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Mats Jonas

TVom 300-PS-Boliden ins Fahrschulauto: Rennfahrer macht den Führerschein

Fahrlehrer Thomas Rocksien (links) fühlt sich bei Mats Jonas „eher als Berater“.

Fahrlehrer Thomas Rocksien (links) fühlt sich bei Mats Jonas „eher als Berater“. Foto: Berlin

Was bringt ein Fahrlehrer seinem 16-jährigen Schüler aus Beckdorf bei, wenn der als Rennfahrer schon über einige Rallycrossstrecken Europas gebrettert ist? Nicht viel. Eine ungewöhnliche Fahrt auf der A1.

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Von Daniel Berlin
Mittwoch, 19.03.2025, 12:00 Uhr

Beckdorf. Hinter Sauensiek stellt der Beckdorfer Mats Jonas den Tempomat des VW T-Roc auf 70 Stundenkilometer. Schneller darf er nicht. Ein paar Autos überholen auf der Landstraße. Jonas bleibt gelassen. Die Hände in der 10-vor-2-Position am Lenkrad. Der Blick konzentriert geradeaus.

10-vor-2-Position und alles im Blick.

10-vor-2-Position und alles im Blick. Foto: Berlin

„Dass Mats Rennfahrer ist, wusste ich nach zehn Minuten“, sagt Fahrlehrer Thomas Rocksien von der Fahrschule Sander. Die beiden hatten vor der ersten Stunde ein wenig geplaudert. Jonas ist ein zurückhaltender Typ. Er geht nicht hausieren mit der Tatsache, dass er bei der Deutschen Rallycrossmeisterschaft in der vergangenen Saison in seiner Division Platz drei belegte.

Das Auto ist Mats Jonas‘ Zuhause

Aber der 16-Jährige bediente den Fahrschulwagen gleich wie ein alter Hase. Sitz, Gurt, Instrumente. „Er hat gleich alles richtig eingestellt. Das ist ungewöhnlich“, sagt Rocksien. Ein paar Kilometer Landstraße, ein bisschen Einparken üben. Rocksien selbst fühlt sich sicher, wenn er als Beifahrer neben seinem talentierten Schüler sitzt. Da hat er schon ganz andere Dinge erlebt.

Der T-Roc bringt gut 116 PS auf die Straße. Ein typischer Fahrschulwagen. Diesel, Zwei-Liter-Maschine. Mats Jonas wird in der bevorstehenden Rallycrosssaison hinter dem Lenkrad eines richtigen Boliden sitzen. Seinen Citroen, mit dem er zwei Jahre lang in der Szene unterwegs war, hat sein Vater Sven Jonas verkauft. Jetzt fährt Mats Jonas mit einem knapp 300 PS starken Ford Fiesta auf deutschen, belgischen und niederländischen Rennstrecken.

Auf dem Estering rast das Talent durch die Kurven

Jonas trägt einen feuerfesten Anzug, spezielle Schuhe, Helm. In der Sitzschale des neuen Rennwagens kann er sich kaum bewegen. Er wechselt blitzschnell die Gänge mit einem sequentiellen Getriebe, enorme Kräfte wirken auf seinen Körper, wenn der Fiesta in vier Sekunden auf 100 ist. Auf seiner Heimstrecke, dem Estering in Buxtehude, kennt Jonas den idealen Bremspunkt vor den Kurven. Er weiß, wann er beschleunigt, wie er driftet. Er rast durch Staubwolken, Stoßstange an Stoßstange. Steine prasseln auf seine Windschutzscheibe.

Mats Jonas bei seinem ersten Rallycross-Rennen auf dem Buxtehuder Estering: Zwei Saisons fuhr er im Citroen.

