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Wohnungssuche

TWarum diese Zevenerin seit Jahren in einer völlig verschimmelten Wohnung lebt

Emine Ramadan (rechts) aus Zeven sucht eine neue Wohnung. Das ist nicht so einfach für die Rollstuhlfahrerin, denn der Wohnungsmarkt hat nichts im Angebot. Dennoch verliert sie nicht den Mut und ist fröhlich. Unterstützt wird sie von Sozialarbeiterin Birgit Hübner aus Zeven.

Emine Ramadan (rechts) aus Zeven sucht eine neue Wohnung. Das ist nicht so einfach für die Rollstuhlfahrerin, denn der Wohnungsmarkt hat nichts im Angebot. Dennoch verliert sie nicht den Mut und ist fröhlich. Unterstützt wird sie von Sozialarbeiterin Birgit Hübner aus Zeven. Foto: Harder-von Fintel

Emine Ramadan hat es nicht leicht im Leben. Die Zevenerin sitzt im Rollstuhl und braucht dringend eine neue Wohnung. Doch die zu finden, gleicht einem Sechser im Lotto. Seit fast zwei Jahren sucht sie nach einer neuen Unterkunft. Ohne Erfolg.

Von Kathrin Harder-von Fintel Dienstag, 26.12.2023, 08:50 Uhr

Zeven. Das alte Haus in der Rhalandstraße in Zeven sieht nicht mehr besonders einladend aus. Die besten Zeiten hat das Gebäude hinter sich und soll nun abgerissen werden. Im hinteren Teil führt eine lange Rampe aus Metall zur Haustür von Emine Ramadan. Schwer vorstellbar, dass eine Rollstuhlfahrerin hier mühelos hochfahren kann.

Mit dem Rollstuhl kann die Zevenerin über die Rampe direkt in die Wohnung fahren.Foto: Harder-von Fintel

Mit dem Rollstuhl kann die Zevenerin über die Rampe direkt in die Wohnung fahren.Foto: Harder-von Fintel Foto: Harder-von Fintel

Doch das ist das kleinste Problem für Emine Ramadan. Der Vermieter hat den Hausbewohnern schon vor längerer Zeit gekündigt, er möchte das Gebäude abreißen. Auch Emine Ramadan muss raus. Doch nicht alle Mieter haben eine neue Wohnung gefunden. Das hielt den Vermieter bisher davon ab, die Bagger anrücken zu lassen. Er sei nett und bemüht, heißt es. Und so wird logischerweise auch kein Geld mehr für Sanierungsarbeiten ins Gemäuer gesteckt. Das Fatale: Die Wohnung von Emine Ramadan ist mittlerweile völlig verschimmelt, seit Jahren schon gibt es das Problem.

Mit dem Rollstuhl braucht sie Platz

Es dauert einen Moment, bis die 58-Jährige zur Tür kommt und dem Besuch öffnen kann. Routiniert bewegt sie sich in der kleinen Wohnung vorwärts. Sie lebt auf 40 Quadratmetern, das sind zwei Zimmer, Küche, Bad. Ziemlich eng für jemandem im Rollstuhl. Nur das Nötigste steht in den Räumen: Bett, Schrank, Sofa, Tisch - alles in Reichweite, nichts im Weg. Vorsorgen kann sie sich allein, wäscht und putzt selbst. Die Waschmaschine steht im Wohnzimmer, weil sie nicht in den Keller gelangen kann. Im Bad geht die Tür nicht zu, wenn sie mit dem Rollstuhl am Waschbecken steht.

Ihr Badezimmer ist sehr klein, dennoch schafft Emine Ramadan es, hier mit dem Rollstuhl zurechtzukommen. Die Tür geht dann allerdings nicht mehr zu.

Ihr Badezimmer ist sehr klein, dennoch schafft Emine Ramadan es, hier mit dem Rollstuhl zurechtzukommen. Die Tür geht dann allerdings nicht mehr zu. Foto: Harder-von Fintel

Doch das alles nimmt die Frau aus dem Libanon in Kauf, denn die zentrale Lage des Hauses ist für sie Gold wert. Seit 17 Jahren wohnt sie dort zur Miete, zuvor viele Jahre im Erdgeschoss im Wiesengrund, erzählt sie. „Ich komme von hier aus überall allein hin - zum Einkaufen, zum Arzt, das ist toll.“

Die 58-Jährige gehört seit rund 30 Jahren zum Zevener Stadtbild. „Emine kennt man hier, sie ist sehr gut vernetzt“, weiß Birgit Hübner vom Diakonischen Werk des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Bremervörde-Zeven. Hübner ist in der Migrationsberatung tätig und kümmert sich unter anderem um die Papiere von Emine Ramadan. Die deutsche Sprache ist kein Hindernis für die Frauen. „Ich habe früher jede Woche den Sprachkurs im Gebäude beim Feuerwehrmuseum besucht. Rotraud Kohler hat mich hingefahren, sonst wäre ich dort nicht hingekommen. Mit Krücken bin ich die Treppe hochgestiegen, es hat ewig gedauert. Aber alle haben auf mich gewartet und sind erst dann mit dem Kursus angefangen“, erinnert sie sich und lacht. Immer wieder hat sie teilgenommen. „Ich mochte mich gerne unterhalten, insbesondere mit Frau Kohler.“

Im Kindesalter im Libanon an Polio erkrankt

Seit sie denken kann, ist sie auf Hilfe angewiesen. Im Alter von zwei Jahren ist sie in ihrer Heimatstadt Beirut an Kinderlähmung erkrankt. „Ich erinnere mich nicht daran, aber ich wurde gesund geboren, konnte auch stehen und laufen“, weiß sie aus Erzählungen ihrer Familie. Geimpft gegen diese hochinfektiöse Viruskrankheit, auch Polio genannt, ist sie nicht. Viele Kinder seien im Libanon daran erkrankt, doch sie habe das Schicksal härter getroffen als den einen oder anderen.

