TWie der Gestank am Agathenburger Schloss weichen soll

Sonnenaufgang: Blick auf den verschlammten und unter Wasserlinsengewächsen („Entengrütze“) verborgenen Teich im Schlosspark von Agathenburg. Foto: Vasel
Graf Hans Christoph von Königsmarck ließ die Teiche beim Bau seiner Agathenburger Residenz im Jahr 1655 anlegen. Heute stinken sie zum Himmel, im Herbst gibt‘s eine Sauerstoffkur.
Agathenburg. Langsam senkt sich der Wasserspiegel des Schlossteiches in Agathenburg. Das Wasser rauscht durch den Ablass unterhalb von Wirtschaftsweg und Bahnlinie ins Moor. Im Uferbereich wird das Problem so von Tag zu Tag deutlicher: Der obere und der untere Teich sind total verschlammt. In heißen Sommern rümpften die Besucher häufig die Nase. Der Fäulnisschlamm stinkt zum Himmel. Doch jetzt können die Schlossteich-Retter endlich loslegen - dank einer weiteren Finanzspritze.
Schlamm-Bagger rücken im Oktober an
Im Oktober werden die Bagger anrücken. Laut Ann-Sophie Beers von der Kulturstiftung Schloss Agathenburg sollen „etwa 4000 Tonnen Schlamm“ aus den früheren Fischteichen der um 1655 von Graf Hans Christoph von Königsmarck erbauten Schlossanlage entfernt werden. Die Sedimente sollen nach dem Ablassen der beiden Teiche mit Lkw abtransportiert werden.

Das Wasser wird abgelassen, damit die Teiche im Schlosspark im September entschlammt werden können. Foto: Vasel
Dafür müssen laut Beers allerdings zwei Öffnungen in die mächtige Feldsteinmauer unterhalb des Schlosses auf Höhe des asphaltierten Weges entlang der Bahnlinie gebrochen werden.
Der Fäulnisschlamm muss deponiert werden. Die Sulfatwerte lagen bei der Schadstoffuntersuchung ganz leicht über den Vorsorgewerten. Aus diesem Grund darf der Schlamm nicht als Dünger auf den Feldern ausgebracht werden, so der Geschäftsführende Vorstand der Kulturstiftung, Ruth Meyer.
Das alles geht ins Geld. 175.000 Euro wird die Teich-Rettung voraussichtlich kosten. Diese muss die Stiftung zum Teil aus Eigenmitteln finanzieren. Doch auch der Landkreis Stade greift ihr unter die Arme und steuert 120.000 Euro bei. Die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung ist mit 20.000 Euro von der Partie.
Wasserlebewesen sind nicht bedroht
Naturschützer können sich Demonstrationen sparen, denn die Baggerschaufeln bedrohen laut der Gutachter keine wertvollen Lebewesen. Im Gegenteil: Wenn die meterdicke Schlammschicht entfernt worden ist, wird neues Leben einziehen. „Das Ausbaggern der Teiche ist eine dringend notwendige Maßnahme, um das biologische Gleichgewicht wieder herzustellen“, sagt Beers.
Die Gewässer - gespeist durch Quellwasser von der Geest - seien vor allem durch starken Laub-Eintrag verschlammt worden. Bis zu sieben Meter ist der große Teich tief. Flora und Fauna litten unter der Sauerstoffarmut. Im Sommer stinkt es.

Blick auf das im Jahr 1655 erbaute Schloss Agathenburg. Foto: Vasel
Der durch den Dreißigjährigen Krieg steinreich gewordene Generalgouverneur der schwedischen Herzogtümer Bremen und Verden, Graf Hans Christoph von Königsmarck (1600-1663), hatte die Fischteiche im Jahr 1655 beim Bau seiner Residenz angelegt.
Teiche lieferten Fisch und Eis für den Grafen
„Im Winter wurde der Schacht des Eiskellers des Schlosses mit dem aus den Teichen herausgesägten und -gehackten Eis gefüllt, um Speisen und Getränke im Sommer zu kühlen“, sagt Kreisarchäologe Daniel Nösler. Dann ging den Königsmarcks das Geld aus. Die Familie verkaufte den Besitz im Jahr 1740 für 45.000 Taler an das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg. Seit 1986 gehört Agathenburg, benannt nach der Frau des Erbauers, dem Landkreis Stade.

Auf der Zeichnung von Jürgen Christian Findorff von 1776 sind noch der „Renaissance/Barock“-Garten (oben) und der große Teich (rechts) zu sehen. Foto: Staatsarchiv Stade
Die Teiche, einst eine Einheit, sind bereits auf einer Zeichnung des Moorkolonisatoren Jürgen Christian Findorff von 1776 zu sehen. Sein Plan wird heute im Staatsarchiv Stade aufbewahrt. Seinerzeit gab es einen Barockgarten mit künstlichen Wasserläufen sowie Nutz- und Zierpflanzen im Moor. Vermutlich kannte Königsmarck die Merian-Stiche, so Landschaftsarchitekt Joachim von Kortzfleisch.

Ansichtskarte mit Schloss Agathenburg und Teich um 1910. Foto: Archiv
Von dem prächtigen Renaissance-Garten nach dem Vorbild von Château Chenonceaux in Frankreich und der Festung Bremervörde blieb nichts. Denn dieser wurde im 19. Jahrhundert in Weideland umgewandelt. Die Fläche liegt heute auf der anderen Seite der Bahnlinie im Moor. Unmittelbar am Schloss lag zu Königsmarcks Zeiten nur ein Küchengarten. Im Jahr 1921 wurde nach dem verheerenden Schlossbrand von 1920 ein Landschaftspark im Geist der Reformzeit neu konzipiert.
Schlosspark wird in Szene gesetzt
Ruth Meyer und Kreisbaurätin Madeleine Pönitz hatten sich in den vergangenen Jahren bei der Kreispolitik für die Entschlammung der Gewässer stark gemacht - im Zuge der umfangreichen Pflegemaßnahmen im Park. Der ist für die Stiftung ein Kultur- und Erlebnisraum - ein Ort, der mit Konzerten und Kunstwerken bespielt wird.
Im Jahr 2020 wurde bereits der denkmalgeschützte Blumengarten vor dem Schloss neu bepflanzt. Auch Wege und Treppen wurden erneuert, Sichtachsen wiederhergestellt. Mittel des Amts für regionale Landesentwicklung (ArL) flossen im Zuge der Dorferneuerung. Die Holzbrücke zur Insel wurde 2019 saniert. Im August 2023 wurde ein Hinweisschild an der A26 aufgestellt.

Der Uferbereich ist verschlammt, auf dem Grund liegt ein alter Baumstamm in der Entengrütze. Foto: Vasel

Für den Abtransport der Sedimente werden zwei Öffnungen in die Feldsteinmauer geschlagen. Foto: Vasel