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24-Stunden-Reportage

TDie mit der Kuh kuschelt: Warum eine Tierwirtin Lust auf die Landwirtschaft hat

Kuscheleinheiten: Francis Reschak mit der Kuh namens Riesig.

Kuscheleinheiten: Francis Reschak mit der Kuh namens Riesig. Foto: Susanne Laudien

Melken, Stall ausmisten, Kühe versorgen - für Francis Reschak aus Apensen ist Tierwirtin ein absoluter Traumberuf. Das TAGEBLATT begleitete die 24-Jährige an einem Vormittag bei ihrer Arbeit im Kuhstall.

Von Susanne Laudien Dienstag, 02.07.2024, 17:50 Uhr

Apensen. Massive Bauernproteste gegen die Politik und immer mehr Höfe, die sterben. Wer hat heutzutage eigentlich noch Lust auf einen Job in der Landwirtschaft? Das TAGEBLATT begleitete Francis Reschak bei der Arbeit. Sie hätte gerne einen eigenen Hof.

Für die meisten beginnt morgens zwischen 8 und 9 Uhr der Arbeitstag. Nicht in der Landwirtschaft. Francis Reschak ist bereits um 7.30 Uhr auf den Beinen und gehört unweigerlich zu den Frühaufstehern, ebenso wie die Kühe, die sie versorgen muss. In kleinen Gruppen führt sie die 100 Tiere nacheinander in Gruppen aus dem Kuhstall in den Melkstand und schließt sie an die Melkmaschine an.

Laute Musik ertönt im Melkstand

Anschließend geht es wieder zurück in den Kuhstall. Danach reinigt die 24-Jährige gründlich den Melkstand und die Melkmaschine. Hygiene ist hier sehr wichtig, erklärt sie. Zweimal täglich erfolgt diese Prozedur zum Melken der Kühe. Aus dem Radio im Melkstand ertönt moderne Popmusik. Ist die Musik für die Kühe? „Es beruhigt sie. Aber in erster Linie höre ich bei der Arbeit gerne Musik“, sagt Francis Reschak.

Im Melkstand muss die Melkanlage akkurat gereinigt werden

Im Melkstand muss die Melkanlage akkurat gereinigt werden Foto: Susanne Laudien

Modische Undercut-Frisur und Tätowierungen lassen es erahnen - die 24-Jährige ist eine moderne junge Frau. Seit einem Jahr ist sie ausgebildete Tierwirtin auf dem Milchviehbetrieb von Heinrich Dammann in Apensen. Hier hat sie zuvor ihre dreijährige Ausbildung beendet. In ihrer einstigen Heimat in Sachsen-Anhalt startete sie in die Ausbildung zur Tierwirtin.

Umzug von Sachsen-Anhalt nach Apensen

Nach zwei Jahren zog ihre Familie vom Osten Deutschlands nach Apensen. Daraufhin suchte die junge Frau in der Nähe einen neuen Ausbildungsplatz. Glückliche Fügung: Der Apenser Landwirt Heinrich Dammann suchte per Anzeige Unterstützung für seinen Milchviehbetrieb. „Um ausbilden zu können, habe ich eigens eine Betriebsanerkennung als Ausbildungsbetrieb für meinen Milchviehbetrieb erlangt“, erklärt Dammann.

Fütterung im Kuhstall - die Tiere fressen Francis Reschak buchstäblich aus der Hand.

Fütterung im Kuhstall - die Tiere fressen Francis Reschak buchstäblich aus der Hand. Foto: Susanne Laudien

Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen gibt dazu für Ausbildungsstätten mehrere Anforderungskriterien vor. Seit 2018 bildet Dammann regelmäßig aus. Zurzeit hat er zwei Auszubildende. „Es gibt grundsätzlich zu wenige Ausbildungsplätze in der Landwirtschaft“, sagt Dammann im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Er selbst übernahm 1996 den Betrieb von seinem Vater mit 20 Milchkühen und hat den Bestand und den Hof seitdem kontinuierlich erweitert.

Berufsschulunterricht in der Nähe von Magdeburg

„Ich wollte meine Ausbildung unbedingt abschließen und war froh, dass ich den Ausbildungsplatz in Apensen erhielt“, sagt Francis Reschak. Dafür nahm sie als Auszubildende sogar in Kauf, dass sie während ihres letzten Ausbildungsjahres für den Blockunterricht zur Berufsschule nach Lutherstadt/Wittenberg in der Nähe von Magdeburg pendeln musste.

Vor einem Jahr hat sie erfolgreich ihre Ausbildung abgeschlossen und wohnt inzwischen zusammen mit ihrem Freund und zwei Katzen in Apensen. Ihr Tagesablauf auf dem Hof ist zwar geregelt - dennoch verläuft kein Tag wie der andere.

Auch am Wochenende werden die Kühe versorgt

Von morgens um 7.30 bis abends um etwa 19 Uhr gibt es in dem Milchviehbetrieb jede Menge zu tun. Selbst am Wochenende arbeite sie jeweils einen halben Tag, um die Tiere zu versorgen, erzählt die 24-Jährige von ihrer Arbeit. Von 11 bis 15.30 Uhr mache sie eine längere Mittagspause.

