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Medizinische Versorgung

TRollende Arztpraxis beeindruckt Drochterser und Nordkehdinger Rathaus-Chefs

Jan Gerlach, Haus- und Betriebsarzt in Scheeßel, ist auch mobil unterwegs.

Jan Gerlach, Haus- und Betriebsarzt in Scheeßel, ist auch mobil unterwegs. Foto: Helfferich

Immer weniger Ärzte ziehen aufs Land. Die Pflegepioniere in Kehdingen suchen Auswege aus dieser Misere. Der Mediziner Jan Gerlach zeigt, wie das funktionieren könnte.

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Von Susanne Helfferich
Samstag, 10.05.2025, 15:50 Uhr

Drochtersen. Seit gut zwei Jahren arbeiten die Pflegepioniere an einer besseren Pflege- und Gesundheitsversorgung (PUG) in Drochtersen und Nordkehdingen. Dabei spielt die Telemedizin eine große Rolle. Denn praktizierende Ärzte, insbesondere Fachärzte, sind in Kehdingen knapp. Vor kurzem stellte nun Jan Gerlach, Haus- und Betriebsarzt aus Scheeßel, seine mobile Arztpraxis vor.

Blick in den ehemaligen Rettungswagen, der nun die ärztliche Versorgung zu den Menschen bringt.

Blick in den ehemaligen Rettungswagen, der nun die ärztliche Versorgung zu den Menschen bringt. Foto: Helfferich

Auf Einladung der Pflegepioniere fuhr der Mediziner mit seiner mobilen Arztpraxis vor. Als er die Türen des ehemaligen Rettungswagens öffnete, staunten nicht nur Mike Eckhoff, Bürgermeister von Drochtersen, und Erika Hatecke, Samtgemeindebürgermeisterin in Nordkehdingen, nicht schlecht, sondern auch Wischhafens Hausarzt Dr. Rainer Feutlinske. „Das ist ja komplett ausgestattet wie eine internistische Praxis“, meinte er.

Ein Arztmobil bringt Fachpersonal zu den Patienten

Hinter den Türen verbirgt sich eine komplett eingerichtete Arztpraxis, mit höhenverstellbarer Untersuchungsliege, Geräten für Augenkunde und Hörfähigkeit, Labor inklusive Impfmaterialien sowie Zubehör für Blutentnahmen und natürlich auch ein Kühlschrank.

Auf Einladung der Pflegepioniere stellte Jan Gerlach in Drochtersen seine mobile Arztpraxis vor.

Auf Einladung der Pflegepioniere stellte Jan Gerlach in Drochtersen seine mobile Arztpraxis vor. Foto: Helfferich

Ein Ergometer fürs Belastungs-EKG gehört ebenso zur Ausstattung wie ein spezieller Monitor für Videosprechstunden, plus Kamera und Lautsprecher. Auch Lungenfunktionstests sind in dem Avatar-Mobil möglich; ebenso Blutzuckermessung, Dermatoskopie und Knochendichtemessung. Hinzu kommen ein Notfallrucksack und ein Defibrillator. Und natürlich kann Gerlach Fachärzte hinzuschalten, mit denen er seine Untersuchungsergebnisse in Echtzeit teilen kann.

Für Gerlach ist sein Mobil die Antwort auf die Frage, wie medizinische Betreuung im ländlichen Raum trotz knapper werdender Ressourcen - also fehlender Ärzte - funktionieren kann. Mit einer solchen Ausstattung, wie er sie in seiner mobilen Arztpraxis vorhält, könnte medizinisches Fachpersonal zu den Patienten kommen. Das müssten nicht unbedingt Ärzte sein.

Denn Fachassistenzen könnten Untersuchungsergebnisse, wie Blutdruckmessung oder Sehtest, per Telemedizin mit den Fachärzten besprechen oder Ärzte für Untersuchungen dazuschalten. „Einzig für ein Belastungs-EKG muss ein Arzt vor Ort sein. Alles andere funktioniert mit Zuschaltung eines Arztes“, so Gerlach.

Hatecke und Eckhoff wollen Projekt vorantreiben

Der Scheeßeler ist mit seinem Mobil hauptsächlich als Betriebsarzt unterwegs, so dass seine Patienten warm und trocken auf ihren Termin warten können. Damit beim Kehdinger PUG-Projekt die Patienten nicht im Regen stehen, könnten die Gemeinden ihre Dorfgemeinschaftshäuser als Wartebereich öffnen, so die Idee. Auch könnten sich Ehrenamtliche als Fahrer der mobilen Arztpraxis einbringen.

Überraschend war für die Bürgermeister der Kostenaspekt. Auf Mike Eckhoffs Nachfrage rechnete Gerlach schnell zusammen: Der alte Rettungswagen habe 12.000 Euro gekostet, der Umbau etwa 8000 Euro und die Ausstattung zwischen 30.000 und 40.000 Euro. „Das ist ja gar nicht so viel“, so der spontane Kommentar von Hatecke.

Sie und Eckhoff wollen nun in der Bürgermeisterrunde der Leaderregion Kehdingen-Oste über das Avatar-Mobil berichten und hoffen, die anderen Leadergemeinden für das Projekt gewinnen zu können. „Ansonsten versuchen wir, andere Fördergelder zu akquirieren“, so Hatecke, „vorausgesetzt eine Praxis vor Ort wird das Fahrzeug personell mit einer medizinischen Fachkraft bestücken.“

Jan Gerlach (links) erklärt Drochtersens Bürgermeister Mike Eckhoff und Nordkehdingens Samtgemeindebürgermeisterin Erika Hatecke, welche Ausstattung seine mobile Praxis mitbringt.

Jan Gerlach (links) erklärt Drochtersens Bürgermeister Mike Eckhoff und Nordkehdingens Samtgemeindebürgermeisterin Erika Hatecke, welche Ausstattung seine mobile Praxis mitbringt. Foto: Helfferich

Das PUG-Projekt geht über drei Jahre und befindet sich bereits auf der Zielgeraden: Bis zum 28. Februar 2026 soll ein Konzept für Kehdingen stehen. Die Pflegepionierin Birte Riel (Telefon: 04779/6424726) sucht dafür dringend eine zweite Fachassistenz. Mit einer Teilzeitstelle ist bereits Ilse Mahler aus Balje im Team.

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