T„Tote, verletzte und verhungerte Ferkel“: Peta zeigt Arzt und Bauern an

Die Tierrechtsorganisation Peta wirft Schweinezüchtern aus dem Landkreis Rotenburg Tierquälerei vor und hat Anzeige erstattet (Symbolbild). Foto: Murat/dpa
Die Tierrechtsorganisation Peta hat einen Tierarzt und zwei Landwirte aus dem Kreis Rotenburg wegen Tierquälerei angezeigt. Videoaufnahmen aus der Schweinemast sollen Beweise liefern.
Rotenburg. Tierquälerei werfen Peta und die Tierrechtlerin Samara Eckhardt den Beschuldigten vor. Peta stützt sich dabei auf Fotos, Videos und Aussagen der Tierrechtsaktivistin Eckhardt. Die hat nach eigenen Angaben die Aufnahmen, die Grundlage der Anzeige sind, über einen Zeitraum von 2020 bis 2024 gemacht. Walter Scheuerl, der Anwalt eines der Beschuldigten, weist die Vorwürfe zurück und spricht von einer Kampagne gegen seinen Mandanten.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt
Tatsache ist, dass bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg gegen drei Beschuldigte ermittelt wird. Das bestätigt Thorsten Stein, Pressesprecher der Ermittlungsbehörde. In Niedersachsen ist Oldenburg die Zentralstelle für Landwirtschaftssachen und damit auch für Verstöße gegen das Tierschutzrecht. Ermittelt werde laut Pressesprecher wegen des Verdachts von Verstößen nach Paragraf 17 Tierschutzgesetz. Dort steht, dass eine Strafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe demjenigen droht, der ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.
„Umfangreiches Videomaterial“ liegt vor
Laut dem Pressesprecher der Staatsanwaltschaft liegt als Beweismittel „umfangreiches Videomaterial vor“, das derzeit von einer Sachverständigen begutachtet werde. Der zuständige Dezernent der Oldenburger Staatsanwaltschaft stehe zudem mit dem Veterinäramt des Landkreises Rotenburg im Austausch.
Fall ist im Kreishaus bekannt
Auch im Kreishaus, das bestätigt Landkreis-Sprecherin Christine Huchzermeier, sei der Fall bekannt. Das Veterinäramt arbeite mit der Staatsanwaltschaft zusammen. Aufgrund des laufenden Verfahrens könne der Landkreis aber keine weiteren Auskünfte erteilen.
Peta spricht „von strafbarer Tiertötung und Tierleid“
Peta schießt in einer Presseerklärung scharf gegen die Beschuldigten und spricht „von strafbarer Tiertötung und Tierleid“. Die Tierrechtlerin Eckhardt wird von Peta zitiert: „Das Schlimmste, was ich in diesem Betrieb gesehen habe, sind nicht die Verstöße gegen die ohnehin viel zu geringen Vorgaben des Tierschutzgesetzes. Es ist die alltägliche Unterdrückung der Schweine, die mich verzweifeln lässt.“
Gab es illegale Praktiken bei der Kastration?
Peta und Eckhardt sprechen von „unzähligen toten, schwer verletzten und verhungernden Ferkeln“. Außerdem von unbehandelten Liegeschwielen, Eiterbeulen und Kannibalismus. Zudem solle es illegale Praktiken bei der Kastration und dem Kupieren von Schwänzen gegeben haben.
Fotografisch und filmisch den Alltag dokumentiert
Samara Eckhardt ist laut ihrer eigenen Website „offiziell“ im Jahr 2020 in den Betrieb in der Samtgemeinde Fintel gegangen. Sie habe die Abläufe verstehen und aus erster Hand miterleben wollen. Sie habe zudem den Betriebsleiter überzeugen wollen, die Ferkelproduktion einzustellen. Fotografisch und filmisch habe sie den Alltag in diesem Betrieb dokumentiert, erklärt Eckhardt auf ihrer Seite.
Peta: Eckhardt hat bis Anfang des Jahres in dem Betrieb gearbeitet
Dass Eckhardts Tätigkeit auf dem Hof schon im Jahr 2020 begonnen hat, die Anzeige durch Peta aber erst vier Jahre später erfolgte, erklärt eine Sprecherin der Tierrechtsorganisation damit, dass Eckhardt bis zuletzt gehofft habe, die Dinge grundsätzlich zu verändern. Eckhardt habe bis Anfang des Jahres in dem Betrieb gearbeitet, und Peta habe nach Durchsicht der Fotos und Videos im Juni Anzeige erstattet. Die Pressemitteilung über diesen mutmaßlichen Tierrechtsskandal im Landkreis Rotenburg ist am 12. Dezember veröffentlicht worden.
