TEinsatzkräfte auf der Suche nach Arian zwischen Hoffnung und Ernüchterung

„Glück für Arian“ steht auf einem von Kindern gebastelten Kleeblatt. Der sechs Jahre alte Arian aus Elm wird weiter vermisst. Foto: Sina Schuldt/dpa
Es war bundesweit die vielleicht größte Suchaktion - ohne Ergebnis. Am achten Tag nach Arians Verschwinden schleicht sich Ernüchterung in die Hoffnungen. Am Abend tritt der bewegte Polizeisprecher vor die Kameras - die Einsatzkräfte verlassen Elm.
Elm. Polizeisprecher Heiner van der Werp sagt es so: „Ich bin ein Optimist, der gezwungen ist, auch realistisch zu denken.“ Auf der Aktion am Sonntag, an der bis zu 1200 Helferinnen und Helfer beteiligt waren, lag die Hoffnung, einen Durchbruch bei der Suche nach Arian zu schaffen.
Fußspuren wurden an mehreren Orten gefunden
Bis in die späten Abendstunden hatten die Einsatzkräfte in schwierigem Gelände als Menschenkette nach dem Sechsjährigen gesucht. Sie hatten zwischen Kranenburg und Brobergen Richtung Süden entlang der Oste einen etwa 1500 Meter breiten Korridor systematisch durchkämmt - über eine Strecke von bis zu sieben Kilometer.
Ein Kraftakt ohne Ergebnis. „Das haben wir abgearbeitet, da hätte was passieren müssen. Wir hatten große Hoffnungen und stehen jetzt mit leeren Händen da“, bringt van der Werp die Situation am Montag auf den Punkt.
Gleichzeitig waren auf der Oste und in den Pütten wieder Boote auf dem Wasser unterwegs.
Gesucht wurde zwischen Kranenburg und Brobergen, weil es Fußspuren gegeben hatte. Sie führten Richtung Norden an der Oste entlang Richtung Kranenburg.
„Wir haben die Fußspuren nicht an einem, sondern an mehreren Punkten gefunden“, schildert van der Werp. Immer wieder wurden Hunde neu angesetzt. Aber der Junge, der ohne Schuhe und nur mit einem Langarmshirt bekleidet, sein Elternhaus am vergangenen Montagabend verlassen hatte, bleibt bislang verschwunden.
Ermittlungsgruppe Arian nimmt Arbeit auf
Durch Elm streifen Kamerateams, Fotografen und Reporter der überregionalen Medien auf der Suche nach O-Tönen und Bildern. Die Bundeswehr ist abgezogen. Die Polizei hat die fünfköpfige Ermittlungsgruppe Arian gegründet, die ab dem heutigen Montag offiziell die Arbeit aufgenommen hat und in Bremervörde, vor allem aber auch in Zeven ihren Sitz haben wird.
Schon vorher hat die Polizei zweigleisig gearbeitet, mit einem Einsatzbereich für die Suche und einem Ermittlungsbereich mit Kriminalisten. Nach wie vor gilt aber, dass es keinen Hinweis auf ein Verbrechen gibt. Die Ermittlungsgruppe wird mit Spezialisten in Vermisstenfällen aus der Polizeidirektion Lüneburg verstärkt.
Der Raps am Ortsrand von Elm blüht knallgelb. Dahinter erheben sich dichte Bäume. Arian war in Richtung des Waldes aufgebrochen, das hatte eine Überwachungskamera gezeigt.
Zwischen Elm und Behrste, Richtung Hude und Gräpel zieht sich die Landschaft entlang der Oste, mit Kiefernschonungen, morastigen Wäldchen. Zwei Spaziergängerinnen mit Hund sind unterwegs. Auch sie sehen dabei anders auf die Umgebung, sagt eine, „aufmerksamer.“

Zwischen Gräpel und Brobergen wehen die bunten Luftballonfiguren im Rapsfeld. Sie wurden schon früh aufgestellt, um den sechsjährigen autistischen Arian anzulocken. Foto: Klempow
2071 Fußballfelder abgesucht
Zwischen Gräpel und Brobergen flattern immer mal wieder die bunten Luftballonfiguren auf Äckern im Wind. Sie sollten Arian anlocken. Ein besonderer Reiz für den autistischen Jungen.
