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Weertzen

TWut und Unverständnis: Bürger sollen mehrere tausend Euro für Hochwasser-Einsatz bezahlen

Auch am Lühe-Deich in Guderhandviertel standen rund um Weihnachten 2023 Häuser unter Wasser (Symbolbild).

Auch am Lühe-Deich in Guderhandviertel standen rund um Weihnachten 2023 Häuser unter Wasser (Symbolbild). Foto: Vasel

Heike Peukert und ihr Nachbar Patrick Meijers staunten nicht schlecht, als sie dieser Tage Post in Händen hielten. Sie sollen für den Hochwassereinsatz der Freiwilligen Feuerwehren zahlen - und das nicht wenig.

Von Kathrin Harder-von Fintel Mittwoch, 01.05.2024, 09:50 Uhr

Weertzen. Von gemütlichen Feiertagen mit der Familie konnte nicht die Rede sein: Hunderte Feuerwehrleute wurden in den Landkreisen Stade und auch Rotenburg rund um Weihnachten gebraucht, um Häuser bei Dauerregen vor dem landesweiten Hochwasser zu schützen. Und auch die betroffenen Grundstückseigentümer hatten schlaflose Nächte und Sorge, ihr Hab und Gut zu verlieren.

Ehrenamtliche und betroffene Bürger waren also pausenlos im Einsatz. Auch in Weertzen, Heeslingen und Brauel war die Lage kritisch, tausende Sandsäcke wurden gefüllt und palettenweise zu den Einsatzorten der Region gefahren, teilweise nach Rotenburg und Lilienthal. Deiche, Straßen und Gebäude wurden damit vor den Wassermassen geschützt.

Oste läuft am Birkensee in Weertzen über

Auch an der Straße Im Dorfe in Weertzen gab es jede Menge zu tun, um das Wasser der Oste von den Häusern fernzuhalten. Heike Peukert und Patrick Meijers gehören zu denen, die an den Feiertagen um ihr Zuhause bangen mussten.

Durch den lang anhaltenden Regen stieg das Wasser in Birkensee und Oste dermaßen an, dass es auf die benachbarten Grundstücke lief und den Häusern gefährlich nah kam. Die Feuerwehren waren sofort zur Stelle und machten sich vor Ort ein Bild. Die beiden freuten sich über die Hilfe der Einsatzkräfte und schwärmen bis heute von der guten Arbeit. „Sie waren so gut, dass kein Wasser ins Haus gelaufen ist. Die Sandsäcke wurden akkurat gepackt, es ist top gelaufen“, lobt der 47-Jährige die Ehrenamtlichen.

Heike Peukert und Patrick Meijers sind Nachbarn in Weertzen an der Oste. Nach dem Hochwasser an Weihnachten haben jetzt beide hohe Gebührenbescheide für den Feuerwehreinsatz bekommen.

Heike Peukert und Patrick Meijers sind Nachbarn in Weertzen an der Oste. Nach dem Hochwasser an Weihnachten haben jetzt beide hohe Gebührenbescheide für den Feuerwehreinsatz bekommen. Foto: Harder-von Fintel

Vier Monate nach dem Hochwassereinsatz flattert die Rechnung ins Haus

Doch die Freude über die Unterstützung der Einsatzkräfte wird jetzt überschattet von einem Schreiben der Samtgemeinde Zeven. Heike Peukert und Patrick Meijers erhielten eine Anhörung zum Gebührenbescheid - vier Monate nach dem Hochwassereinsatz sollen sie diesen bezahlen.

Es geht den beiden nicht darum, sich finanziell in einer Weise beteiligen zu müssen. Aber die Höhe der Kosten sorgt für großen Unmut: Peukert soll über 4.700 Euro berappen, Meijers mehr als 3.600 Euro.

Sie ärgern sich außerdem über die stille Vorgehensweise der Verwaltung. „Ich war total überrascht, dass nach vier Monaten solch eine Rechnung kommt“, erzählt der Weertzener. Er und auch seine Nachbarin wollen nicht gewusst haben, dass sie in dieser Höhe für die ehrenamtlichen Kräfte zahlen müssen. „Es geht darum, dass man vorher wissen muss, was an privaten Kosten auf einen zukommt, wenn die Feuerwehr tätig wird - wenigstens ein Hinweis“, sagt Meijers im Gespräch mit der Zevener Zeitung.

Detaillierte Kostenaufstellung für den Einsatz

Abgerechnet wird auf dem Schreiben der Zevener Verwaltung pro Kopf und halbe Stunde Arbeit. Obendrein wird jeder Sandsack mit 1,30 Euro berechnet. „Das hätten wir gerne vorher gewusst“, ärgert sich auch Heike Peukert. Dann hätten die Nachbarn vielleicht untereinander Helfer oder eine Firma organisieren können und wären dann nicht bei zusammen über 8.000 Euro gelandet. Beide haben den Fall ihrer Versicherung gemeldet. „Die waren auch sehr überrascht und kannten das so nicht. Das Ganze wird geprüft“, schildert Meijers.

