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Schwinge Werkstätten

TWenn Arbeit Halt gibt: Jan Dusella tischlert trotz schwerer Erkrankung

Tischlermeister Malte Ihrens (rechts) und Jan Dusella an der Formatkreissäge in der Tischlerei der Schwinge Werkstätten.

Tischlermeister Malte Ihrens (rechts) und Jan Dusella an der Formatkreissäge in der Tischlerei der Schwinge Werkstätten. Foto: Stehr

Jan Dusella leidet an Depressionen. Um damit besser klarzukommen, hilft ihm auch sein Job bei den Schwinge Werkstätten. Hier baut er Außergewöhnliches aus Obstkisten.

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Von Lena Stehr
Mittwoch, 12.11.2025, 11:50 Uhr

Stade. Montags bis freitags schlüpft Jan Dusella in seine Arbeitshose und baut für unterschiedlichste Kunden etwas aus Holz. Dass ihm sein Job großen Spaß macht, ist dem aufgeschlossenen Mann mit dem Vollbart anzumerken. Dabei ist es nicht selbstverständlich, dass Jan Dusella eine feste Anstellung hat und täglich von 10 bis 16 Uhr arbeitet. Der 35-Jährige leidet seit vielen Jahren an Depressionen - einer psychischen Erkrankung, die oft nicht ernst genommen und immer noch tabuisiert wird.

Mobbing in der Schule machte Jan Dusella krank

Dabei waren laut dem Gesundheitsatlas Deutschland des Wissenschaftlichen Instituts der AOK im Jahr 2022 deutschlandweit knapp 9,5 Millionen Menschen von Depressionen betroffen. Die Erkrankung gehört damit zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen, sagt die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention.

Jan Dusella leidet seit vielen Jahren an Depressionen. In den Schwinge Werkstätten hat er einen festen Job gefunden. Sein Ziel ist der Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt.

Jan Dusella leidet seit vielen Jahren an Depressionen. In den Schwinge Werkstätten hat er einen festen Job gefunden. Sein Ziel ist der Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt. Foto: Stehr

Jan Dusella erzählt, dass er in der Schule gemobbt und daraufhin krank wurde. Der Start in ein für gesunde Menschen normales Arbeitsleben gelang ihm deshalb nach seinem Hauptschulabschluss nicht.

In der Tischlerei der Schwinge Werkstätten des Deutschen Roten Kreuzes in Stade fand Jan Dusella 2010 einen Job, der ihm Halt gibt und Freude macht. „Hier bin ich abgelenkt, finde geistige Zerstreuung und kann mit meinem Kopf und mit meinen Händen arbeiten“, sagt der Mann aus Himmelpforten.

Sein Chef ist seit 2011 der Tischlermeister Malte Ihrens. Zusammen mit einer Tischlerin in Teilzeit leitet er das Tischlerei-Team, das derzeit aus knapp zehn Menschen mit psychischen Erkrankungen besteht. Beide Gruppenleiter sind geprüfte Fachkräfte zur Arbeits- und Berufsförderung.

In der Tischlerei der Schwinge Werkstätten läuft manches anders als in den Tischlereien auf dem ersten Arbeitsmarkt. Lockere Sprüche - wie sonst im Handwerk durchaus üblich - seien hier fehl am Platz.

„Wir müssen sehr sensibel sein, Rücksicht auf die Tagesform der Mitarbeiter nehmen und intensiv alles besprechen“, sagt Malte Ihrens. Unter anderem, weil Menschen mit psychischen Erkrankungen oftmals eher schlecht mit Leistungsdruck und Kritik umgehen können. Das mit dem herrschenden Produktionsdruck in Einklang zu bringen, sei eine Herausforderung.

Psychisch Erkrankte bauen Unikate aus Holz

In der Tischlerei der Schwinge Werkstätten werden unter anderem für ein Start-up-Unternehmen Tische und Tabletts, sogenannte Couch- und Snackbutler, produziert. Wer möchte, kann hier zudem alte Möbel aufhübschen lassen. Neuerdings stellen die Beschäftigten der Tischlerei auch Unikate aus alten Obstkisten her. Die Idee stammt von zwei Altländern. Sie haben Flussbrett an die Schwinge Werkstätten abgegeben.

Michael Simson, Fachbereichsleiter Vertrieb bei den Schwinge Werkstätten, zeigt einige der Flussbrett-Produkte.

Michael Simson, Fachbereichsleiter Vertrieb bei den Schwinge Werkstätten, zeigt einige der Flussbrett-Produkte. Foto: Stehr

Jan Dusella und seine Kollegen bauen aus den Kisten Wohnaccessoires - von der Garderobe über Bilderrahmen und Vasen bis zum Spiegel. Zu kaufen gibt es die Flussbrett-Objekte vor Ort, im Onlineshop und im Fachmarkt in der Stader Innenstadt. Es seien außergewöhnliche Produkte, auf die die Mitarbeiter stolz sind, sagt Diplom-Sozialpädagogin Birgit Müllenders, Leiterin Sozialer Dienst bei den Schwinge Werkstätten.

Ihr liegt daran, das Vorurteil „einmal Werkstatt, immer Werkstatt“ abzubauen. In ganz Deutschland sind um die 300.000 Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen in Werkstätten tätig, in Stade und Buxtehude sind es insgesamt 500. Ziel sei immer, die Menschen auf ihrem Weg auf den ersten Arbeitsmarkt zu begleiten, sagt Birgit Müllenders.

Jan Dusella arbeitet seit 2010 in der Tischlerei der Schwinge Werkstätten in Stade und stellt hier neuerdings auch Unikate aus alten Obstkisten her.

Jan Dusella arbeitet seit 2010 in der Tischlerei der Schwinge Werkstätten in Stade und stellt hier neuerdings auch Unikate aus alten Obstkisten her. Foto: Stehr

Dass das aber nur in etwa einem Prozent der Fälle gelinge, liege unter anderem daran, dass viele sich im geschützten Umfeld der Werkstätten wohlfühlen und gar nicht woanders arbeiten wollen. Zudem sei es nicht immer leicht, Unternehmen zu finden, die Menschen mit Behinderung beschäftigen wollen, weil das immer einen Mehraufwand bedeute.

In den Schwinge Werkstätten werden jetzt Unikate aus alten Obstkisten hergestellt. Vermarktet werden sie unter anderem online und über den Fachmarkt in der Stader Innenstadt.

In den Schwinge Werkstätten werden jetzt Unikate aus alten Obstkisten hergestellt. Vermarktet werden sie unter anderem online und über den Fachmarkt in der Stader Innenstadt. Foto: Stehr

Jan Dusella hofft, dass er den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt noch schafft. „Einen Job bei der Post oder im Lager finde ich erstrebenswert“, sagt er. Seine Erkrankung habe er inzwischen gut im Griff, weil er sich in Therapie befindet und Medikamente nimmt. Mit der Diagnose Depression geht er offen um. „Ich stelle aber immer wieder fest, dass viele Menschen damit nicht umgehen können und dass viele Betroffene die Erkrankung verstecken“, sagt Jan Dusella.

Mehr zu den Schwinge Werkstätten.

Mehr zum Projekt Flussbrett.

Jan Dusella ist einer von knapp zehn Beschäftigten in der Tischlerei der Schwinge Werkstätten.

Jan Dusella ist einer von knapp zehn Beschäftigten in der Tischlerei der Schwinge Werkstätten. Foto: Stehr

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