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Richter in L.A.

TAb auf die Fähre: Vom idyllischen Anleger in den Beach-Club nach Wedel

Ute Bülau, Geschäftsführerin der Lühe-Schulau-Fähre, mit einer Stammkundin: Dr. Petra Schneider pendelt täglich mit Fähre und Rad zur Arbeit im Medizinischen Versorgungszentrum Stade.

Ute Bülau, Geschäftsführerin der Lühe-Schulau-Fähre, mit einer Stammkundin: Dr. Petra Schneider pendelt täglich mit Fähre und Rad zur Arbeit im Medizinischen Versorgungszentrum Stade. Foto: Anping Richter

Abends wird es still auf dem Ponton am Lühe-Anleger. Nur Möwen und Wellen sind zu hören - und das Klirren der Weingläser. Das Kontrastprogramm erlebt TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter tags darauf bei einem Ausflug mit der Fähre zum anderen Elbufer. Tag fünf am L.A.

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Von Anping Richter
Freitag, 26.07.2024, 05:50 Uhr

Altes Land. Der Ponton am Lühe-Anleger ist ein ganz besonderer Ort, findet Sylke Oehr. Dort betreibt sie seit 20 Jahren den Wellenreiter-Imbiss. Kurz nach 19 Uhr legt am L.A. die letzte Fähre an. Dann legt sich Ruhe über den Anleger. Das schätzen auch ihre Stammgäste. „Oben ist es uns viel zu laut“, sagt Antje Voss. Sie und ihr Mann Michael treffen sich hier regelmäßig mit einer Freundesrunde auf ein Glas Wein. Mit von der Partie sind an diesem Mittwochabend Helmut und Mayke Willuhn, Andrea Tamke und Werner Jelinek.

Wenn der Katamaran vorbeifährt, schaukelt der Ponton

Gerade ist der Helgoland-Katamaran Halunder vorbeigefahren, jetzt kommen die Wellen. Der Ponton schaukelt unter den Füßen. Was die Stammgäste an diesem Ort so schätzen? „Es ist ein notdürftiger Ersatz für einen Biergarten“, scherzt Werner Jelinek, der aus Bayern stammt. Der Wein sei toll und der Flammkuchen auch, ergänzen Antje und Michael Voss. Sie müssen es wissen: Die beiden betreiben die Gastronomie im Hof Bellmann in Nottensdorf.

Sie genießen den Sonnenuntergang an der Elbe auf dem Ponton: Helmuth und Mayke Willuhn, Wellenreiter-Wirtin Sylke Oehr, Andrea Tamke, Werner Jelinek und Michael und Antje Voss.

Sie genießen den Sonnenuntergang an der Elbe auf dem Ponton: Helmuth und Mayke Willuhn, Wellenreiter-Wirtin Sylke Oehr, Andrea Tamke, Werner Jelinek und Michael und Antje Voss. Foto: Anping Richter

Wellenreiter-Wirtin Sylke Oehr gehört auch zur Freundesrunde, berichten sie: „Wenn wir ihr eine Postkarte schicken, schreiben wir als Adresse ‚Lühe-Ponton, Tonne 117‘.“ Gemeint ist die grüne Tonne, die nur wenige Meter entfernt im Wasser schaukelt: Hier beginnt die Fahrrinne. Die Schiffe sind ganz nah, der abendliche Rummel an den Buden wirkt fern. Der Anleger und die Brücke, die jetzt bei Hochwasser fast waagerecht zum Ponton führt, trennen den Wellenreiter vom Rest des Geländes.

Getränkekisten bringt die Wirtin nur bei Hochwasser auf den Ponton

Sylke Oehr nutzt das Hochwasser, um die Getränkekisten mit der Sackkarre zu ihrem Imbiss auf dem Ponton zu bringen. Bei Niedrigwasser steht die Brücke zum Ponton viel zu steil dafür. Die Hälfte des Pontons, an dem die Lühe-Schulau-Fähre an- und ablegt, hat Sylke Oehr vor 20 Jahren für ihren Imbiss gepachtet.

„Ich habe schon immer gesagt: Wenn alle Stricke reißen, mache ich eine Hot-Dog-Bude am Lühedeich auf“, sagt sie. Und so geschah es. Vorher war sie Schriftsetzerin beim TAGEBLATT und davor Konditorin. Letzteres merken die Gäste an ihren immer selbst gebackenen Kuchen - heute war es Stachelbeer-Baiser. Bis heute bietet sie vier Sorten Hot-Dogs an.

Die Wein-Runde beobachtet gerne Robben und Segelboote

Die Freunde auf dem Ponton prosten sich zu, während im Hintergrund zwei Segelboote hart am Wind kreuzen. Manchmal sehen sie von hier aus Robben. Die Elbe - dazu gehört Natur, auch rauhe. Davon kündet das Rettungsboot der DLRG, das am Ponton bereitliegt. Jedenfalls, wenn es nicht auf Schlick sitzt. Das passiert seit der letzten Elbvertiefung immer öfter, berichtet Sylke Oehr.

Bei Niedrigwasser ist die Brücke zum Ponton extrem steil.

Bei Niedrigwasser ist die Brücke zum Ponton extrem steil. Foto: Anping Richter

Auch der Ponton setzt bei Niedrigwasser immer häufiger auf und steht dann schief. Zum Glück hat Oehr einen Freund, der Schlepperfahrer ist und dann zur Hilfe eilt: „Der bindet sich hier fest, gibt richtig Vollgas, und die Schraube spült den Schlick weg.“ Zwei Mal war er in diesem Jahr schon da. Für sie macht er das gratis.