Seit 13 Jahren wohnt er in dem Haus an der Oste. Solch ein extremes Hochwasser hat er bisher nicht erlebt. Sein Haus wurde zwei Tage vor Weihnachten rundherum mit Sandsäcken eingedeckt. „Wenn ich gewusst hätte, was das alles kostet, hätte ich darum gebeten, nur die Seite zur Gefahrenstelle hin abzusichern“, denkt er sich heute mit Blick auf den Brief aus Zeven.

Wut und Unverständnis kommen bei Bürgern hoch

Heike Peukert kann nur mit dem Kopf schütteln. Sie hat sich bereits in anderen Kommunen in der Region schlau gemacht, noch hat sie keine gefunden, die Gebühren nach dem landesweiten Hochwasser eintreibt. „In der Samtgemeinde Zeven sind die Hochwasseropfer doppelt bestraft.“

Sie schimpft über den hohen Gebührenbescheid, in dem die halbe Stunde pro Kopf mit 58 Euro berechnet wird. „Ich finde das extrem überzogen. Wer hat bitte einen Stundenlohn von 120 Euro? Da bekomme ich echt einen Hals“, braust die 53-Jährige auf.

Sie soll 21 Leute und 400 Sandsäcke zahlen, Meijers 9 Einsatzkräfte und ebenfalls 400 Säcke. „Das ist total schwammig, wir haben weder die Leute noch die Sandsäcke gezählt und können das gar nicht mehr nachvollziehen“, sagt der Weertzener.

Feuerwehren haben gute Arbeit geleistet

Beide spenden gerne an die Feuerwehr, geben dazu Bier aus und zahlen „meinetwegen auch ein paar hundert Euro“ an die Samtgemeinde. Aber mehrere Tausend Euro, das macht sie wütend. „Und wir haben gar nicht die Musik bestellt, sondern auf Empfehlung des Brandmeisters die Leitstelle angerufen, um vor die Lage zu kommen, wenn das Wasser steigt“, erinnert sich Peukert. „Es ist eine Unverschämtheit, den Haushalt auf Kosten der Hochwasseropfer zu sanieren“, schiebt sie nach. „Anstatt, wie anderswo üblich, Betroffenheit zu zeigen, werden sich künftig unsere Samtgemeindevertreter angesichts von großen Einsatzlagen die Hände reiben. Das finde ich inoffiziell widerwärtig, offiziell unanständig.“

Die Weertzener werden sich in Zukunft genau überlegen, ob sie alleine gegen die Wassermassen ankommen oder die Feuerwehr um Hilfe bitten, falls es wieder nass wird rund ums Eigenheim. „Da entsteht doch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, wenn sich Leute den Einsatz nicht leisten können und deshalb nicht die Feuerwehr anrufen. Das ärgert mich“, so Peukert. „Und das Wetter ist so extrem geworden, das kann jederzeit wieder passieren“, ergänzt Patrick Meijers.

So machen das andere Kommunen

Bis zum 13. Mai ist Zeit, schriftlich Stellung zum Gebührenbescheid zu nehmen. „Das werde ich auch tun“, kündigt Heike Peukert an und ist auch bereit, Klage einzureichen. Mit einem Rechtsstreit müssen andere Kommunen hingegen nicht rechnen.

So hat die Samtgemeinde Sittensen keine Gebührenbescheide verschickt und auch die Stadt Rotenburg bisher nicht. „Mit dem Hochwasser war das eine besondere Situation“, so Stefan Miesner aus dem Sittenser Rathaus und beschreibt die Frage nach der Gebührenerhebung als Graubereich. „Ich kann nicht genau sagen, ob wir das abgerechnet hätten oder nicht.“

Catrin Voigts von der Samtgemeinde Fintel hat den Bürgern keine Kosten in Rechnung gestellt. „Wenn es eine Naturkatastrophe ist, und das ist eine gewesen, dann trägt das die Allgemeinheit. Da stellen wir keine Rechnung, das ist eine Ausnahmesituation.“ Außerdem sei es ein enormer Zeitaufwand, das Ganze genau zusammenzurechen. „Sicherlich hätten wir abrechnen können, aber wir nehmen davon Abstand und bitten die einzelnen Bürger nicht zur Kasse.“

In der Gemeinde Scheeßel bekommt auch niemand Post aus dem Rathaus für den Hochwassereinsatz. „Nein, das haben wir nicht gemacht, das war eine Ausnahmesituation“, sagt Mitarbeiterin Yvonne Neumann.

In der Samtgemeinde Tarmstedt sind allerdings Gebührenbescheide für das Auspumpen von privaten Kellern verschickt worden. „Ja, sehr zum Leidwesen der Betroffenen. Aber laut Satzung ist das kostenpflichtig. Und da müssen wir uns an Recht und Gesetz halten“, erzählt Volker Stemmermann. Vom Gefühl her würde er sagen, die Tarmstedter Verwaltung hätte bei dem landesweiten Hochwassereinsatz der Feuerwehren auf den Grundstücken entlang der Gewässer kein Geld genommen. „Damit hätte ich mich auf jeden Fall schwergetan“, so Stemmermann. Solche Fälle habe es dort aber glücklicherweise nicht gegeben. Dennoch müsse das jede Verwaltung für sich abmachen.

