TWehrdienst: Junge Handballer aus dem Kreis Stade wollen nicht in den Krieg
Pepe Wolf (von links), Lennart Wiebusch und Matti Severloh von der JSG FSH sind sich einig: Den freiwilligen Wehrdienst wollen sie nicht antreten. Foto: Pauline Meyer
Die Bundeswehr braucht mehr Soldaten. Dabei soll der neue Wehrdienst helfen. Für junge Sportler aus dem Landreis Stade war das Thema Krieg bislang weit weg. Das könnte sich nun ändern.
Fredenbeck. Ihr Alltag dreht sich um Handball, Freunde, Schule oder Job - und bald auch um die Themen Bundeswehr und Krieg? So wie bundesweit Tausende junge Männer setzen sich auch die A-Jugend-Handballer der Spielgemeinschaft JSG Fredenbeck/Stade/Harsefeld mit der Wehrdienstreform auseinander. Die Debatte ist in Deutschland derzeit in vollem Gange.
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Die Bundeswehr soll langfristig personell auf 260.000 Soldaten aufgerüstet werden. Deshalb sieht der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor, junge Männer ab dem Jahrgang 2008 zu erfassen. Sie sollen eine Bereitschaftserklärung abgeben und künftig, sofern notwendig, gemustert werden. Doch dieser Entwurf trifft auf gemischte Stimmung - gerade bei denjenigen, die davon künftig betroffen sein könnten.
„Ohne Soldaten wären wir ausgeliefert“
Mit 17 und 18 Jahren stehen die Spieler der JSG FSH zwischen Schule, Sport und Zukunftsplanung. Mit der Frage, ob ein Wehrdienst für sie infrage kommt, müssen sie sich in der Zukunft wohl zwangsweise auseinandersetzen.

Die Spieler der Handball-A-Jugend der JSG FSH setzen sich mit dem Thema Wehrdienst auseinander. Foto: Pauline Meyer
Für Rückraumspieler Tjark Severloh ist das Thema nebensächlich. „Ich fühle mich nicht direkt betroffen“, sagt der 18-Jährige. Der Fragebogen ziele zunächst nur auf junge Männer ab, die im nächsten Jahr ihre Volljährigkeit erlangen.
Dennoch mache er sich Gedanken. „Wenn der Ernstfall eintritt und Deutschland oder die NATO angegriffen werden würde, wären wir ohne genügend Soldaten ausgeliefert.“ Er sieht Versäumnisse in der Vergangenheit: „Ich hätte es besser gefunden, wenn der Wehrdienst 2011 einfach weitergeführt worden wäre. Dann wäre die Diskussion jetzt nicht so groß.“ Das Heer erst im Notfall zu stärken, sei einfach zu spät, erklärt er.
„Die Bundeswehr ist auch eine Chance“
Tjark Severloh absolviert gerade ein FSJ in seinem Verein und im Kindergarten. Er findet daher die Einführung von Wehrdienst und Zivildienst zusammen sinnvoll. „Beides ist extrem wichtig“, sagt er.

Die 18-jährigen Jonas Braack (links) und Tjark Severloh. Foto: Pauline Meyer
Einen anderen Stellenwert hat das Thema bei Tjarks Mannschaftskollegen Jonas Braack. Für ihn kommt ein Dienst bei der Bundeswehr infrage – unabhängig von der aktuellen Debatte. Er strebt ein duales Studium bei der Bundeswehr an. „Die Ausbildungsmöglichkeiten dort sehe ich als Chance“, sagt der 18-Jährige. Über einen möglichen Krieg machen sich die beiden Männer durchaus Gedanken. „Unsere Generation ist so aufgewachsen, dass Frieden in Deutschland selbstverständlich war“, sagen sie. Das ändere sich aktuell durch die Nähe des russisch-ukrainischen Krieges.
Geld ist kein Anreiz: Sportler mit klarer Haltung
Der Gedanke, als junger Mensch im Notfall an die Front geschickt zu werden, beschäftigt auch weitere Teamkollegen. Kreisläufer Pepe Wolf bringt es auf den Punkt: „Wenn ich mich freiwillig melde und es ernst wird, würde ich nicht in den Krieg ziehen wollen.“

Die Bundeswehr braucht mehr Soldaten. Der freiwillige Wehrdienst soll es richten. Foto: Sina Schuldt/dpa
Da könnten auch Anreize wie höhere Bezahlung oder eine Führerscheinfinanzierung nichts dran ändern, ergänzen Lennart Wiebusch und Matti Severloh. „Ein Wehrdienst passt nicht in meine Lebensplanung, ich bin gerade in Ausbildung“, sagt der 18-jährige Matti Severloh.
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Dass Politiker über ihr Leben entscheiden könnten, empfinden die jungen Handballer als befremdlich. „Die älteren Leute sollten respektieren, was junge Menschen wollen“, so Lennart Wiebusch.
Losverfahren kommt nicht gut an
Sein Mannschaftskollege Lennard Lukuwitz sieht das ähnlich, auch wenn er sich prinzipiell vorstellen könnte, einen freiwilligen Wehrdienst zu leisten. Das aber nur, wenn es in seine Lebensplanung passe und die Rahmenbedingungen stimmen würden.

Lennard Lukuwitz konzentriert sich derzeit auf sein Abitur - ob er danach den freiwilligen Wehrdienst antreten würde, kann er noch nicht sagen. Foto: Pauline Meyer
Der 17-Jährige konzentriert sich derzeit auf sein Abitur. Dass möglicherweise das Los - so wie von Union und SPD vorgeschlagen - darüber entscheiden könnte, wer gemustert und eingezogen wird, fühle sich für ihn falsch an. „Gerade hier in Deutschland, wo Meinungsfreiheit so einen hohen Stellenwert hat.“
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In einem Punkt sind sich alle jungen Männer einig: In den Krieg ziehen wollen sie nicht. Sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, wird aber im Zuge der Reform unabdingbar - darüber sind sie sich im Klaren. Und sie wissen: Der Dienst an der Gemeinschaft ist wichtig. Selbstbestimmung und die eigene Lebensplanung jedoch auch.
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Wie die Bundesregierung den Spagat zwischen Freiwilligkeit und Pflicht hinbekommt und wie junge Männer wie die Handballer der JSG FSH darauf reagieren, wird am Ende entscheidend sein für die Akzeptanz und Wirksamkeit eines neuen Wehrdienstes.
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