Lagebesprechung mit Chef Heinrich Dammann.

Lagebesprechung mit Chef Heinrich Dammann. Foto: Susanne Laudien

Ihr Freund habe für ihre besonderen Arbeitszeiten Verständnis. „Arbeiten am Wochenende und auch mal spätabends, das muss man mögen“, sagt die 24-Jährige. Für sie kein Problem. Denn es sei für sie ein Beruf aus Liebe. Das Füttern und Pflegen der Tiere sowie die Zucht gehören ebenso dazu wie das Ausmisten der Ställe.

Nach dem Melken und Reinigen des Melkstandes beginnt nach der Reinigung der Ställe die Fütterung der Kühe. Ställe und Kälber-Boxen wurden zuvor gründlich geschrubbt und mit neuer Einstreu versehen. Die Tiere werden in dem großen Stall in unterschiedlichen Gruppen gehalten, darunter auch Kühe im Mutterschutz, die gerade gekalbt haben sowie Jungtiere. Die junge Tierwirtin bereitet für die 118 Milchkühe und die Jungtiere in dem offenen Stall das Mittagessen vor.

Ein Beruf aus Liebe zu den Tieren

Jede Kuh gibt zwischen drei und vier Liter Milch pro Tag und muss jedes Jahr ein Kalb gebären. Das Futter wird genau auf die Bedürfnisse der Kuh abgestimmt und errechnet, sagt die junge Fachfrau. Auch die Haltungsformen und was zu tun ist, etwa wenn ein Tier krank ist, wurden in ihrer Ausbildung vermittelt. Sie habe alle Tiere im Blick. Je länger sie mit den Tieren arbeite, desto besser könne sie auch Krankheiten deuten. „Ich achte darauf, was sie tun und auch wie sie laufen. Daran erkenne ich beispielsweise, ob mit ihren Klauen etwas nicht stimmt.“

Im Melkstand muss die Melkanlage akkurat gereinigt werden

Im Melkstand muss die Melkanlage akkurat gereinigt werden Foto: Susanne Laudien

Aber auch Fitness und Sport gehörten zur schulischen Ausbildung der Tierwirtin und seien durchaus wichtig in ihrem Job. Warum? „Wenn zum Beispiel mal ein Kalb wegläuft, dann muss ich schnell sein und es wieder einfangen, bevor dem Tier etwas passiert.“

Die Tierwirtin hat ihre Schützlinge im Blick

Das Tierfutter kommt hauptsächlich vom eigenen Ackerbau des Betriebes und wird von großen Silos zum Futtertrog transportiert. Grassilage, Maissilage sowie Heu und Stroh stehen als Kraft- und Mineralfutter zur Versorgung der Milchkühe neben Wasser auf dem Speiseplan. Die Tiere können sich nahezu den ganzen Tag am Futtertisch bedienen und selber entscheiden, wann sie fressen wollen.

Bei ihrer Arbeit wird Francis Reschak von etlichen Augenpaaren ganz genau beobachtet. „Kühe sind nicht doof, sondern ziemlich schlau“, sagt die 24-Jährige. Das sei inzwischen durch eine Kuh-Brille sogar wissenschaftlich erwiesen. Diese besondere VR-Brille ermögliche die Sicht der Tiere und deren Wahrnehmung.

Lieblingskuh Helene wartet auf Streicheleinheiten

Die Tierwirtin braucht nur den Eimer in die Hand zu nehmen, dann drängeln sich die Tiere schon nach vorne. Darunter auch Helene, ihre Lieblingskuh. Sie genießt sichtbar die Streicheleinheiten. „Sie wartet schon darauf, dass ich mit ihr kuschel.“ Sogar die stattliche Vorzeige-Kuh Riesig, die ihren Namen aufgrund ihrer Größte erhielt, möchte gerne mit ihr schmusen.

Wenn die Kühe auf dem Milchviehbetrieb ein Kalb zur Welt bringen, bleibt dieses meist nur wenige Stunden bei der Mutter. In der Regel wird die Kuh nach der Geburt wieder in die Herde eingegliedert, während das Kalb in einem speziellen Aufzuchtbereich mit anderen Kälbern untergebracht wird.

Bullenkälber werden vom Viehhändler abgeholt

Männliche Kälber finden keine Verwendung im Milchviehbetrieb. Vier Bullenkälber in einem abgezäunten Bereich werden demnächst von einem Viehhändler abgeholt. „Es sind Nutztiere und Zucht und Schlachten gehört zum Kreislauf dazu“, erklärt die Tierwirtin. Sie hätte gerne einen eigenen Rinderzuchtbetrieb. Einen Milchviehbetrieb könne sie sich nicht leisten. Dafür sei die Investition in Melkmaschinen viel zu hoch. Aber ein eigener Hof mit Rindern, das sei ihr ganz großer Traum.

Spaß muss sein: Francis Reschak mit ihrer Lieblingskuh Helene.

Spaß muss sein: Francis Reschak mit ihrer Lieblingskuh Helene. Foto: Susanne Laudien

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