gibt es jetzt zunächst einen Tarifvertrag zum Thema Fahrradleasing. Und einen Tarifvertrag zur Flexibilität. Darin sind unter anderem die verschiedenen Zeitkonten der Mitarbeiter geregelt. Stunden im sogenannten Sicherheitskonto werden nun bei einer vereinbarten Entnahme mit 20 Prozent vom Arbeitgeber „verzinst“. Zuvor waren es 15 Prozent. Muss also beispielsweise eine Woche entnommen werden, kommen vier Tage von dem Sicherheitskonto, und einen Tag gibt das Unternehmen dazu. Das Sicherheitskonto dient als Puffer in Zeiten zu geringer Beschäftigung. Die hat es bei Airbus immer wieder gegeben, zuletzt bei Corona. Auch die Leiharbeit ist tarifvertraglich neu geregelt worden.
Wie hoch ist der Anteil der Leiharbeiter aktuell im Nordenhamer Werk?
Bei rund 150, also deutlich unter 5 Prozent. Doch das ist gewissermaßen ein historischer Tiefstand. In dem Tarifvertrag ist vereinbart, dass der Anteil der Leiharbeiter künftig bei etwa 10 Prozent liegen darf. Nach dem alten Tarifvertrag waren es 13 Prozent. Auch Leiharbeit ist ein Instrument der Flexibilität in Krisenzeiten. Nach sechs Monaten arbeiten Leiharbeiter zu den gleichen Bedingungen und zu gleichem Lohn bei Airbus. Für IG-Metall- Mitglieder unter den Leiharbeitern gilt diese Regelung bereits nach zwei Monaten.
Auch das Thema Ausbildung ist in einem Tarifvertrag geregelt worden.
Mindestens 5 Prozent der Beschäftigten müssen Auszubildende sein. Die Übernahme nach der Ausbildung ist tarifvertraglich garantiert, ebenso wie die Förderung der jungen Leute nach der Ausbildung. Im Jahr 2024 hat Airbus in Nordenham 57 neue Auszubildende eingestellt. Das ist ein neuer Rekord.
Airbus Aerostructures wächst weiter. Zum 1. Juli 2025 kommen die Werke Varel und Augsburg hinzu. Die ehemaligen Premium-Aerotec-Werke sind dann wieder unter einem unternehmerischen Dach vereint.
Ja. Das war ebenfalls Teil der tariflichen Regelungen, als Airbus neu gegliedert wurde. Airbus Aerostructures wächst im Sommer auf 18.000 Mitarbeiter und ist damit die größte Gruppe im zivilen Flugzeugbau von Airbus in Deutschland. Zur Gruppe gehört dann auch das Werk im rumänischen Brasov mit seinen gut 1000 Beschäftigten. Die Herausforderung wird sein, ein effizientes und gut organisiertes Unternehmen aufzustellen und so den weiteren Hochlauf der Produktion sicherzustellen.