Zähl Pixel
Schützenfeste

TWiderstand gegen Tradition: Mädchen wollen auch auf Gildefest schießen

Die ausschließlich männlichen Mitglieder der Wildeshauser Schützengilde laufen beim Gildefest durch die Stadt.

Die ausschließlich männlichen Mitglieder der Wildeshauser Schützengilde laufen beim Gildefest durch die Stadt. Foto: dpa

Mädchen dürfen beim Kinderschützenfest in Wildeshausen nur zusehen – schießen ist ausschließlich den Jungen erlaubt. Warum das viele nicht mehr hinnehmen wollen.

Von Vonjanet Binder Samstag, 14.06.2025, 07:50 Uhr

Wildeshausen. Gerade erst wurde auf dem Gildefest mit Axel Iben ein neuer Schützenkönig ermittelt. Am Samstag steht das Kinderschützenfest an. Schießen dürfen dabei nur Jungen. Mädchen ist es nicht erlaubt. Das will eine Initiative ändern.

„Traditionen und Brauchtum sind wichtig, sie sollten aber nicht dazu genutzt werden, um Menschen auszuschließen“, sagt Hendrik Boldt. Er ist Mitglied der Gilde und einer der Mitinitiatoren von „Gilde für alle“. Seit einigen Jahren regt sich in Wildeshausen der Widerstand. Auch die 13-jährige Wildeshauserin Karla findet es ungerecht, dass Mädchen den Jungen beim Schießen auf den Papagoy nur zusehen dürfen. Ihre Freundin wohnt im benachbarten Harpstedt, beim dortigen Schützenfest dürfen sowohl Jungen als auch Mädchen mitmachen.

Bei Kinderveranstaltung niemanden ausschließen

Warum das in Wildeshausen anders ist, kann Karla nicht nachvollziehen. „Wir sind nicht mehr im Jahr 1950, sondern im Jahr 2025. Vor allem bei einer Kinderveranstaltung sollte man niemanden ausschließen“, sagt die Schülerin. Sie würde gerne mitmachen bei der Veranstaltung, nur als „Ehrendame“ mitzulaufen, sei ihr zu langweilig. „Ich will auch was erleben“, sagt sie. Ihr Papa hat als Kind schon beim Kinderschützenfest mitgemacht, als Junge durfte er das.

Für heute hat die Initiative zu einer Demonstration um 17 Uhr unter dem Motto „Kinderschützenfest für alle“ aufgerufen. Erwartet werden von den Veranstaltern bis zu 500 Menschen. Karla will auch mit ihrer Familie dabeisein. Friedlich soll es zugehen, sagt Hendrik Boldt. Er müsse das betonen, die Stimmung sei teilweise sehr aufgeheizt. „Uns wurde vorgeworfen, einen Konflikt zu schüren.“ Dabei gehe es nur darum, den Zusammenhalt und die lokale Identität zu stärken.

Dass reine Männervereine sich auch für Frauen öffnen können, haben andere schon vorgemacht: Bei der Bremer Schaffermahlzeit etwa wurde 2023 nach mehr als 460 Jahren die erste Frau in die Runde der Schaffer aufgenommen. Aus dem einstigen Brudermahl wurde ein „Freundschaftsmahl“.

Frauen als Mitglieder in der Gilde – soweit will die Initiative gar nicht gehen. Zu sehr sind die Gemüter erhitzt allein wegen der Forderung, dass Mädchen zur Armbrust greifen dürfen. Auf der Generalversammlung der Gilde im Februar wurde ein Antrag, das Kinderschützenfest zu öffnen, mehrheitlich von den Mitgliedern abgelehnt – mit Verweis auf die Tradition. „Es ist das einzige Argument, das ins Feld geführt wird. Dabei hat die Gilde durchaus schon Traditionen geändert“, sagt Hendrik Boldt. So hätten etwa früher nur Jungen schießen dürfen, deren Väter Mitglied der Gilde waren. Inzwischen sind alle Jungen im Alter von 10 bis 14 zugelassen.

Die ganze Stadt ist auf den Beinen

Das von der Gilde organisierte Fest in Wildeshausen rund um Pfingsten hat eine besondere Stellung in der Stadt mit rund 22.000 Einwohnern. „Mit einem normalen Schützenfest hat das nichts zu tun. Die ganze Stadt ist auf den Beinen, sie steht buchstäblich Kopf – und das eine Woche lang“, sagt Simon Bokern von „Gilde für alle“. Auch eine Verzahnung mit der Politik sei vorhanden, der Bürgermeister ist traditionell „General“ der Gilde.

Das zeigt nach Auffassung der Grünen Jugend Niedersachsen auch, wie wichtig die Gilde als Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist. Wenn darin aber „keine Frauen sind, bilden sich auch in Politik und Gesellschaft Männerklüngel“, sagt Landessprecher Lukas Kluge. „Tradition ist keine Ausrede für Diskriminierung“, betont Landessprecherin Yola Kreitlow. (lni/bel)

Weitere Artikel