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Gericht

TAngeblich versuchter Mord: Genetischer Fingerabdruck verfälscht?

Schild am Eingangsportal des Landgerichtes in Stade.

Am Stader Landgericht fand der dritte Verhandlungstag des Prozesses statt. Foto: dpa

In dem Strafverfahren gegen einen 32-Jährigen, der angeblich versucht haben soll, das Haus seiner Eltern in die Luft zu sprengen, setzte das Landgericht Stade die Verhandlung fort. Die DNA stand im Mittelpunkt des Prozesstages.

Von Silvia Dammer Dienstag, 17.10.2023, 17:30 Uhr

Stade. Eigentlich hatte der Vorsitzende Richter Marc-Sebastian Hase die Verteidiger bereits am Ende des dritten Verhandlungstages gebeten, sich für den folgenden Termin auf das Plädoyer vorzubereiten. Den Grundsatz des Deutschen Rechts „im Zweifel für den Angeklagten“ nahmen die Rechtsanwälte Ayk Bielke und Christian Remy allerdings sehr ernst und stellten eines der wohl wichtigsten Indizien für die vermeintliche Täterschaft infrage.

Zeitschaltuhr soll als Zeitzünder gedient haben

Bereits am zweiten Verhandlungstag (TAGEBLATT berichtete am 19. September) hatte die Diplom-Biologin Dr. Anita Nandy vom Landeskriminalamt mit ihrem Gutachten festgestellt, dass die DNA-Spuren auf der manipulierten Zeitschaltuhr dem Angeklagten sowie seinem Vater zugeordnet werden konnten. Die Zeitschaltuhr soll als Zeitzünder gedient haben, um das aus der manipulierten Gasheizung ausströmende Gas im Keller des Hauses zur Explosion zu bringen. Dr. Anita Nandy ist vereidigte Sachverständige für forensische Molekulargenetik und Spezialistin auf dem Gebiet des genetischen Fingerabdrucks.

Die Expertin war zum fünften Verhandlungstag erneut geladen worden, um zu klären, inwieweit ein Stromfluss und die damit verbundene Hitzeentwicklung DNA-Spuren verändern, sie degradieren kann. Die Fingerabdrücke des Angeklagten sowie seines Vaters sollen sich unter anderem auf der Alufolie befunden haben, die als Überbrückung der beiden Stromkabel an der Zeitschaltuhr gedient haben soll. Dr. Anita Nandy erklärte zunächst anhand von verschiedenen Studien, dass es sehr schwer sei, DNA komplett zu zerstören. Mit UV-Strahlung sei es möglich, DNA zu beschädigen. Hitzeeinwirkung habe nicht diese Wirkung. Man habe schon in einem völlig heruntergebrannten Gebäude verwertbare DNA-Spuren finden können. Nach Vorhalt des Staatsanwaltes, ob winzige Millisekunden UV-Licht bei einem Kurzschluss ausreichten, um DNA zu degradieren, antwortete Nandy: „Nach meiner Ansicht nicht. Aber dazu gibt es keine Studien.“

Antrag der Verteidigung: Alufolie erneut untersuchen

Zur Prüfung der DNA-Spuren standen der Gutachterin drei Proben zur Verfügung, die von den Kabeldrähten sowie der Alufolie entnommen waren. Die Prüfung dieser Proben hatte sie zum genetischen Fingerabdruck des Angeklagten und seines Vaters gebracht. Kann DNA schon degradiert (verändert) auf Dinge gelangen? „Ja, durch abgestorbene Hautschuppen zum Beispiel“, antwortete Nandy. „Aber ich bin keine Expertin für degradierte DNA.“ Die Sachverständige betonte, dass man DNA noch analysieren könne, wenn sie degeneriert sei. Um sie komplett zu zerstören, so dass sie nicht mehr verwertbar sei, brauche es eine hohe und lange Dosis UV-Licht und andere Maßnahmen.

Für die Gutachterin war es sicher ungewöhnlich, dass sie während der Verhandlung auf Antrag der Verteidiger die Studie herbeischaffen und sich mit einem Expertenkollegen kurzschließen sollte, um Fragen zu Möglichkeiten der Degradierung von DNA zu beantworten.

Unbeeindruckt davon stellten Bielke und Remy den Antrag, dass die Sachverständige noch einmal die Alufolie auf Einschmelzungen untersuchen solle. Das Ergebnis soll der Kammer am 23. November präsentiert werden. Die Verhandlung wird am 2. November fortgesetzt.

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