Das Virus griff Beine und Wirbelsäule schon früh dermaßen an, dass Emine Ramadan nicht mehr richtig laufen kann, der Körper ist in Teilen gelähmt. Sie ist die älteste unter sechs Geschwistern, nur sie bekam Kinderlähmung. „Meine Eltern hatten richtig Angst davor und ein Privatarzt hat dann meine Geschwister geimpft.“

1993 ist Emine Ramadan schließlich aus dem Libanon nach Deutschland gekommen, um ihren gesundheitlichen Zustand zu verbessern. Mehrmals ist sie hier operiert worden, doch an der Lähmung änderte auch das am Ende nichts. Dennoch ist sie froh, sich ein Leben in Zeven aufgebaut zu haben. „Es ist vieles leichter hier als im Libanon. Ich habe den Rollstuhl, die Straßen sind eben und es gibt Fußwege. Hier kann ich bis zur Kasse fahren. Im Libanon findest du das so nicht“, erzählt sie.

Kündigung liegt schon länger vor

Jetzt drängt allerdings die Zeit, sie muss so schnell wie möglich aus dem Haus ausziehen, laut Kündigungsschreiben des Vermieters eigentlich bereits im November. Aber nicht nur deshalb muss schnell eine neue Wohnung gefunden werden, der extreme Schimmelbefall in den Räumen kommt noch hinzu. Vor Jahren hat sie Flecken beseitigen lassen, mal wurde übergestrichen. Doch inzwischen hat sich nicht nur der Geruch in der gesamten Wohnung verändert, Schimmel ist in vielen Ecken sichtbar.

„Emine atmet die ganze Nacht den Schimmel ein. Ich möchte gar nicht wissen, wie es hinter dem Schrank aussieht“, sagt Birgit Hübner. Im eigenen Bett mit guter Matratze und Galgen als Aufstehhilfe schläft sie mittlerweile nicht mehr, zu schimmelig der Raum.

Im Schlafzimmer hält sich Emine Ramadan nicht mehr oft auf, über ihrem Bett lauert überall Schimmel. Sie schläft auf dem Sofa nebenan.

Im Schlafzimmer hält sich Emine Ramadan nicht mehr oft auf, über ihrem Bett lauert überall Schimmel. Sie schläft auf dem Sofa nebenan. Foto: Harder-von Fintel

Die Rollstuhlfahrerin ist aufs Sofa gezogen und ist mal fast heruntergefallen. Keine ideale Situation. „Aber es geht noch schlimmer“, lässt sie sich nicht die Laune verderben. „Emine ist immer optimistisch und fröhlich - solange ich sie kenne“, schiebt Birgit Hübner nach.

Wer kann mit einer günstigen Wohnung helfen?

Doch die schwierige Wohnungssuche bereitet beiden inzwischen Kopfzerbrechen. Wie soll es weitergehen? Alle Beteiligten unterstützen Emine Ramadan bei der Suche: der Pflegedienst, das Diakonische Werk, die Therapeuten - sie halten Augen und Ohren offen. Auch Makler sind bereits informiert. Doch eine Bleibe konnte bisher nicht gefunden werden. Gesucht wird eine kleine, bezahlbare Wohnung im Zentrum von Zeven, dazu barrierefrei. „Die Kosten müssen im Rahmen sein. Eine geförderte B-Schein-Wohnung wäre toll“, erklärt Birgit Hübner.

Mittlerweile ist der Schimmelbefall nahezu in jedem Raum der Wohnung aufgetreten - hier die Küche.

Mittlerweile ist der Schimmelbefall nahezu in jedem Raum der Wohnung aufgetreten - hier die Küche. Foto: Harder-von Fintel

Was passiert, wenn kein neues Zuhause gefunden wird? „Dann würde es zur Obdachlosigkeit kommen“, weiß die Sozialarbeiterin. Emine Ramadan hofft nun, dass alle Mieter noch rechtzeitig vor Abriss des Hauses eine Wohnung finden. „Ansonsten gehen wir ins Zelt“, spaßt sie. Über Angebote aus der Bevölkerung freut sie sich, alles ist besser für die Gesundheit als noch länger im Schimmel zu leben.

Wer eine Wohnung für die 58-Jährige hat, kann sich bei der Migrationsberatung des Diakonischen Werks Bremervörde-Zeven unter Tel. 04761-993540 oder E-Mail: migration-kkbz@evlka.de melden.

Das ist ein B-Schein

Ein Wohnberechtigungsschein wird für eine staatlich geförderte Wohnung in angemessener Größe benötigt. Je nach Bundesland gilt für eine Person eine Wohnfläche zwischen 45 und 50 Quadratmetern als angemessen. Der Wohnberechtigungsschein wird auch B-Schein genannt. Es handelt sich um eine amtliche Bescheinigung, mit der Mieter mit geringem Einkommen in einer geförderten Wohnung, also einer Sozialwohnung, leben dürfen. So können zum Beispiel Empfänger von Bürgergeld einen Wohnberechtigungsschein beantragen. Allerdings gibt es auf dem Land sehr wenig kleine und günstige Wohnungen.

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