TZwei „ehrenwerte“ Familien bekämpfen sich bis aufs Messer

Der Clan-Prozess vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Stade hält Justiz und Polizei auf Trab. Foto: Vasel
Die Stimmung im Clanprozess bleibt explosiv. Ein Zucken der Gesichtsmuskeln eines Bruders des Angeklagten in Richtung Zuschauerreihen reicht, um die Al-Zeins zu provozieren.
Stade. Ein älterer Bruder des Angeklagten sagte nun im Clanprozess vor der 1. Großen Strafkammer aus. Der 49-Jährige war an den Vorfällen in der Stader Innenstadt und am Salztor nicht beteiligt. Aber er sammelte nach der tödlichen Eskalation seinen Bruder in der Nähe von Kaufland ein und fuhr mit ihm nach Hamburg.
Zunächst lobte der Zeuge vor Gericht das Verhältnis seiner Familie zu den Al-Zeins, und sprach sein Beileid aus. „Das sind nette und ehrenhafte Leute“, sagte er und verwies darauf, dass die Familien über zwei Linien miteinander verwandt seien. „Wir sind keine Feinde, keine Clans. Der Tod von Kahled R. sei „tragisch für uns alle“.
Angriff auf das Sportgeschäft in der Hökerstraße
Er schilderte die Ereignisse in Buchholz Ende 2023, in deren Verlauf in der Praxis des Angeklagten ein Schuss gefallen war; erzählte, dass sich die Familien wieder versöhnt hätten, dass alles okay gewesen sei. Dann kam es am 22. März 2024 zum Angriff der Al-Zeins auf das Sportgeschäft eines Miri-Bruders in der Hökerstraße. Der 49-Jährige machte sich daraufhin auf den Weg nach Stade, wo derweil sich die Gewaltorgie fortsetzte - und tödlich endete.
Für ihn sei es unerklärlich, wie es so weit kommen konnte, erklärte er. In das Haus der Al-Zeins einzudringen, in dem sich zu der Zeit nur Frauen und Kinder befanden, sei unverzeihlich. Zu dem tödlichen Messerstich am Salztor sagte er: „Ich hätte auch meinen Bruder schützen wollen.“ Damit folgte er der Version des Angeklagten: Er habe seinen Bruder retten wollen, auf den mehrere Al-Zeins eingeschlagen hätten. Daher habe der Beschuldigte mit einem Messer zugestochen - vermeintlich in die Schulter. Doch das Messer drang in den Kopf des Opfers ein. Der 35-Jährige starb noch am Tatort.
Auf Provokation folgt Schimpftirade im Gerichtssaal
Als die Verhandlung für eine kurze Pause unterbrochen wurde, stand der 49-Jährige auf und drehte sich zu den hinter einer Glasscheibe sitzenden Zuschauern. Ein kaum merkliches Zucken seiner Gesichtsmuskulatur reichte, und die Al-Zeins sprangen von den Stühlen auf. Eine Schimpftirade auf Arabisch folgte und die Justizmitarbeiter hatten alle Hände voll zu tun. Einer der beiden Nebenkläger, Brüder des Getöteten, beruhigte: „Er hat seine Show gehabt, ist gut.“
Thema war auch, dass es im Vorwege der Bluttat am Schiffertor Hinweise auf eine Bewaffnung der Al-Zeins gegeben haben soll. Bereits Anfang Januar war das zur Sprache gekommen. Damals berichtete ein Polizist, einer der Miri-Brüder habe die Beamten darauf hingewiesen, dass einer der Al-Zeins eine Waffe im Hosenbund trage. Nun wurde ein weiterer Polizeibeamter befragt.
Staatsanwältin kritisiert spekulative Befragung
Verteidiger Dirk Meinicke nahm den Beamten in die Mangel; fragte, ob der Zeuge im Geschäft der Al-Zeins in der Großen Schmiedestraße repressiv oder präventiv vorgegangen sei; ob er eine Gefährderansprache gemacht habe oder die Beteiligten über einen Anfangsverdacht in Kenntnis gesetzt habe. Und schließlich fragte Meinicke nach den Schusswaffen.
Er könne das nicht bestätigen, so der Polizeibeamte. Der Verteidiger hakte nach, ob eine Kenntnis der Waffen Einfluss auf sein weiteres Vorgehen gehabt hätte. Ohne konkrete Hinweise auf den Besitzer nicht, so der Beamte. Staatsanwältin Dawert schritt ein und warf dem Strafverteidiger vor: „Das ist spekulativ, was Sie hier machen.“ Meinicke beantragte die Vereidigung des Beamten, was die Strafkammer nach kurzer Beratungspause ablehnte.
Das Verfahren vor der 1. Großen Strafkammer wird am Freitag, 16. Mai, 9.30 Uhr fortgesetzt.