TVon Horneburg in die 2. Liga: Warum Ole Hagedorn in Lübeck überzeugt

Ole Hagedorn macht seine Sache souverän im Spiel gegen Eintracht Hagen. Foto: Felix Schlikis/Lobeca.de
Ole Hagedorn war das große Talent beim VfL Horneburg. Jetzt spielt der 20-Jährige beim VfL Lübeck-Schwartau eine wichtige Rolle - und das in seiner ersten richtigen Zweitliga-Saison.
Lübeck. Ole Hagedorn klammert, sperrt und zerrt am gelben Trikot des Gegners, er reißt die Arme hoch, wenn hinten ein Ball gewonnen und vorne ein Tor erzielt wird, er legt den Kopf zur Seite und verzieht das Gesicht, wenn ihm ein Gegenspieler entwischt. Es ist die emotionale Achterbahnfahrt eines Abwehrspielers.
An diesem Mittwochabend erlebt Hagedorn vor allem die schönen Momente seines Berufs. Der VfL Lübeck-Schwartau spielt begeisternden Handball und schlägt Eintracht Hagen mit 37:30. Hagedorn wirft kein Tor, aber er leistet seinen Beitrag auf einer zentralen Abwehrposition. Und das in seiner ersten kompletten Zweitliga-Saison.
Das war vor ein paar Jahren nicht unbedingt zu erwarten. Der Wechsel ins Handball-Internat war für Hagedorn nie ein Anreiz. Er hätte auf vieles verzichten müssen, blieb lieber beim VfL Horneburg. Dort spielte er mit seinen Freunden, wurde von seinem Vater trainiert. Und vom Elternhaus bis zur Sporthalle waren es nur 300 Meter.
Mutter Britta: „Wir zelebrieren jede Minute“
Die Bundesliga war für Hagedorn kein realistisches Ziel, höchstens die dritte Liga. Doch dann begann eine, wie er sagt, „extreme Entwicklung“: Der 2,02 Meter große Rückraumspieler fiel in der A-Jugend-Bundesliga mit seiner Wurfgewalt auf. Vereine und Spielerberater wurden aufmerksam.
Eine halbe Stunde vor Spielbeginn. Im Foyer der Lübecker Hansehalle steht ein Mann, der die meisten Zuschauer überragt. Er trägt das blaue Trikot des VfL Lübeck-Schwartau. Rückennummer 10, Hagedorn. Es ist Stefan Hagedorn, Vater von Ole, ebenfalls 2,02 Meter groß. Er und seine Frau Britta haben ein paar Tage an der Ostsee verbracht.
Hansehalle, Reihe 6: Stefan und Britta Hagedorn fiebern mit dem VfL Lübeck-Schwartau mit. Foto: Felix Schlikis/Lobeca.de
Für sie ist einiges neu, seit ihr Sohn den Heimatverein verlassen hat. Sie sind jetzt Zuschauer und müssen auf der Tribüne auch mal den Frust der Fans ertragen, wenn die sich über einen Fehler ihres Sohnes ärgern. „Aber es ist einfach großartig. Ole bekommt mehr und mehr Spielanteile. Wir zelebrieren jede Minute“, sagt Britta Hagedorn mit einer Klatschpappe in der Hand.
Familie Hagedorn findet einen Spielerberater
Wenig später stößt Spielerberater Lars Friedrich hinzu. Friedrich spielte zu Beginn seiner Karriere in Bremervörde und traf damals auch auf den VfL Horneburg um Stefan Hagedorn. „Ole ist mir in der Jugend aufgefallen - und irgendwann saß ich bei der Familie im Wohnzimmer“, sagt der ehemalige Bundesligaprofi.
Ole Hagedorn (2. von rechts) mit Mutter Britta, Vater Stefan und Bruder Malte. Foto: Felix Schlikis/Lobeca.de
Viele Berater hätten sich bei der Familie gemeldet, sogar aus der Schweiz, „ganz verrückt“, findet Stefan Hagedorn. Die Agentur, für die Friedrich arbeitet, nahm Ole Hagedorn unter Vertrag und beriet ihn bei den Vertragsverhandlungen. „Wir hatten ja keine Ahnung, was man finanziell fordern kann“, sagt Stefan Hagedorn. Jetzt stehen neue Verhandlungen an. Der Vertrag von Ole Hagedorn läuft aus.