Fragen an die Samtgemeinde Zeven

Kosten für den Einsatz sind in der Feuerwehrgebührensatzung nachzulesen. Wo kann der Bürger diese Satzung finden?

Pressesprecher Christoph Reuther: Die Grundlage der möglichen Gebührenbescheide finden sich in der Satzung der Samtgemeinde Zeven über die Erhebung von Gebühren für Dienst- und Sachleistungen der Feuerwehr außerhalb der unentgeltlich zu erfüllenden Pflichtaufgaben. Die Satzung ist auf der Seite www.zeven.de unter der Rubrik Rathaus/Veröffentlichungen/Satzungen/Samtgemeinde Zeven zu finden oder im Rathaus einzusehen.

Hätten die Hochwasseropfer vorher noch mal gesondert darüber in Kenntnis gesetzt werden können, dass der Einsatz privat zu zahlen ist? Eine technische Hilfeleistung der Feuerwehr erfolgt bei einer extremen Gefährdungslage. Sie wurde von den betroffenen Bürgern über die Leitstelle angefordert. Eine Ablehnung der Leistung aufgrund der Kostenfrage hätte dann wahrscheinlich zu starker Beschädigung bis zum Verlust von Hab und Gut geführt. Grundsätzlich werden die Bürger vom Einsatzleiter darüber informiert, dass der Einsatz kostenpflichtig ist.

Können Sie den Ärger der Anwohner nachvollziehen? Eigentum verpflichtet. Die Eigentümer haben im Vorfelde zum Beispiel für Hochwasserschutz zu sorgen, wenn es aufgrund der geografischen Lage zu Problemen kommen könnte. Weiterhin gehört auch eine Überlegung zum Abschluss einer Elementarversicherung dazu. Insbesondere Anliegern oder Eigentümern, die bereits Kenntnis haben, dass ihr Anwesen gefährdet ist, ist dringend zu empfehlen, Vorsorge für die Zukunft zu treffen. Die Aufgaben der Feuerwehr werden in Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen unterschieden. Für den Bereich der Pflichtaufgaben ist die Samtgemeinde Zeven verpflichtet, die Einsatzbereitschaft zu organisieren und entsprechend auszustatten. Im Bereich der freiwilligen Leistungen gibt es beispielsweise auch private Anbieter wie Tiefbauunternehmen, Handwerker, Fachfirmen, die einen Großteil der Leistung ausführen könnten. Die Nutzung dieser privaten Anbieter würde im Bereich der Samtgemeinde Zeven zu einer erheblichen Entlastung des Ehrenamtes bei der freiwilligen Feuerwehr führen und die Einsatzkosten würden nicht infrage gestellt werden.

Erwarten Sie ein hohes Klageaufkommen? Jeder tatsächliche Gebührenschuldner hat die Möglichkeit des Rechtsschutzes. Ich gehe fest davon aus, dass die nach einer Anhörung erteilten Gebührenbescheide rechtmäßig sind und dieses durch das Verwaltungsgericht im Klageverfahren bestätigt werden würde.

Vorsicht Hochwasser

Tipps von der Landesregierung Niedersachsen, wenn das Hochwasser bevorsteht- Handeln Sie, sobald ein Hochwasser angekündigt wird.- Beschaffen Sie Sandsäcke, Schalbretter, wasserfeste Sperrholzplatten und Silikon zum Schutz.- Sorgen Sie dafür, dass gefährliche Stoffe oder Chemikalien nicht vom Wasser erreicht werden.- Bringen Sie wertvolle Möbel oder Geräte wie Computer in höher gelegene, sicherere Räume.- Sichern Sie Heizöltanks gegen Auftrieb durch das Wasser.- Überprüfen Sie Ihre Vorsorgemaßnahmen: Haben Sie ausreichend Lebensmittel und Trinkwasser, ein batteriebetriebenes oder Kurbelradio oder auch eine funktionsfähige Taschenlampe oder einen Campingkocher?- Halten Sie Ihre Dokumentenmappe und Ihr Notgepäck bereit.- Räumen Sie Kellerräume aus, in die Grundwasser eindringen kann.- Im Haus: Kontrollieren Sie die Rückstauklappen im Keller, bevor das Wasser ansteigt. Es ist lebenswichtig, sich während eines Hochwassers nicht im Keller aufzuhalten.- Versiegeln Sie Fenster, Türen und Abflüsse sorgfältig.- Schalten Sie elektrische Geräte und Heizungen in Räumen, die überflutet werden könnten, ab. Denken Sie dabei immer an die Gefahr eines Stromschlags. In bestimmten Situationen könnte es notwendig sein, die Stromzufuhr komplett zu unterbrechen, indem Sie die Sicherungen herausnehmen.

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