Von Anfang an haben alle an der Suche Beteiligten alles gegeben, haben schnell reagiert sind neue Wege gegangen. Davon zeugt auch die Pressemitteilung der Polizei Rotenburg vom Montag mit einer Zwischenbilanz: „Insgesamt wurde eine Fläche von 1450 Hektar zu Land, zu Wasser und aus der Luft mit Kräften von Feuerwehr, Bundeswehr, THW, DLRG und Polizei abgesucht. Dies entspricht der Fläche von 2071 Fußballfeldern.“
Täglich waren rund 800 Personen im Suchgebiet im Einsatz, darunter auch viele Spezialkräfte mit Hunden, Pferden, Helikoptern, Drohnen, Booten und Tauchequipment.
Dazu kamen die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren, Rettungshundestaffeln, die Suche mit einem Tornado-Flieger, mit SAR-Helikoptern und Hovercraft-Fahrzeugen der Feuerwehr, mit einem Amphibienfahrzeug, Drohnen und Nachtsichtgeräten.
Die Freiwillige Feuerwehr Estorf schickte ihre Drohne mit Wärmebildkamera tagelang immer wieder auf die Suche. Wie so viele Versuche blieb auch das vergeblich.
Helfer an der Belastungsgrenze
Trotzdem: Der ausdrückliche Dank des Inspektionsleiters und Polizeiführers, Jörg Wesemann, gilt allen bislang eingesetzten Kräften. Für die Suche nach Arian seien alle Helferinnen und Helfer Tag und Nacht an die Belastungsgrenze gegangen.
Auch in der nächsten Zeit wird die Familie von Arian engmaschig durch die Notfallseelsorge, Polizei und Angehörige betreut und vorab über alle Ermittlungsschritte informiert.
Die Anteilnahme ist riesig. Die Suche braucht das auch - die Polizei hatte die Anwohner in den Ostedörfern und bis nach Oldendorf darum gebeten, ihre Grundstücke selbst zu durchsuchen. Weil nicht klar ist, ob und wie Arian sich bewegt, hilft es, mehrfach überall nachzusehen.
Entlang abgelegener Pflasterstraßen und Feldwege gibt es Dickicht und Gestrüpp, verfallene Schuppen und Hochsitze der Jäger. Es gibt verwilderte Hofstellen. Und selbst die gepflegten Grundstücke sind in dieser Gegend schnell unübersichtliche 2000 Quadratmeter und mehr groß.
Keine neuen Hinweise
Das Verschwinden des Jungen bewegt die Menschen. Auch Polizeisprecher van der Werp lässt dieser Einsatz kaum los: „Im Moment gleiten wir aus der euphorischen Phase in den Realismus über“, sagt er am Morgen. Wie schwer das allen Beteiligten fällt, ist ihm anzumerken. Am Abend tritt er vor die Kameras: „Wir stehen mit leeren Händen da, das macht uns unendlich traurig.“ Die Einsatzkräfte werden Elm verlassen, kündigt er an.
Die Suchtaktik der Polizei ist nun eine andere. Gesucht wird anlassbezogen. Das heißt zum Beispiel nach möglichen Hinweisen aus der Bevölkerung. Aber die gibt es zurzeit nicht. Das Ziel bleibt, Arian zu finden, zu wissen, was ihm geschehen ist. „Wir alle hätten uns ein anderes Ende gewünscht“, sagt van der Werp über die groß angelegte Suchaktion.
Hinweise nimmt die Polizei unter 04761-7489 135 oder -144 entgegen.