Anwalt: Sehe keine Verstöße gegen das Tierschutzrecht
Einer der angezeigten Landwirte will zu den Vorwürfen keine Stellung beziehen. Dafür spricht sein Anwalt, der Hamburger Jurist Walter Scheuerl. Die Akte der Staatsanwaltschaft Oldenburg liege ihm noch nicht vor. „Ich sehe aufgrund der bekannten Videos aber keine Verstöße gegen das Tierschutzrecht“. Wenn eine Sau zwölf Ferkel zur Welt bringe, dann sei es keine Seltenheit, dass nicht alle Tiere überlebten. „Schlimmes habe ich in den Videos nicht gesehen“, sagt der Anwalt. Ob Fotos und Videos tatsächlich aus dem angezeigten Betrieb stammen, könne derzeit nicht mit Sicherheit nachvollzogen werden, so der Anwalt.
Zustände „augenscheinlich nicht sensibel genug“
Außerdem stellt Scheuerl die Frage, warum Samara Eckhardt über Jahre auf diesem Hof gewesen sei und sie bei angeblichen Verstößen nicht das zuständige Veterinäramt über Tierleid informiert habe. Eckardt habe die angeblich gefilmten Zustände in den Jahren ihrer Tätigkeit „augenscheinlich nicht für sensibel genug gehalten, um den Betriebsinhaber oder das Veterinäramt zu informieren. Entweder hat sie also inzwischen einen Sinnes- und Wahrnehmungswandel durchlebt oder aber es haben sich jetzt Videosequenzen in ihr Material verirrt, die aus anderen Betrieben stammen“, vermutet der Anwalt in einer Stellungnahme für die „Kreiszeitung“.
Walter Scheuerl kritisiert Peta und Samara Eckhardt
Walter Scheuerl sieht seinen Mandanten daher „einer Kampagne“ ausgesetzt. Samara Eckhardt wirft er zum Beispiel vor, damit Spenden generieren zu wollen. Er verweist unter anderem auf einen Spenden-Link auf ihrer Seite, der in unmittelbarer Nähe zu den Videos stehe. Auch die Praxis von Peta wird von dem Juristen kritisiert. Videomaterial werde oft erst nach Monaten allein zu Kampagnenzwecken veröffentlicht.
Ist die Strafanzeige unbegründet?
Der Anwalt ist im Rahmen seiner Recherche zu diesem Fall auf ein Video gestoßen, das Samara Eckhardt im Gespräch mit dem Youtuber Marc Robert Lehmann zeigt. Dort, so berichtet es Scheuerl, redet die Tierrechtsaktivistin davon, dass dieser Betrieb die gesetzlichen Mindeststandards einhalte.
„Sollte die Akteneinsicht bestätigen, dass Frau Eckhardt zusammen mit Peta Deutschland zur besseren Vermarktung ihrer Videos aus dem Betrieb nachträglich und insoweit wider besseres Wissen vorsätzlich eine unbegründete Strafanzeige erstattet hat, würde dies den Verdacht des Vortäuschens einer Straftat und einer falschen Verdächtigung begründen“, schreibt der Anwalt in seiner Stellungnahme an die Kreiszeitung. In diesem Fall werde er eine Strafanzeige gegen Samara Eckhardt stellen.
Das Verfahren könnte sehr lange dauern
Bis es Klarheit über mögliche Strafverfahren, Einstellungen oder auch Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten gibt, wird es noch dauern. Bei ähnlichen oder auch gravierenderen Fällen können Monate bis Jahre ins Land gehen, bis die einzige Staatsanwaltschaft in Niedersachsen, die mit Tierschutzthemen zu tun hat, zu einer Entscheidung kommt.
Das Ziel von Peta ist es offenbar auch nicht, konkret die Bedingungen in der Tierhaltung in einem speziellen Betrieb zu verbessern, sondern Tierhaltung in der Landwirtschaft grundsätzlich zu beenden. „Wer Leid vermeiden möchte, lebt vegan“, heißt es in der Pressemitteilung. (rk/axt)