Es wird dunkel in der Halle, die Lichtshow beginnt. Ole Hagedorn läuft durch die aufblasbare Nachbildung des Holstentors, des Wahrzeichens der Stadt. Die Fans rufen seinen Namen, Hagedorn winkt, klatscht mit seinen Teamkollegen ab. Das Licht geht an, Hagedorn setzt sich auf die Bank.
Der „Abwehrspezialist“ betritt das Spielfeld
In den Reihen 6 und 7 sitzt die Familie Hagedorn, neben Stefan und Britta der jüngere Sohn Malte, ebenfalls ein sehr talentierter Handballer, sowie Oles Onkel Christoph Hagedorn, dessen Frau Katrin und die achtjährige Tochter Anne Rieke, „Oles größter Fan“, wie die Mutter sagt. Die männlichen Familienmitglieder tragen das blaue Lübeck-Trikot mit der Nummer 10.
Die Abwehr steht, der Torwart hält überragend und der Angriff lässt kaum Chancen ungenutzt. Ole Hagedorn steht und ballt die Faust. Lübeck führt deutlich. Das Maskottchen, ein Tiger, setzt zur Laola-Welle an.
Nach 16 Minuten und 18 Sekunden betritt Hagedorn zum ersten Mal das Spielfeld. „Jetzt kommt unser Abwehrspezialist“, sagt Christoph Hagedorn. 20 Sekunden später ist der erste Einsatz vorbei. Ole Hagedorn verteidigt wie zuletzt ausschließlich im Innenblock. Allenfalls in Umschaltmomenten rückt er mit nach vorne.
Große Umstellung für das Top-Talent
Für Hagedorn hat sich einiges verändert. Nach dem Abitur in Stade ist er von zu Hause ausgezogen, lebt mit einem Teamkollegen in einer WG. Er trainiert täglich, bereitet sich intensiv auf die Spiele vor. Er hat gelernt, noch aktiver und agiler zu verteidigen, hat Spielzeit auf der zentralen Position bekommen und dadurch seine Nervosität abgelegt.
„In der zweiten Liga gibt es nicht viele 20-Jährige, die so viel im Innenblock spielen. Das ist keine Selbstverständlichkeit“, sagt Hagedorn, der demnächst ein BWL-Studium beginnt.
Aber auch im Angriff wünscht sich Hagedorn mehr Einsatzzeiten. Bisher hat er bei zehn Versuchen sieben Tore erzielt. Bester Torschütze gegen Hagen war sein Positionspartner Vojtech Patzel, Lebensgefährte der Buxtehuder Handballerin Magda Kasparkova.
Lübecker Trainer lobt Hagedorns Entwicklung
Die Verteidigung um Ole Hagedorn steht. „Gute Abwehr, echt stark!“, ruft Vater Stefan. Als Ole Hagedorn in der zweiten Halbzeit einen Siebenmeter verursacht, ist der überragende Paul Dreyer im VfL-Tor zur Stelle. Hagedorn breitet die Arme aus, die Halle bebt.
Zeit für eine Selbstkritik: „Ich hatte in der ersten Halbzeit zwei leichte Unaufmerksamkeiten, hätte in der ersten Welle zweimal mehr mitgehen und in einer Situation selbst werfen können, aber das sind Kleinigkeiten“, sagt Hagedorn. Zwei Tore hat er vorbereitet. Hagedorn ist zufrieden. Und Trainer David Röhrig?
Herr Röhrig, wie macht Ole Hagedorn seine Sache?
Extrem gut. Es ist seine erste komplette Saison bei uns. Er ist unglaublich früh in eine wichtige Position im Abwehrzentrum gerückt. Dass er das in so jungen Jahren so stark macht, ist sehr beeindruckend.
Woran liegt das?
Er hat im letzten Jahr mit den erfahrenen Spielern zusammengearbeitet und viel Wissen aufgesaugt. Ole ist unfassbar offen, nimmt Feedback an und setzt es um.
Aber er kann auch Tore werfen?
Wir wollen aus ihm keinen reinen Abwehrspezialisten machen. Aber wir haben im Sommer gesagt: Lass uns Schritt für Schritt gehen! Mittelfristig soll Ole auch im Angriff spielen, da hat er unfassbare Qualitäten.
Sein Vertrag läuft jedoch aus. Wollen Sie ihn halten?
Zu Vertragsangelegenheiten sage ich nichts. (lacht)
Und wenn es nach Ihnen ginge, würden Sie gerne weiter mit ihm zusammenarbeiten?
Ich schüttle nicht den Kopf.