TÜberall Schimmel: Geflüchtete Familie lebt seit fünf Monaten in Gammel-Wohnung

Der Familienvater blickt auf die provisorische Wand im Wohnzimmer, die erst vor wenigen Tagen notdürftig geflickt wurde. Ein seit mehreren Monaten andauernder Wasserschaden verursacht Schimmelbildung. Foto: rm
Eine geflüchtete Familie aus Syrien ist in der Stadt Geestland in einer Wohnung untergekommen, die nicht nur beengt ist, sondern seit Monaten unter den Folgen eines Wasserschadens leidet. Schimmel breitet sich aus. Warum der Zustand schlimm ist.
Geestland. Hinterm Sofa versteckt sich das jüngste Kind von Mustafa A. besonders gern. Der dreijährige Junge versteht nicht, warum er dort nicht spielen soll. Immer wieder redet seine Mutter auf ihn ein, um ihn aus der Ecke zu lotsen. Schimmel hat sich an der Wand gebildet.
Mustafa A. lebt mit Frau und fünf Kindern in einer Drei-Zimmer-Wohnung auf etwa 68 Quadratmetern in Debstedt. Sie ist klein für die große Familie. Sie hätten gern eine größere Wohnung. Doch ihre Bemühungen sind im Asylverfahren eingeschränkt. Die Kinder im Alter von drei bis 18 Jahren schlafen in einem Zimmer.

Wasserschäden und Schimmelbildung im Wohnzimmer. Foto: rm
Was viel schlimmer ist: Seit fünf Monaten leben sie mit den Folgen eines Wasserschadens. Sobald jemand in der oberen Wohnung duscht oder die Waschmaschine läuft, tropft es, berichtet die älteste Tochter. Die Feuchtigkeit hat sich mittlerweile in allen Zimmern ausgebreitet. Schimmelbildung ist die Folge. Die Fenster sind dauerhaft gekippt, sonst wäre es nicht auszuhalten, sagt sie.
Schimmelsporen neben Kleiderschrank und an Hochbetten der Kinder
Direkt im Flur fallen großflächige Umrisse im Mauerwerk auf. „Der Schimmel war schwarz und grün. Er ist in der Zwischenzeit abgefallen“, sagt die 15-jährige Tochter. Zwischen Kleiderschrank und Wand im Schlafzimmer der Eltern sind schwarze Spuren. Die Kinder schlafen in Hochbetten. Auf Höhe der Matratzen ist scheinbar Schimmel.

Das Kinderzimmer, in dem die Kleinen direkt an der feuchten Wand aschlafen. Foto: rm
Im Wohnzimmer ist es besonders dramatisch. Schimmelflecken sind neben dem Sofa zu erkennen. Bis vor wenigen Tagen war die Wand offen.
Wie schlimm die Situation gewesen ist, zeigen Videos der Familie. Notdürftig hatten sie Eimer aufgestellt, um die sturzbachartigen Wassermengen aufzufangen.
Erheblicher Wasserschaden in Flüchtlingsunterkunft
Einblick in die Wohnung einer aus Syrien geflüchteten Familie, die mit Folgen eines Wasserschadens leben muss. Die Folge: Schimmelbefall in allen Räumen. Die Stadt Geestland hat die Wohnung angemietet.
„Das Wasser kommt aus der oberen Wohnung. Dort gibt es ein Problem“, beschreibt die Tochter, die den arabischsprechenden Vater dolmetscht, die Lage.
Vermieter verweist an die Stadt, Stadt sieht Vermieter in der Pflicht
Warum passiert nichts? Der Vermieter ist wie die geflüchtete Familie auch arabischer Herkunft. Er habe an die Stadt Geestland verwiesen. Sie sei zuständig. Die Stadtmitarbeiter hätten wiederum an den Vermieter verwiesen. Scheinbar wurde die Verantwortung in den vergangenen fünf Monaten hin- und hergeschoben. Die Stadt Geestland hat die Familie im Juli 2019 vom Landkreis Cuxhaven zugewiesen bekommen.
Der in Bremerhaven lebende Bruder der Mutter hat die "Nordsee-Zeitung" angerufen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Nach der Anfrage bei der Stadt hat sich etwas getan.

Großräumig feuchte Wände in einer Wohnung für Geflüchtete von der Stadt Geestland. Foto: Privat
Vor wenigen Tagen wurde eine neue Wand im Wohnzimmer eingebaut. Wegen des massiven Wasserschadens wurde die Leichtbauwand ausgetauscht.
Eine Familie wurde in Notunterkunft gebracht, die andere wartet auf Hilfe
Die Stadt erklärt auf Nachfrage, dass der Vermieter zuständig sei, sich um die Reparatur zu kümmern. „Nachdem uns die Bewohnerinnen und Bewohner über einen Wasserschaden im Obergeschoss informiert hatten, haben wir umgehend den Vermieter um Reparatur gebeten“, sagt Stadt-Pressesprecher Merlin Hinkelmann.
Doch passiert ist nichts, wie die Stadt einräumt. „Da der Schaden offenkundig nicht kurzfristig behoben wurde, haben wir die Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Wohnung seit kurzem in einer Notunterkunft untergebracht. Diese warten nun darauf, in die Räumlichkeiten zurückkehren zu können.“ Damit ist der Familie im Erdgeschoss noch nicht geholfen. Unverrichteter Dinge wartet sie auf Besserung.

Offensichtliche Probleme beim Dämmmaterial unter dem Dach. Foto: rm
Erschwerend kommt hinzu, dass der älteste Sohn unter einer schweren körperlichen und geistigen Behinderung leidet. Er ist pflegebedürftig. Zweimal wurde der 18-jährige Sohn bereits am Knie operiert. So wie es die Schwester schildert, ist er kaum in der Lage zu gehen. Nach wenigen Metern brucht er einen Rollstuhl. Weder für ihn noch die Geschwister ist die feuchte Wohnung förderlich.
Woran hapert es? Die Stadt wartet auf Rückmeldung des Vermieters, um weiter zu planen. „Gegebenenfalls müssen wir eine temporäre Alternativunterkunft organisieren“, räumt der Stadtsprecher ein.
Die neuerliche Nachfrage der „Nordsee-Zeitung“ hat zu einem Ortstermin der Stadtmitarbeiter geführt. Eine Fachfirma sei mit der Reparatur im Obergeschoss beauftragt, allerdings sei es zu Verzögerungen gekommen. Das sei nicht zufriedenstellend, sagt die Stadt und bittet die Familie um Entschuldigung. Die Mängel sollen nun schnellstmöglich behoben werden.
Nach Erkenntnissen der Stadt läge eine großflächige Schimmelbildung allerdings nicht vor. Stattdessen sieht die Stadt „ein mangelhaftes Heiz- und Lüftverhalten“, das nicht zur Verbesserung des Zustandes beitrage. Bei der Begehung seien alle Heizkörper mindestens auf Stufe 3, im Wohnzimmer auf Stufe 5, in Betrieb gewesen, alle Fenster befanden sich auf Kipp. „Die berührten Wände waren ausgekühlt, was zur Schimmelbildung beiträgt. Ein solches Heiz- und Lüftverhalten beobachten wir leider auch in anderen Objekten.“