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Spielsucht

TZwischen Wohlfühloase und Verzweiflung: Die dunkle Seite der Spielotheken

Der hypnotisierende Charme eines Spielautomaten, eingefangen in einem Moment der Spannung und Hoffnung.

Der hypnotisierende Charme eines Spielautomaten, eingefangen in einem Moment der Spannung und Hoffnung. Foto: Katharina Hopp

In den Spielotheken werden nicht nur Getränke serviert, sondern auch Hoffnungen verspielt. Ein Blick hinter die glitzernde Fassade der Automaten enthüllt eine gefährliche Realität. Wie die Utopie der Spielotheken zur Gefahr wird.

Von Katharina Hopp Samstag, 09.12.2023, 10:00 Uhr

Bremerhaven. Der Winter zeigt auf der Hafenstraße in Bremerhaven sein raues Gesicht. Hier gibt es Wettbüros, Kneipen ausgestattet mit Spielautomaten und Kiosks, die mit einer zahlreichen Auswahl von Rubbellosen zum Gewinnen einladen. Das Glücksspiel floriert.

Die Faszination von Rubbellosen, wo Glück und Gewinn hinter jedem Kratzer verborgen liegen.Foto: Johanna Lindenau

Die Faszination von Rubbellosen, wo Glück und Gewinn hinter jedem Kratzer verborgen liegen.Foto: Johanna Lindenau Foto: Johanna Lindenau

Die drei Spielotheken in der Straße bieten hier eine warme Wohlfühloase. Drinnen klimpert und blinkt es in allen Ecken. Dazu gibt es Getränke und manchmal sogar Snacks von einer Angestellten mit langem Pferdeschwanz und gestriegelter Uniform.

Ein Paradies - wäre da nicht das ganze verlorene Geld. Bei manchen fließt das Einkommen schneller in die Automaten, als es wieder reinkommen kann. Spielsucht ist hier nicht nur Realität, sondern oft ein Weg in die Schulden. Das zwanghafte Verlangen nach Glücksspiel gehört zu den drei häufigsten Schuldengründen in Deutschland. Laut dem Schuldenatlas des Wirtschaftsauskunft-Unternehmen Creditreform ist in Bremerhaven fast jeder Fünfte verschuldet. In keiner Stadt und keinem Landkreis in Deutschland sind es mehr Menschen.

Ursachen und Symptome von Spielsucht

Spielsucht hat viele Facetten. Eileen Strupat ist die Leiterin der Fachambulanz für Suchtprävention und Rehabilitation des Caritasverbandes in Bremen. Ihr Job ist es, Menschen aus der Spielsucht zu helfen.

Wenn das Spielverhalten negative Auswirkungen auf das Leben hat, das Spielen nicht aus dem Kopf geht und man nicht mehr damit aufhören kann, sollten die Alarmglocken klingen. Die 29-Jährige erklärt: „Alle Kriterien müssen zutreffen, um von einer Sucht sprechen zu können.“

Das Suchtdreieck

Grafik: NZ

„Es gibt ein Modell, das sogenannte Suchtdreieck“, sagt Eileen Strupat. Dort werden drei Faktoren aufgeführt, die ein Suchtverhalten fördern könnten, wenn sie in einem ungünstigen Moment aufeinandertreffen. Auslöser können zum Beispiel Schicksalsschläge sein.

Das eigentliche Problem geht dabei viel tiefer. So sind Süchte - wie das zwanghafte Glücksspiel - immer Symptome eines anderen Problems, die sich lediglich in dieser Facette äußern.

Wie Spielsucht im Gehirn verankert wird

Die Sozialarbeiterin erklärt: „In den Belohnungszentren unseres Gehirns kann das Suchtverhalten sehr gut andocken.“ Die angenehme Atmosphäre der Spielotheken unterstützt diese berauschende Wirkung.

„Die Reize, mit denen die Automaten ausgestattet werden - das Blinken, die Geräusche und die Dunkelheit - das ist alles etwas, was das Belohnungssystem abspeichert“, betont Eileen Strupat. Die positiven Gefühle der gewonnenen Centbeträge brennen sich in das Gedächtnis ein, sodass die zuvor verlorenen zehn Euro schnell vergessen sind.

Abgetaucht in die Welt der Automaten

In der Spielothek ist man abgeschottet von der Außenwelt. Das Leben kann ausgeblendet werden. Der Kopf wird ausgeschaltet. Der Blick schweift ab. Im Grund muss man nicht mal einen Knopf bedienen, denn der Automat kann auf Autopilot gestellt werden. Ob „Eye of Horus“, „fishin‘ frenzy“ oder eines der anderen zahlreichen Spiele. Alle verfolgen dasselbe Ziel: Die Konsumenten sollen möglichst viel Geld in den Automaten stecken.

Die Hafenstraße im Winterkleid: Eine Straße, gesäumt von Versuchungen, wo Spielotheken und Wettbüros mit vermeintlichen Gewinnen locken.Foto: Levin Meis

Die Hafenstraße im Winterkleid: Eine Straße, gesäumt von Versuchungen, wo Spielotheken und Wettbüros mit vermeintlichen Gewinnen locken.Foto: Levin Meis Foto: Levin Meis

Und das funktioniert - die meisten Spieler sitzen einsam vor ihren Geräten. Manche spielen sogar an zwei oder drei Automaten gleichzeitig. „Patienten sehen dieses Blinken im Alltag oder träumen sogar nachts davon“, erzählt Eileen Strupat. Die Automaten fesseln die Betroffenen mit allem Mittel. Die dabei entstehenden Schulden sind zwar belastend, kommen aber gegen den Suchtdruck nicht an.

Die Verzweiflung ist in den Spielotheken dennoch spürbar. Jemand schlägt wütend auf den Automaten ein. Ein anderer steht auf und besorgt sich am Geldautomaten die nächsten Scheine. Die Hoffnung auf den großen Gewinn stirbt zuletzt.

Warnsignale erkennen - aus der Spielsucht ausbrechen

„Wenn das Suchtmittel eine Funktion bekommt, wird es gefährlich“, warnt die 29-Jährige. Wird das Spielen also zum Kompensieren von beispielsweise Stress oder Langeweile genutzt, sollten erste Schritte eingeleitet werden. Die erste Anlaufstelle können Suchtberatungsstellen, wie die der Caritas oder anderen Trägern sein. Auch eine ambulante oder stationäre Therapie stellen Wege aus der Sucht dar.

Die Hilfe sollte jedoch im besten Fall nicht erst in Anspruch genommen werden, wenn die Schulden sich gehäuft haben. Erste Anzeichen einer Sucht sollten nicht ignoriert werden.

Falsche Scham ist hier Fehl am Platz. Im Gegenteil, denn Eileen Strupat sagt: „Wir freuen uns immer total, wenn Menschen es vorzeitig und frühzeitig herkommen.“ So kann das schlimmste noch verhindert werden und die Wohlfühloase der Spielothek entlarvt werden.

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