Mats Jonas bei seinem ersten Rallycross-Rennen auf dem Buxtehuder Estering: Zwei Saisons fuhr er im Citroen. Foto: Berlin

Tempo 70 auf der Landstraße hinter Sauensiek im Fahrschulwagen klingt da nach purer Langeweile. Rechts steht ein Linienbus an der Haltestelle und blinkt rechts. „Oh, ich darf nur in Schrittgeschwindigkeit vorbeifahren.“ Mats Jonas denkt laut und bremst schon ab. Thomas Rocksien erklärt ihm, dass dies nur bei Warnblinklicht gilt. Ein wenig lernt der Rennfahrer doch noch dazu.

Jonas meistert knifflige Situation auf A1

Bei Sittensen fährt Mats Jonas auf die A1 Richtung Bremen. Weitaus erfahrenere Autofahrer werden ein wenig unruhig, wenn sie auf der Auffahrt auch noch einen langsamen Lkw vor sich haben. „Lass dir Zeit“, sagt Rocksien. Mats Jonas wechselt hinter dem Lkw auf die rechte Spur, wartet bis die Mitte frei ist, überholt den Lkw. Alles ganz souverän.

175 Stundenkilometer: So schnell fährt Mats Jonas nicht einmal auf der Rennstrecke.

175 Stundenkilometer: So schnell fährt Mats Jonas nicht einmal auf der Rennstrecke. Foto: Berlin

Das Tachometer des T-Roc zeigt 135 Stundenkilometer. „Möchtest du schneller fahren“, fragt Rocksien. Mats Jonas möchte. Hinter Elsdorf beschleunigt der 16-Jährige auf 180. Beim Spurwechsel lenkt er ein kleines bisschen hektisch. Das kennt er von der Rennstrecke. Gerade fährt man schneller, ist da die Grundregel.

Fahrlehrer kann dem Schüler kaum etwas beibringen

„Je schneller man fährt, desto weniger lenkt man“, sagt Rocksien. So läuft es im normalen Straßenverkehr. Da freuen sich auch die Mitfahrer, die einen empfindlichen Magen haben. Thomas Rocksien bringt seinem Fahrschüler nur noch ein paar wenige Details bei. Die hohe Schule. „Ich fühle mich hier gerade eher wie ein Berater“, sagt Rocksien.

Die Rallycrosssaison beginnt für Mats Jonas am 12. und 13. April in Buxtehude auf dem Estering mit den ersten beiden Läufen um die Deutsche Meisterschaft. Der dann 17-Jährige startet in der Division DRX 4, zwei Klassen höher als in den vergangenen beiden Jahren.

Das wird auch für Jonas Neuland. Alles wird schneller, professioneller, teurer. Eine andere Liga. Der Ford Fiesta, den das Team Jonas Motorsport von dem erfahrenen Rennfahrer Sven Seeliger gekauft hat, ist ein Geschoss. Ein richtiger Rennwagen im Vergleich zum Werks-Citroen zuvor.

Testtag am 22. März im neuen Ford Fiesta

Vor ein paar Tagen erst lernte Jonas den Ford erstmals richtig kennen. Das Team testete auf der Rennstrecke im niederländischen Valkenswaard. Sven Seeliger war als Support dabei. Am 22. März wird Jonas mit dem Ford auf dem Estering ein paar Testrunden drehen.

Am 27. März feiert Mats Jonas seinen 17. Geburtstag. Sein Fahrlehrer wird am gleichen Tag 63. Nach der zweiten Fahrstunde hatte Rocksien über seinen Schützling schon gesagt: „Mats ist schon jetzt prüfungsfähig.“ Er gehe kein Risiko ein und sei jederzeit Herr der Lage. Mit 17 und mit Führerschein darf Jonas dann in Begleitung fahren.

Mats Jonas verlässt an der Ausfahrt Oyten kurz die A1 und fährt in Richtung Heimat wieder drauf. An einem Parkplatz hatte er kurz vorher sein Mobiltelefon mit all seiner Musik mit dem Bordcomputer des T-Roc verbunden. Jetzt läuft der Klassiker „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros. „So macht Arbeiten doch Spaß“, sagt Fahrlehrer Thomas Rocksien.

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