TTrotz Vertrag: Unternehmen knipst Deinster Anwohner das Internet ab

Netzwerkkabel in einem Rechenzentrum (Symbolbild): Bei Ulrich F. kommen keine Daten mehr an. Foto: Marijan Murat/dpa
Techniker hatten es bestätigt: Hier ist kein schnelles Internet möglich. Dennoch soll ein Deinster einen neuen Vertrag abschließen. Jetzt zieht er vor Gericht.
Deinste. Ulrich F. tappt im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln - er hat keinen Strom mehr. Auch sein digitaler Datenaustausch funktioniert nicht mehr. Grund: Der Deinster weigert sich, bei EWE TEL einen neuen Vertrag abzuschließen. Das Oldenburger Telekommunikationsunternehmen hat reagiert - und seinen Internetzugang abgestellt.
„Ich lebe fast autark“, erklärt Ulrich F., der aus persönlichen Gründen seinen vollen Namen nicht nennen möchte. Seine Solaranlage und die Stromversorgung des Gebäudes werde über einen „intelligenten Smart-Meter via Internet aus der Ferne gesteuert“. Ist die Internetverbindung unterbrochen, funktioniert auch die Steuerung der Stromversorgung nicht.
Ohne Internet fehlt mehr als nur Datenfluss
Die fehlende Stromversorgung hat weitere Folgen: kein warmes Wasser. Denn die Warmwasserbereitung werde ebenfalls mit einer Stromverbindung ausgeführt und durch einen Heizstab im Wasserspeicher erzeugt, erklärt Ulrich F. Ohne Internet also weder Strom noch warmes Wasser.
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Sein aktueller Vertrag bei EWE, so Ulrich F., bestehe seit Jahrzehnten, abgeschlossen habe er ihn 1998/99. Dieser Vertrag sei bisher nicht gekündigt worden. Eine Geschwindigkeit von bis zu 16 Mbit pro Sekunde soll er laut aktuellem Vertrag erhalten. Mehr sei aufgrund seiner wohnlichen Gegebenheiten auch nicht möglich. Selbst das Handy zu benutzen, sei in dem Gebäude so gut wie ausgeschlossen.
Doch nun soll Ulrich F. einen neuen Vertrag abschließen. „Darin wird eine sehr viel höhere Leistung versprochen, aber das schnelle Internet kann EWE technisch gar nicht liefern.“ Dazu gedrängt wird er nach eigenen Angaben trotzdem. Das Kuriose daran: Ulrich F. wollte vor Jahren selbst einen solchen Vertrag abschließen.
EWE hatte neues Angebot selbst zurückgezogen
„Wir hatten ein Angebot bekommen und angenommen“, sagt er. Das habe EWE selbst zurückgenommen. Begründung: Die Leistungserhöhung könne nicht erbracht und sichergestellt werden. Das hätten Messungen des Leitungssystems ergeben. „Ich habe mehrfach telefoniert, immer wieder wurde mir bestätigt, dass es bei mir nicht geht.“
Umstrittene Preiserhöhung
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Trotzdem soll Ulrich F. einen neuen und teureren Vertrag unterschreiben. Als er sich geweigert habe, sei ihm das Internet gekappt worden, berichtet er. Das war am 26. Juni. Nach seinen Drohungen, gerichtlich gegen das Unternehmen vorzugehen, sei die Netzverbindung wieder aktiviert worden. Bis zum 30. Juni - dann sei die Versorgung erneut unterbrochen worden, „um zu erzwingen, dass ich unterschreibe“, ist er überzeugt.
Ulrich F. lebt mit seinem erwachsenen Sohn in einem Haus in Deinste. Er braucht seinen Internetanschluss dringend - auch, weil er ehrenamtlich als Sanitäter arbeitet. „Durch die fehlende Kommunikation kann ich nicht alarmiert werden“, macht er deutlich.
Einem Tarifwechsel habe er nicht zugestimmt
Fünf Schreiben seien bei Ulrich F. eingegangen, laut denen er den Tarif wechseln solle. „Dem habe ich bisher nicht zugestimmt und werde dem auch nicht zustimmen“, sagt er. Jetzt hat der Deinster beim Stader Amtsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt. Eine Kopie der Abschrift liegt der Redaktion vor. Was sagt das Unternehmen dazu?
„Herr F. hat beim Amtsgericht Stade den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen EWE beantragt“, bestätigt EWE-Pressesprecherin Nadine Auras auf Anfrage per Mail. Der Antrag sei am 3. Juli zugestellt worden und betreffe den vom TAGEBLATT geschilderten Fall, schreibt sie weiter. „Wir bitten daher um Verständnis dafür, dass wir hierzu keine näheren Auskünfte geben können, bevor das von Herrn F. angestrengte Gerichtsverfahren beendet ist.“
EWE TEL war im März dieses Jahres selbst vor Gericht gezogen. Wie berichtet, hatte das Unternehmen gegen die Bundesnetzagentur Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Dabei geht es um ein Regelwerk, das die Bundesbehörde im März festgelegt hatte und das die Verlängerung bisheriger Frequenznutzungsrechte vorsieht.
Es regelt den Marktzugang für Mobilfunk-Firmen ohne eigenes Netz, etwa EWE TEL und Freenet. Sie mieten sich bei den Netzbetreibern ein, um Mobilfunk-Geschäfte machen zu können. Mit der Klage möchten sie erreichen, dass die Netzbetreiber gewissermaßen zur Vermietung verpflichtet werden.
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