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Stammzellenspende

T25-Jährige wird zur Lebensretterin – in Italien

Mit 18 Jahren ließ sich Luisa Nisler bei der DKMS als Stammzellspenderin registrieren. Foto: Keck

Mit 18 Jahren ließ sich Luisa Nisler bei der DKMS als Stammzellspenderin registrieren. Foto: Keck Foto: Keck

Bei Luisa Nisler löste der Bescheid ein emotionales Auf und Ab aus: Sie könne einem krebskranken Patienten in Italien das Leben retten. Nach der Stammenzellenspende wartet sie nun erneut auf emotionale Post.

Von Lennart Keck Dienstag, 12.12.2023, 10:20 Uhr

Otterndorf. Alle zwölf Minuten erhält in Deutschland ein Mensch die Diagnose Blutkrebs - weltweit sogar alle 27 Sekunden. Ohne eine lebensrettende Stammzellspende können viele Patienten nicht überleben. Das wusste auch Luisa Nisler aus dem Kreis Cuxhaven, als sie sich 2016 an einem Stand der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) registrieren ließ: „Im Fernsehen und in den Nachrichten hört man immer wieder, dass ständig Stammzellspender gesucht werden. Deshalb habe ich gar nicht lange überlegt“, betont Luisa Nisler heute.

Ein unverhofftes Paket für die 25-Jährige aus dem Kreis Cuxhaven

Sieben Jahre sind seit der Registrierung vergangen. Anfang des Jahres dann die Überraschung: Per Post erhielt die 25-Jährige völlig unerwartet ein Blutentnahme-Set mit der Bestätigung, dass ihre Gewebemerkmale mit denen eines Patienten in Italien übereinstimmen. „Ich hatte gar nicht mehr damit gerechnet, noch einmal Post von der DKMS zu bekommen. Schließlich ist die Wahrscheinlichkeit, überhaupt als Spender in Frage zu kommen, sehr gering“, wundert sich die Otterndorferin. Tatsächlich erklärt die DKMS auf ihrer Internetseite: „Nach unserer Erfahrung kommt es bei etwa ein Prozent der registrierten, potenziellen Stammzellspender zu einer Stammzellspende. Innerhalb des ersten Jahres liegt die Wahrscheinlichkeit bei 0,2 Prozent.“ Ihre kurzfristige Überforderung mit der Situation blendete die 25-Jährige schnell aus, denn sie wusste: Hier geht es um ein Menschenleben. Noch am selben Tag ging sie mit dem Blutentnahme-Set zu ihrer Hausärztin.

Spenderin aus Kreis Cuxhaven und Empfänger in Italien bleiben Unbekannte

Wer der Empfänger ist, weiß Luisa Nisler nicht. Nur wenige Details wurden ihr bis zum Tag der Spende zugetragen. Erst nach einem Jahr wird sie erfahren, ob die Spende erfolgreich war. In Deutschland haben Spender nach zwei Jahren die Möglichkeit, mit dem Empfänger Kontakt aufzunehmen. Da die Spenden in Italien jedoch anonym bleiben müssen, wird Luisa Nisler ihren Empfänger nie kennenlernen. Lediglich ein einmaliger anonymer Briefwechsel ist nach zwei Jahren möglich. Luisa Nisler bedauert diese Umstände, hofft aber, dass sich die Situation noch ändern wird.

Ein emotionales Auf und Ab

Trotz der guten Absicht ihrer Tat war Luisa Nisler in der Zeit vor ihrer Spende immer wieder negativen Stimmen ausgesetzt. Menschen fragten sie, ob sie keine Angst hätte, für wen sie denn spenden würde: „Ich bin der letzte Mensch, der entscheidet, wer eine Spende verdient hat und wer nicht“, antwortet die 25-Jährige. „Wenn jemand auf der Straße liegt, rufe ich schließlich auch den Notruf.“ Einige verstanden auch nicht, wie sie sich zu dieser Spende ohne Gegenleistung habe bereit erklären können. Nisler kann das nicht nachvollziehen. Schließlich gab man ihr die Möglichkeit, ein Menschenleben zu retten, und „das ist viel wertvoller als Geld“, betont sie.

Einige Tage vor der Spende musste sie sich zweimal am Tag selbst spritzen, um die Stammzellen, die sich im Knochenmark befinden, ins Blut zu lösen. Denn Nisler entschloss sich für die periphere Stammzellentnahme, bei der die Zellen aus dem Blut gewonnen werden. Auch zu diesem Zeitpunkt dachte Luisa Nisler nie daran, den Eingriff abzubrechen.

Es gibt zwei verschiedene Methoden, Stammzellen zu spenden. Die 25-Jährige entschied sich für die periphere Stammzellentnahme, bei der die Stammzellen aus dem Blut gewonnen werden. Foto: Nisler

Es gibt zwei verschiedene Methoden, Stammzellen zu spenden. Die 25-Jährige entschied sich für die periphere Stammzellentnahme, bei der die Stammzellen aus dem Blut gewonnen werden. Foto: Nisler Foto: Nisler

Emotional waren die Umstände für Luisa Nisler zeitweise sehr belastend. Sie malte sich verschiedene Szenarien aus, in denen sich ihr Empfänger gerade befinden könnte: „Was, wenn er ein Familienvater ist, sein Kind kommt in die Schule und er erlebt es nicht mehr. Und ich jammer hier wegen einer Spritze.“ Doch gerade in solchen Momenten hätten die Ansprechpartner der DKMS ständig ihre Bereitschaft gezeigt, immer wieder angerufen und sie beruhigt. „Die Leute dort stehen wirklich hinter dem, was sie tun und geben sich viel Mühe“, schwärmt die 25-Jährige im Nachhinein.

Spenderin aus Kreis Cuxhaven ist sich sicher: „Ein Zahnarztbesuch ist ekliger“

Als der Tag der Spende kam, wurde die Otterndorferin in eine Klinik bestellt. 300 Minuten lang wurde ihr Blut über ihre Arme zirkuliert. Die Stammzellen wurden in einem Behälter gesammelt. Mit fünf Stunden dauerte der Eingriff so lange wie maximal erlaubt. Das war nötig, weil sie besonders viele Stammzellen abgeben musste.

Im Nachhinein ist sich Luisa Nisler sicher: Sie würde jederzeit wieder spenden: „Ein Zahnarztbesuch ist ekliger.“ Nach dem Eingriff sei sie lediglich ein wenig erschöpft gewesen. Die angefallenen Kosten wie Hotel, Verpflegung, Fahrt zur Klinik sowie der Lohnausfall übernahm die Organisation.

Für die Zukunft wünscht sie sich, dass das Thema wieder mehr in den Fokus rückt und sich mehr Menschen bei den Stammzellspenderdateien registrieren lassen. „Ich kann es wirklich nur jedem empfehlen“, betont sie. „Es gibt so viele Menschen, die Hilfe brauchen.“

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