T„Fassungslos“: Altländer Obstbauern kritisieren „Tatort“-Folge heftig
Der aktuelle „Tatort“ mit Maria Furtwängler sorgt für reichlich Gesprächsstoff im Alten Land. Foto: NDR/Christine Schroeder
Es war eines der beherrschenden Themen am Montag im Alten Land: der neue „Tatort“ mit Maria Furtwängler. Besonders dem regionalen Obstbau erwies der Fernsehkrimi keinen Gefallen.
Altes Land. Rund 8,6 Millionen Krimi-Fans verfolgten laut agf.de am Sonntagabend den Tatort „Letzte Ernte“ im Fernsehen. Kriminalkommissarin Charlotte Lindholm verschlug es für ihren 32. Fall in das Alte Land, wo ein rumänischer Aushilfsbauer ohne Kopf gefunden wurde.
Dass Fernsehproduktionen wie „Neuer Wind im Alten Land“ in puncto Stereotypen auch gerne mal über das Ziel hinausschießen und die Altländer als liebenswert-trottelige Apfelliebhaber hinstellen, ist kein Geheimnis. Doch am Morgen danach war der „Tatort“ Gesprächsthema Nummer eins unter den Obstbauern - und sorgte bei vielen vermutlich für hohen Blutdruck.
Probleme des Obstbaus verzerrt und sachlich falsch dargestellt
Als am Montagvormittag das TAGEBLATT bei Jens Stechmann anrief, konnte sich der Vorsitzende der Bundesfachgruppe Obstbau das Lachen nicht verkneifen: „Lassen Sie mich raten: Es geht um den Tatort?“ Das Thema beschäftige ihn schon den ganzen Morgen, sogar Anfragen aus Österreich habe er erhalten.
„Der Tatort greift Themen auf, die viele Obstbaubetriebe in Deutschland täglich beschäftigen“, sagt Stechmann. Dazu zählen etwa der wirtschaftliche Produktionsdruck angesichts internationaler Konkurrenz, Herausforderungen im Pflanzenschutz oder der Mangel an Saisonarbeitskräften.
„Doch anstatt einen realistischen Blick auf diese Herausforderungen zu werfen, vermittelt die Darstellung des Obstbaus im Film ein verzerrtes und in Teilen sachlich falsches Bild“, kritisiert Stechmann und legt nach: „Wir sind im Obstbau nicht in den 60er Jahren stehen geblieben.“
Konventioneller wie ökologischer Obstbau wirkten überzogen, teilweise sogar tendenziös dargestellt. „Die pauschale Gleichsetzung von Pflanzenschutz mit Gesundheitsgefahr und kriminellem Handeln entbehrt jeder Grundlage“, sagt Stechmann.
Heutiger Bio-Obstbau ist komplex und modern
In der aktuellsten „Tatort“-Folge trifft Ermittlerin Lindholm auf einen Altbauern, der durch den Einsatz von Glyphosat und Co. schwer an Krebs und Parkinson erkrankt ist. Sogar von der „Glyphosat-Mafia“ ist im Film die Rede. Das führe laut Stechmann nicht zu einem besseren Verständnis für den heimischen Obstbau, „sondern vertieft bestehende Gräben zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft“.
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Auch der Jorker Bio-Obstbauer Peter Rolker hat den „Tatort“ mitverfolgt. „Viele Altländer hatten sich im Vorfeld auf den Film gefreut“, erinnert er sich. Sein Fazit fällt jedoch vernichtend aus: „Ich war fassungslos!“ Der Film zeige ein völlig falsches und verdrehtes Bild des Obstbaus, sagt Rolker.
Tourismusverband kritisiert „Tatort“ scharf
Der Bio-Obstbau sei heute sehr komplex und arbeite mit modernster Technik. Etwa beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die detailliert dokumentiert werden müssten. Der heruntergekommene Film-Hof der Familie Feldhusen habe mit der realen Welt nichts zu tun. „Solche urtümlichen Höfe werden Sie im ganzen Alten Land nicht finden“, sagt Rolker.
Auch Ines Utecht vom Tourismusverband Landkreis Stade lässt kein gutes Haar an dem „Tatort“. Dass die Obstbauern jetzt Sturm laufen, sei nachvollziehbar. In der ZDF-Serie „Neuer Wind im Alten Land“ mit Felicitas Woll seien die Menschen liebevoll dargestellt worden, es gab tolle Landschaftsaufnahmen. Im sehr überzeichneten „Tatort“ hingegen seien die Altländer als zurückgeblieben, dumm, kriminell und korrupt beschrieben worden.
Leser-Meinungen zum „Tatort“ gesucht
Der Film spiegele die Mentalität der Altländer und die Realität in Obstbau und Tourismus nicht wider: „So ein schäbiges Gästezimmer wie im Tatort gibt es im Alten Land mit Sicherheit nicht.“ Dieser Film habe mit dem Alten Land und seinen Menschen nichts zu tun. Utecht hofft, dass der Film letztlich trotz alledem weder Obstbau noch Tourismus schade. Nur der kammerspielartige Schluss in der Scheune, die es so auf modernen Obsthöfen sicher nicht gebe, habe ihr gefallen.
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