Wenn die Fähre wegen Verschlickung trocken fällt

Schlick ist auch für die Lühe-Schulau-Fähre ein Problem, berichtet tags darauf, am Donnerstag, Ute Bülau, die Geschäftsführerin. Der Inhaber des Anlegers lässt ihn nur einmal im Jahr freispülen. Sie hat dafür Verständnis, denn es ist teuer. Kapitän Carsten Cornelius bringt die Verschlickung wortwörtlich um den Schlaf: Am Yachthafen Grünendeich, auch Pio-Platz genannt, wo die Fähre ihren Nacht-Liegeplatz hat, fällt sie regelmäßig trocken. Alle zwei bis drei Wochen müssen er und seine Kollegen darum mitten in der Nacht hinaus, um sie rechtzeitig zum Anleger zu bringen.

Zum Pio-Platz kann die Fähre nur bis zwei Stunden vor Niedrigwasser fahren und nur zwei Stunden vor Niedrigwasser weg. Die Schraube hat der Schlick in diesem Jahr auch schon einmal verstopft, so dass die Lühe-Schulau-Fähre ausfiel. Eine Katastrophe ist das für Pendler wie Dr. Petra Schneider, die um 14 Uhr in Lühe an Bord geht. „Dann müssen wir den Elbtunnel nehmen“, sagt die Gefäßchirurgin, die sechs Kilometer von Schulau entfernt wohnt und täglich mit Fahrrad und Fähre zur Arbeit im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Stade pendelt.

Eine Ärztin pendelt täglich von Wedel nach Stade und zurück

Um 6 Uhr fährt sie zu Hause los, spätestens um 7.45 Uhr ist sie im MVZ. „Für mich ist das ein Luxus“, sagt die Ärztin. „Ich entspanne mich hier erst zur Arbeit und dann wieder von der Arbeit.“ Die fast 40 Pendler, die täglich zwischen Lühe und Schulau unterwegs sind, kennen sich gut. „Wenn mal einer nicht kommt, sagt er Bescheid, damit sich die anderen nicht sorgen“, berichtet Petra Schneider. Ihre beste Freundin, die auch Petra heißt, hat sie übrigens auch auf der Fähre kennengelernt.

Das Parken an Bord muss gut durchdacht werden: Kapitän Carsten Cornelius weist die Radfahrer ein.

Das Parken an Bord muss gut durchdacht werden: Kapitän Carsten Cornelius weist die Radfahrer ein. Foto: Anping Richter

Mit Petra Schneider gehen in Wedel viele Fahrradfahrer von Bord. An sonnigen Nachmittagen wie diesem sind vor allem Touristen unterwegs. Der Anleger ist groß, modern und barrierefrei. Dahinter liegt das Schulauer Fährhaus mit der Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft, wo die Schiffe auf ihrem Weg nach Hamburg seit 60 Jahren per Lautsprecher mit ihrer Nationalhymne begrüßt werden. Links davon beginnt die neue Promenade von Schulau.

Die neue Promenade in Schulau wird ein gewaltiges Bauwerk

Noch ist sie nicht fertig, aber schon ein gewaltiges Bauwerk. Der Kontrast zum grünen Deich am L.A. könnte nicht größer sein: Hier werden Millionen von Euro und viel Beton verbaut, um eine maritime Meile zu schaffen - mit Hunderten Metern Spundwänden und tribünenartigen Treppen, die auch als Wellenbrecher und Flutschutz dienen. „Hier sah es aus wie in Armageddon, wenn die Wellen bei Sturmflut bei den Häusern gegen die Mauern schlugen“, berichtet der Mann in der Würstchenbude.

Am Ende der Promenade liegt ein Park, in dem eine Holzwand mit einem Tor und einem Schild steht: „28Grad - Strandbad Wedel“. Dahinter liegt eine andere Welt: Auf feinem Sand lümmeln sich Menschen jeden Alters in Liegestühlen und Korbsofas. Großzügige Holzterrassen führen zur Elbe hinunter, an den Tischen sitzen unter Sonnenschirmen Leute mit bunten Getränken, Pizza und Pommes. Der Club liegt im Schatten der alten Bäume des Parks, ein großer Spielplatz gleich nebenan. Dazu kommen 70 Palmen, die die Betreiber aufgestellt haben.

Im Beachclub 28Grad in Wedel genießen Tatiana und Vera mit den Füßen im Sand kühle Drinks und den Blick auf den Elbstrand.

Im Beachclub 28Grad in Wedel genießen Tatiana und Vera mit den Füßen im Sand kühle Drinks und den Blick auf den Elbstrand. Foto: Anping Richter

Der Clou ist der schöne Sandstrand an der Elbe dahinter: Kinder planschen im Wasser, Menschen in Bikini oder Badehose liegen unter Schirmen in Liegestühlen. Die gibt es im Strandbad gratis, und auch die Getränke können gegen Pfand mitgenommen werden. 25 Minuten hat die Lühe-Schulau-Fähre nur gebraucht. Der Ausflug lohnt sich.

Richter in L.A. - der fünfte Tag. Fähre, Anleger, Wellenreiter, Beach-Club.

Richter in L.A. - der fünfte Tag. Fähre, Anleger, Wellenreiter, Beach-Club. Foto: Anping Richter

Serie: Richter in L.A.

2022 stand TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter im Kiosk hinter der Theke und im vergangenen Jahr heuerte sie auf der Elbfähre an. In diesem Sommer erobert sie L.A. - aber nicht in den USA, sondern im Alten Land. L.A. nennen die Altländer ganz liebevoll den Lühe-Anleger in Grünendeich. Von Gastronomie bis Fähre, von Tourist bis Deichschäfer - was sie dabei täglich erlebt, lesen sie im TAGEBLATT und auf TAGEBLATT online.

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