TElfjährige Ylva erobert als Pippi Langstrumpf die Herzen des Publikums
Kunterbuntes Bühnenbild: Pippi, Tommy und Annika in der Villa. Foto: Dammer
Unwiderstehlich ist diese Heldin, die mit roten Zöpfen und frechem Grinsen das begeisterte Publikum in ihre bunte Welt entführt. Pippi Langstrumpf eroberte am Sonnabend nicht nur die Bühne der Jorker Festhalle sondern auch die Herzen des Publikums.
Jork. Pippi Langstrumpf, die unerschrockene Heldin aus Astrid Lindgrens Feder entführte am Sonnabend das Jorker Publikum in ihre bunte, rebellische Welt und nahm sie mit auf eine Reise, die weit über das Gewöhnliche hinausging.
Schon bevor der Vorhang sich hob und den Blick auf das herrliche Durcheinander der Villa Kunterbunt freigab, war die Magie dieser Welt spürbar. Im Foyer der Festhalle knisterte die Luft vor Aufregung. Kinder mit strahlenden Augen huschten zwischen Eltern und Großeltern umher. Frau Prysselius (Katrin Hauschildt), die pingelige Fürsorgerin aus der Pippi-Welt, wippte im zartlila Kleid gemeinsam mit dem Polizisten Kling (Sebastian Rohloff) zu den Akkordeon-Klängen des Piraten (Andreas Schmoll), der es sich in einer riesigen Obstkiste bequem gemacht hatte.
Rebellische Heldin: Pippi und die zwei Polizisten in der Villa Kunterbunt. Foto: Dammer
Vor einem provisorischen Tresen mit der Aufschrift „Police“ tippte der Polizist Klang (Dustin Rulfs) mit einem Finger auf einer nostalgischen Schreibmaschine, während er die Besucher mit einem Nicken begrüßte. Magnetisch zog der Stand neben der Ticketausgabe, reich geschmückt mit hängenden Bonbons und bestückt mit Süßigkeiten und Popcorn, die Besucher an, sich vor dem Theatervergnügen noch mit Süßkrams einzudecken.
Multimedia in der Jorker Festhalle
Und dann, Punkt 16 Uhr, trat sie auf die Bühne: Pippi Langstrumpf (dargestellt von der elfjährigen Ylva Mumm), das urwüchsige Energiebündel, die mutige Heldin mit den kunterbunten Kleidern, einem grünen und einem roten Strumpf und in eigentlich viel zu großen schwarzen Schnürstiefeln. Nein, noch hatte die Stärkste unter der Sonne, deren Kraft nur von ihrer unbändigen Abenteuerlust übertroffen wird, die Bühne nicht erreicht. Sie ritt zunächst als Filmfigur auf einer Leinwand mit ihrem gescheckten Pferd Kleiner Onkel (Mister Ed) und dem Totenkopfäffchen Herrn Nielsson auf der Schulter durch Jork, atmete Freiheit und versetzte die 336 Zuschauer in der Festhalle in Erstaunen: Wird hier etwa Kino geboten?

Frau Prysselius (Katrin Hauschildt) ist auf dem Motorrad unterwegs - die Kleine Jorker Bühne nutzt bei ihrem neuen Stück die ganze Festhalle als Bühne.
Ja und nein. Denn die Theaterinszenierung nutzte verschiedene Medien, um die Geschichte der Lindgren-Superheldin so lebendig wie möglich darzustellen. Die Regisseurinnen Katrin Mumm und Franzisca Cordes griffen dabei nicht nur auf Filmpassagen mit ihren Protagonisten zurück, sondern arbeiteten mit Dialogen aus dem Off, mit Zeitrafferpassagen und mit der gesamten Festhalle als Bühne. Da fuhren auch die beiden Polizisten Kling und Klang auf dem Tandem durch die Zuschauerreihen und Frau Prysselius, die Pippi in ein Heim stecken will, düste auf dem Moped an der Villa Kunterbunt vorbei.
Großes Kino im kleinen Theater
Das Stück brauchte kaum Umbauten, um in die kleine Stadt irgendwo an der Küste Schwedens, ins Klassenzimmer, auf den Jahrmarkt oder zum Kaffeekränzchen einzuladen. Nur ein paar geübte Handgriffe der Bühnenarbeiter genügten: Eine hochgezogene Wimpelkette, tanzendes Zirkusvolk, Feuerschlucker und schon wähnte man sich auf dem Jahrmarkt. Das ist schon großes Kino im Theater, modern und professionell, wie man es kaum bei Laientheatern vermutet.

Hervorragend besetzt: Annika (Frieda Garlipp), Pippi Langstrumpf (Ylva Mumm) und Tommy (Jonte Raijk). Foto: Dammer
Erzählt wurde die Geschichte der starken, mutigen, großzügigen und immer gut gelaunten Pippi, die nach einer langen Seereise in die Villa Kunterbunt zurückkommt. Sie hat keine Eltern, mit ihrer unbekümmerten und unabhängigen Natur verändert Pippi das Leben ihrer Nachbarn, der braven Geschwister Tommy und Annika, die Pippi in ihrem spielerischen Chaos tatkräftig unterstützen.
Theaterelevin gibt Figur Witz und Glaubwürdigkeit
Ylva Mumm eroberte mit ihrer Darstellung als Pippi die Herzen der Zuschauer im Sturm. Wer kann es ihr übel nehmen, wenn sie ihre einzigartige Weltanschauung darstellt? „Ich mach mir die Welt, wiedewiedewie sie mir gefällt.“ Und wer ist nicht emotional berührt, wenn sie über ihre himmlische Mutter spricht, während sie einen Wunschstern beobachtet?

Pippi spricht mit himmlischer Mutter.
Ylva/Pippi schubste die Erwachsenen mit dem kleinen Finger um, dass sich das Publikum vor Lachen bog. Die Theaterelevin gab der Figur Witz und eine Glaubwürdigkeit. Ein bisschen Pippi Langstrumpf, sagte Ylva Mumm nach der Premiere, trage sie ja auch in sich selbst.
77 Akteuere zaubern wunderbares Weihnachtsstück
Auch das Kinderduo Tommy und Annika war mit Jonte Raijk und Frieda Garlipp hervorragend besetzt. Beide überzeugten mit der Entwicklung ihrer Figuren zu mutigeren Kindern als sie es vorher waren. Überhaupt war der Erfolg der Premiere und der brillanten Darbietung den 77 Akteuren vor und hinter der Bühne zu verdanken, die seit März liebevollen Ehrgeiz in ihr Weihnachtsstück gesteckt haben.
Am Ende gab es Standing Ovations vom Publikum, eine Menge Gold und Silber auf dem Festhallenboden und ganz bestimmt gibt es auf den Faschingsfeiern nächstes Jahr zahllose Pippis.

Kunterbuntes Bühnenbild: Pippi, Tommy und Annika in der Villa. Foto: Dammer