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Nordenham

TUnternehmen stillgelegt: Wie gefährlich ist das „Königreich Deutschland“?

Dieses Firmen-Tor führt nicht etwa auf ein Nordenhamer Grundstück, sondern ins „Königreich Deutschland".

Dieses Firmen-Tor führt nicht etwa auf ein Nordenhamer Grundstück, sondern ins „Königreich Deutschland". Aktuell ist es allerdings mit einem Siegel der Stadt Nordenham verschlossen. Niemand darf rein. Foto: Glückselig

Was sagt Unternehmer Thomas Tillis zur Stilllegung seines Betriebs im „Königreich Deutschland“? Und: Wie beurteilt der Verfassungsschutz diesen Fantasiestaat?

Von Detlef Glückselig Samstag, 26.10.2024, 11:09 Uhr

Nordenham. Wer das blaue Firmen-Tor im Gewerbegebiet Am Sieltief in Atens passiert - wenn es denn noch passierbar wäre -, der verlässt Nordenham. Und befindet sich im „Königreich Deutschland“. In dem, was der Verfassungsschutz als einen „Fantasiestaat“ bezeichnet, agierte mehr als ein Jahr lang der Nordenhamer Unternehmer Thomas Tilles mit seinem „Zweck-Betrieb“ Tino.

Jetzt hat die Stadt Nordenham ihm einen Riegel vorgeschoben, den Betrieb stillgelegt und versiegelt - weil der Inhaber sein Gewerbe angeblich nicht angemeldet hatte. In Nordenham ist diese Nachricht zurzeit das Stadtgespräch Nummer 1.

„Eine der bedeutendsten Gruppierungen“ im Spektrum der „Reichsbürger“

Die Kreiszeitung Wesermarsch hat Thomas Tillis am Freitag zu erreichen versucht, um ihn zu fragen, wie er die Dinge sieht und was er zu der Stilllegung seines Betriebes sagt. Er war jedoch nicht zu erreichen.

Unter der Firmennummer ging eine Frau ans Telefon. „Die beiden sind im Urlaub“, ließ sie wissen und meinte damit offenbar Thomas Tillis und seine Partnerin. Unter einer Handynummer, die auf einem Firmenschild in Atens notiert und offenbar für Notfälle gedacht ist, war eine Kontaktaufnahme ebenfalls nicht möglich.

Der Verfassungsschutz bezeichnet das „Königreich Deutschland“, das Thomas Tillis für sich als Firmensitz erkoren hat, als „eine der bedeutendsten Gruppierungen“ im Spektrum der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, die die Gültigkeit der Rechtsordnung der Bundesrepublik ablehnten und versuchten, „mittels diverser Einrichtungen pseudostaatliche Strukturen zu errichten“.

Warum Tillis seine Firma ins „Königreich Deutschland“ verlegt hat

Unterdessen hatte Thomas Tillis im August vergangenen Jahres, nachdem er seine bisherige Firma abgemeldet und Tino ins Leben gerufen hatte, in einem Gespräch mit der Redaktion versichert, er und seine Partnerin seien keine Reichsbürger, sondern „durch und durch Pazifisten“.

Der Mann, der mit Brennholz und Schüttgut wie Mutterboden, Sand und Kies handelt, hatte erklärt, dass er mit seinem Betrieb nicht länger einen Kriegsbeitrag leisten wolle. Indem er in Deutschland Abgaben zahle, unterstütze er automatisch den Ukraine-Krieg. Das sei der Grund, aus dem er seine Firma ins „Königreich Deutschland“ (KRD) verlegt habe.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz äußert sich auf seiner Webseite zum Gefährdungspotenzial des „Königreichs“. Dort heißt es unter anderem: „Auch wenn seitens des KRD keine gewaltsamen Aktionen propagiert werden, so bestimmt doch eine ,Wehrverfassung‘ (...), dass jedem Deutschen grundlegendes Wissen über Selbstverteidigung mit und ohne Waffen sowie das erforderliche Rechtswissen um diese Kenntnisse vermittelt werden solle.“

Zahl der Anhänger wächst

Laut Verfassungsschutz stellt das KRD eine extremistische „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Gruppierung dar. Das verbindende Element in der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sei „die fundamentale Ablehnung der Existenz oder Legitimität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren Rechtsordnung“.

25.000 Menschen gehörten 2023 nach Informationen des Verfassungsschutzes der „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Szene an - die Zahlen steigen. Im gleichen Jahr wurden dieser Szene 1070 extremistische Straftaten zugerechnet, darunter 149 Gewalttaten, 85 Erpressungsdelikte und ein versuchtes Tötungsdelikt.

1300 Angehörigen der Szene wurden bis Ende 2023 die „waffenrechtlichen Erlaubnisse“ entzogen. Auch für diese Zahlen ist das Bundesamt für Verfassungsschutz die Quelle.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Kreiszeitung Wesermarsch.

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