TAltländer wollen alte Häuser durch neues Leben retten

Der Umbau des Bauernhauses zu einem Mehrfamilienhaus in der Dorfstraße 152 in Mittelnkirchen ist laut Bürgermeister und Verein Baukultur ein positives Beispiel. Foto: Vasel
Wie können alte Häuser im Alten Land erhalten, neu nutzbar genacht werden? Darüber diskutierten Experten in Grünendeich. Es gab mehrere positive Beispiele - und ein negatives.
Steinkirchen. Seit Jahrhunderten prägt giebelständiges Bauen mit rotem Backstein und steilen Satteldächern die Kulturlandschaft des Alten Landes. Das Problem: Ein Großteil des Raums in vielen Altländer Bauernhäuser ist heute Luftraum. Obstbaubetriebe können die Speicher nicht nutzen. Sie stammen noch aus der Zeit, als Viehhaltung und Getreideanbau eine wichtige Rolle spielten. Häufig leben heute nur ein oder zwei Personen in den Häusern.
Lediglich eine neue wirtschaftliche Nutzung könne den Erhalt der zum Teil denkmalgeschützten Häuser langfristig sichern, ist der Vorsitzende des Vereins Forum BauKulturLand, Architekt Lothar Tabery, überzeugt.
Die Bürgermeisterin der Gemeinde Steinkirchen, Sonja Zinke (CDU), setzt auf das Dorfentwicklungsprogramm. Immobilieneigentümer können voraussichtlich ab 2026/2027 Fördermittel für Reetdachsanierung beantragen, es winken aber auch Gelder für die Umnutzung - zu Wohnraum, Ferienwohnungen, Büros sowie Hofläden und -cafés.
Zinke appellierte an das Land, deutlich mehr Fördermittel bereitzustellen. Ein Ziel der Dorfentwicklung ist der Erhalt der Baukultur und der ortsbildprägenden oder landschaftstypischen Bausubstanz vor 1920.
Neo-Zuckerbäckerstil passt Freunden der Baukultur nicht
Ein sehr gutes Beispiel für die Umnutzung eines alten Bauernhauses sei das Haus Dorfstraße 152 in Mittelnkirchen, so Bürgermeister Joachim Streckwaldt (CDU). Hier wurde Wohnraum auch im früheren Wirtschaftsbereich geschaffen. Bei einer Abstimmung unter den Besuchern der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung des Vereins im Dorfgemeinschaftshaus Zur Schönen Fernsicht in Grünendeich fiel ein Projekt durch.

Zuckerbäckerstil: Der Verein Baukultur und die Besucher fällten ein negatives Urteil zur neuen Giebelverkleidung dieses Hauses in Mittelnkirchen. Foto: Vasel
Im Ort 5 in Mittelnkirchen hatte das Buxtehuder Unternehmen Schulenburg Architekten ein neues Mehrfamilienhaus am Lühe-Deich errichtet und gleichzeitig die alte Fassade des von dem Landwirt Rudolph Feindt im Jahr 1910 errichteten Wohn- und Wirtschaftsgebäudes erhalten. Hinter dieser entstand ein modernes Wohnhaus mit sechs Wohnungen.
Die moderne Verkleidung der Giebels im Zuckerbäckerstil passt laut Tabery „überhaupt“ nicht zu dem Haus. Es ist ein Relikt aus der Übergangszeit zwischen dem Historismus und der Heimatschutzarchitektur. Diese griff zu Beginn des 20. Jahrhunderts einige Elemente traditioneller Architektur auf, ohne die alten Baustile detailgetreu nachzuahmen.
Der Verein Baukultur appellierte auch mit Blick auf das Beispiel an Politik, aber auch Investoren und Privateigentümer, die Fachkompetenz der früheren Architekten und Stadtplaner zu nutzen - vor Bauantrag und B-Plan-Verfahren.
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Das lohne sich, machte der Bürgermeister von Hollern-Twielenfleth, Dirk Thobaben (CDU), am Dienstag deutlich. Er verwies auf das Projekt Familienhof Blütendiek in Twielenfleth. Dort sollen in der Straße Am Deich 48 acht Mehrfamilienhäuser mit bis zu 38 Wohneinheiten errichtet werden - auf einem früher zum Schloss Agathenburg gehörendem Obsthof.
Vor dem Start des ergebnisoffenen Bebauungsplanverfahrens hatte sich der Rat den Verein ins Boot geholt. Es gab zwei Workshops. Ergebnis: Das Stader Bauunternehmen Lindemann übernahm Vorschläge - wie autofreies Wohnen durch eine Verlegung der Zufahrt und die Verteilung und Ausrichtung der Gebäude. „Das ist ein tolles Beispiel“, sagte Tabery.
Altländer Bauernhäuser zu Mehrfamilienhäusern umwandeln
Die Bürgermeister von Neuenkirchen und Guderhandviertel, Gerd Grunwald (Grüne) und Marco Hartlef (CDU), warben in der Fernsicht für mehr seniorengerechtes Wohnen. In Guderhandviertel entsteht ein zwei Hektar großes Wohngebiet - für junge Familien und Senioren. Als Erschließungsträger wird ein regionales Finanzinstitut auftreten.
Mit dem Wohnprojekt für Senioren wollen die Altländer erreichen, dass ältere Mitbürger im Kreise von Familie, Freunden und Bekannten im Ort alt werden können. Müller bedauerte, dass das Projekt Smart City in Grünendeich gescheitert sei.
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Hartlef hofft, dass einige ihre großen Einfamilienhäuser mit Garten gegen eine kleine Wohnung am Blütenweg tauschen. Junge Familien könnten in die alten Häuser einziehen und diese sanieren. Die Altländer setzen auf das KfW-Programm „Jung kauft Alt“ oder altersgerechtes Wohnen.
Auch die Umwandlung Altländer Bauernhäuser in Mehrfamilienhäuser sei eine Option, die verfolgt werden müsse, um Häuser und den Charakter der Deich- und Straßenhufendörfer zu erhalten.

Schöner als die Obstgemeinschaftsbrennerei: Blick auf die neue Obsthalle an der Dollerner Straße in Guderhandviertel. Foto: Vasel
Die Altländer wollen ihr Erbe bewahren, ein Museum wollen sie nicht sein. „Bewahren ohne Stillstand“, gab der Grünendeicher Bürgermeister Nikolai Müller (CDU) als Devise aus. Gestaltungssatzungen ließen nun auch Photovoltaikanlagen zu.
Mehr Wohnen und mehr Gewerbe sei auch notwendig, um die kommunalen Finanzen zu sichern. Guderhandviertel wird an der Dollerner Straße (L125) in Guderhandviertel zwei Hektar neu ausweisen, die neue Halle des Obstgroßhändlers Hauschildt am Ortseingang sei auch architektonisch eine Verbesserung. Der Streit ist beigelegt. Dass der Verein auch beim Konflikt um die Ortsdurchfahrt (L140) die Wogen glätten könnte, schloss Zinke nicht aus.
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