TVerstorben, aber ohne Angehörige: Wie läuft der einsame Tod im Kreis Stade?

Wenn Menschen ohne bestattungspflichtige Angehörige versterben, finden sie meistens durch eine sogenannte „ordnungsbehördliche Bestattung“ ihre letzte Ruhe. Foto: pa/Nicolas Armer/dpa
Nach dem Tod kümmert sich die Familie um die Bestattung. Immer häufiger gibt es jedoch keine Angehörigen mehr oder ihnen fehlt das Geld. Dann springen die Kommunen ein. Aber wie würdevoll ist eine Amtsbestattung?
Landkreis. Ich möchte in Würde sterben. Ein Gedanke, mit dem sich viele Menschen in Deutschland vermutlich schon einmal beschäftigt haben. Doch die Menschenwürde endet nicht mit dem Tod. So liegt es anschließend in der Verantwortung der Angehörigen, sich um eine würdige Bestattung der Verstorbenen zu kümmern.
Aber was passiert, wenn niemand da ist, der sich um Trauerreden, Blumenschmuck und die Grabpflege kümmern kann? Wenn es ein einsamer Tod ist, ohne Angehörige.
Verstorbene in Niedersachsen müssen bestattet werden. So schreibt es das Niedersächsische Bestattungsgesetz vor. „Es handelt sich hierbei um eine Gefahrenabwehrmaßnahme, da von einer unbestatteten Leiche Gesundheitsgefahren ausgehen“, wie die Hansestadt Stade nüchtern auf ihrer Webseite schreibt.

Wenn Menschen ohne bestattungspflichtige Angehörige versterben, finden sie meistens durch eine sogenannte „ordnungsbehördliche Bestattung“ ihre letzte Ruhe. Foto: Jens Kalaene/dpa
Kommunen tragen Kosten für Amtsbestattungen
Zuständig für die Umsetzung dieser Bestattungspflicht sind zunächst die Angehörigen. Hierzu zählen die Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner, aber auch die Kinder, Enkel, Eltern, Großeltern und Geschwister. Es kann jedoch vorkommen, das schlichtweg niemand da ist, der sich um die Bestattung kümmern kann, etwa bei Menschen ohne festen Wohnsitz. „Sollte niemand als Träger der Kosten ermittelt werden können, trägt die Hansestadt Stade und somit der Steuerzahler die Kosten“, sagt Pressesprecher Stephan Voigt auf TAGEBLATT-Nachfrage.
Diese sogenannten „Ordnungsamtsbestattungen“ bieten alle niedersächsischen Kommunen an, um der Bestattungspflicht nachzukommen. In Stade werden Verstorbene von Amts wegen eingeäschert und anschließend anonym und ohne Trauerfeier auf dem Friedhof Geestberg beigesetzt. Hierbei handele es sich um eine günstige, und dennoch würdige Bestattungsform, wie die Hansestadt auf ihrer Webseite schreibt.
Angehörige immer öfter ohne Mittel für Bestattungen
Die Kosten für solch eine Ordnungsamtsbestattung seien schwer zu pauschalisieren, da es sich immer um eine Einzelfallprüfung handele, sagt Voigt. Man könne jedoch davon ausgehen, dass bei solch einer Amtsbestattung durchschnittlich etwa 2000 Euro anfallen. Im Jahr 2022 seien in Stade insgesamt 49 solcher Amtsbestattungen durchgeführt worden, in Buxtehude waren es 2023 bisher 29.
Anders verhalte es sich bei sogenannten „Sozialbestattungen“, sagt Pressesprecherin Ines Hansla von der Stadt Buxtehude. Bei einer Sozialbestattung suchen etwa Angehörige den Kontakt zu einem Bestattungsunternehmen, um eine reguläre Bestattung anzufragen. Allerdings könne es vorkommen, dass den Angehörigen schlichtweg das Geld fehle, um die gewünschte Bestattung zu bezahlen. „Diese Fälle werden leider immer häufiger“, sagt Hansla.
Lange Bearbeitungsdauer für Kostenübernahmen
Das bestätigt auch Thomas Stelzer von Queren & Sohn Bestattungen aus Stade. „In so einem Fall wenden sich die Angehörigen an das zuständige Sozialamt, um dort eine Übernahme der Bestattungskosten zu beantragen.“ Er und seine Mitarbeiter beginnen nach dem Beratungsgesppräch trotzdem schon mit ihrer Arbeit, um den Angehörigen eine würdevolle Abschiedsmöglichkeit von den Verstorbenen zu ermöglichen. Als Bestatter gehe er hiermit jedoch ein gewisses Risiko ein, da die Amtsentscheidung in Einzelfällen auch mal mehrere Monate dauern könne.
Im Jahr 2022 sind 57 Anträge auf Übernahme der Bestattungskosten beim Sozialamt des Landkreises Stade gestellt worden, davon wurden in 44 Fällen Leistungen in Höhe von etwa 86.000 Euro bewilligt, teilt Landkreis-Sprecher Daniel Beneke mit. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer liege bei etwa drei Monaten.
Das Menschliche im Tod muss Bürokratie überwiegen
Für ein würdevolles Gedenken an Verstorbene engagiert sich auch Volker Dieterich-Domröse, seit 28 Jahren Pastor der Stader Markusgemeinde. Ihm sei es eine Herzensangelegenheit, Menschen ihren Wunsch nach einer christlichen Beisetzung zu erfüllen. „Für mich geht es darum, einen würdevollen Rahmen zum Abschiednehmen anzubieten“, sagt der Pastor. Die Verstorbenen sollen nicht einfach sang- und klanglos verschwinden, das sei fürchterlich.
Etwa zwei- bis dreimal jährlich richte er kleine Trauerfeiern für Verstorbene ohne Angehörige oder Obdachlose aus. Hier erlebe er es immer wieder, dass sich trotzdem Menschen zusammenfinden, die um scheinbar Vergessene trauern, wie etwa Nachbarn oder ehemalige Heimbewohner. Er habe auch beobachtet, dass sich die Bestattungskultur immer mehr in Richtung Urnenbestattungen und immer kleinere Abschiede im engsten Kreis entwickelt. „Darauf muss man sich einstellen und sehen, dass das Menschliche im Tod entgegen aller Bürokratie immer überwiegt“, sagt er.
Liebe Leserinnen und Leser,
der Artikel ist der Auftakt der Themenwoche Tod und Trauer. Bis zum Totensonntag berichtet das TAGEBALTT über Menschen, die bei ihrer Arbeit täglich mit Tod und Trauer konfrontiert werden. Es geht um Menschen, die anderen beim Trauern helfen. Und ein Psychologe wird erklären, warum Trauer bei einem Verlust so wichtig ist.