TVon der Sklaverei bis zum Stadtbrand: So herrschten die Schweden in Stade

Ein Kupferstich vom Stader Stadtbrand von 1659. Foto: Vasel
In der Schwedenzeit wehte ein anderer Wind in Stade. Das Team vom Landesarchiv Stade hat einzigartige Dokumente ausgegraben und zeigt spannende Geschichte: Vom verheerenden Stader Stadtbrand bis über Kehdinger Sklaven und ein jahrelanges Musikverbot.
Stade. Die Ausstellungsmacher laden beim Tag des offenen Archivs und im Rahmen der Ausstellung „Schwedenzeit 1648-1719 - Weg in die Moderne?“ an diesem Sonnabend, 2. März, ab 10 Uhr zu einer Zeitreise ein. Mit seinen Kollegen hat Dr. Thomas Bardelle, Leiter des Landesarchivs, den ersten Stader Archivarius Reinhold Blume (1617 - 1690) wiederauferstehen lassen.
Blume war der Erzieher der Söhne des schwedischen Gouverneurs Graf Hans Christian von Königsmarck (1605 - 1663). Blumes Einstellung unterzeichnete Königin Christina höchstpersönlich. Die Herzogtümer Bremen und Verden waren Vorreiter im Norden. Hamburg stellte „erst 60 Jahre später, im Jahr 1710, den ersten hauptamtlichen Archivar ein“, sagt Lukas Weichert vom Landesarchiv. Seine Bestallung beinhaltete auch eine Arbeitsplatzbeschreibung. So sollte er „daß Archivum und alle dazugehörenden Documenta und Handlungen in guete Verwahrung halten“. Blume legte den Grundstock für das moderne Archiv.

Macher der Schwedenzeit-Ausstellung im Staatsarchiv Stade: Thomas Bardelle, Beate-Christine Fiedler, Malte de Vries und Lukas Weichert (von links). Ab Sonnabend können Archivalien bewundert werden. Foto: Vasel
Dr. Beate-Christine Fiedler hat mit ihren Kollegen weitere Schätze gehoben. Sie hat seit 2018 die Akten des Regierungsarchivs erschlossen - fast 185 Regalmeter. Die Schweden hatten sich Stade nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs im Jahr 1648 mit dem Westfälischen Frieden unter den Nagel gerissen und zur „Hauptstadt“ ihrer Besitzungen in Norddeutschland gemacht.
Gemeinsam mit dem Archivarius erfahren die Besucher, wie die Bevölkerung unter Kontributionen und Truppeneinquartierung litt. Ein Fokus liegt auf der Betrachtung des Binnenverhältnisses zwischen Regierung, Verwaltung und Bevölkerung. Von einem „Kaleidoskop an Themen“ spricht Bardelle.
Mit einer Broschüre lassen sich die Themen der zehn Stationen zu Hause vertiefen. Mit den Schweden wehte in dem Reichsterritorium ein neuer Wind. Unter der Leitfrage „Weg in die Moderne?“ werden die Themenfelder Regierung, Ordnung, Festungsbau, Schulalltag, Klöster, Festkultur und Katastrophen wie der Stader Stadtbrand von 1659 und Sturmfluten sowie die abschließende Übergabe der Provinz anhand einzigartiger Dokumente beleuchtet. Der Stadtbrand war eine der größten Katastrophen der Stader Geschichte, zwei Drittel lagen in Schutt und Asche.

Alles war geregelt, sogar das Schwarz für die Stoff-Verhüllung in den Kirchen nach dem Tod eines Mitglieds der schwedischen Königsfamilie. Foto: Vasel
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Königin tot: Musik für zwei Jahre verboten
Königin Christina ließ ihre Provinz sofort vermessen - durch den Ingenieurskapitän Johann Gorries. Seine Karte liegt heute in der British Library in London, in Stade ist ein Blatt aus dem „Atlas Maior“ von 1662 zu bewundern. Wenn Majestäten, wie Königin Ulrica Elenora am 26. Juli 1693, starben, blieb das nicht ohne Folgen für alle Untertanen. Jegliche Art von Musik war unter Strafandrohung zwei Jahre lang verboten - in Kirchen und im weltlichen Bereich. Altäre und Taufsteine mussten mit schwarzem Tuch verhüllt werden. Zwei Tuchproben für die Bremer Domkirche sind zu sehen. Natürlich fiel die Wahl auf den billigsten Stoff. In der Stader Etatskirche auf dem Sand fand die aufwendigste Trauerfeier für Ulrica statt. Es bestand Teilnahmepflicht. Generalsuperintendent Dr. Johann Diecmann legte den Ablauf minutiös fest, Organist Vincent Lübeck komponierte die Musikstücke. Die Trauerfeier war letztlich eine Demonstration von Herrschaft und Macht.
Doch auch Siege wurden gefeiert, mit Dank- und Freudenfesten und Riesenfeuerwerk, etwa nach dem Sieg über die Russen bei Narva im November 1700. Ablauf und Kosten der Feier im „jauchzenden Stade“ über den „herrlichsten Sieg“ sind durch das Artillerie-Kassenbuch überliefert, der Bürokratie sei Dank. 70 Kanonen kamen zum Einsatz.
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Sklave in Algier: Hilfe nur für fromme Männer
In den Schweden-Akten in Stade schlummern auch tragische Geschichten, beispielsweise der Sklaven aus den Marschlanden. Im 16./17. Jahrhundert sind mehr als eine Million Europäer von nordafrikanischen Seeräubern verschleppt worden - unter ihnen der Kehdinger Marcus Wetegrove aus Assel. Er war im Jahr 1673 bei England auf dem Weg nach Frankreich von „türkischen Seeräubern“ in „barbarische Schlaverei“ entführt worden. Der Pastor attestierte seiner Frau für das Freikauf-Kollektengesuch, dass er ein „ehrliche und fromme Mann“ sei, der sich in Algier in „großer Drangsaal und Elend“ befinde.

Um 1709 tobte in Verden ein Turmhaubenstreit. Foto: Vasel
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Führungen und Vorträge im Staatsarchiv
Eröffnet wird die Ausstellung am Sonnabend, 2. März. Von 10 bis 15 Uhr haben Besucher die Möglichkeit, sich den Eröffnungsvortrag „Auswirkungen der schwedischen Herrschaft auf die Elbe-Weser-Region“ von Dr. Beate-Christine Fiedler anzuhören (10 Uhr) und die Ausstellung anzusehen. Archiv-Führungen starten um 11 Uhr, 12 Uhr, 13 Uhr und 14 Uhr.
Danach ist die Ausstellung montags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr und freitags von 9 bis 13 Uhr offen. Führungen: Mittwoch, 13. März, 10 Uhr; Dienstag, 26. März, 16 Uhr; Donnerstag, 11. April, 18.30 Uhr.
Am 11. April beleuchtet Dr. Fiedler ab 19.30 Uhr unter der Überschrift „Jauchzendes Stade“ auch die barocke Festkultur in Stade um 1700. Die Ausstellung „Schwedenzeit 1648-1719 - Weg in die Moderne?“ endet am Dienstag, 30. April, 17.30 Uhr, mit der Finissage.

Ein Kupferstich vom Stader Stadtbrand von 1659. Foto: Vasel