T„Mobbing gab es nicht“: Erinnerungen an den Schulabschluss vor 70 Jahren

Die ehemaligen Schülerinnen und Schüler der Mittelschule Jork veranstalten jedes Jahr ein Klassentreffen. Foto: Franziska Felsch
Ihre Schule im Alten Land gibt es nicht mehr, auch nicht die Gastwirtschaft, in der 1954 die Abschlussfeier stattfand. Die Erinnerungen an die Zeit in Jork sind jedoch lebendig.
Jork. „18 Mädchen und 18 Jungen wurden damals vom Rektor entlassen, die Abschlussfeier für die zehnte Klasse fand im Saal der Gastwirtschaft Michelsen statt“, erzählt Wilhelm Stubbe und zeigt stolz den langen Zeitungsartikel vom 18. März 1954. Das war damals eine besonders feierliche Angelegenheit im Beisein von Eltern, Ehrengästen wie Bürgermeister, Gemeindedirektor und Pastor.
Auf dem Foto nimmt der junge Stubbe im dunklen Anzug mit Krawatte sein Zeugnis entgegen; und eine Biografie über Theodor Heuß als Anerkennung für besondere Leistung. „Meine Mutter musste, wie damals üblich, für mich Schulgeld bezahlen, 30 Mark. Das ist ihr nicht leicht gefallen, zumal sie für meine beiden Geschwister ebenfalls zahlen musste“, erzählt Stubbe weiter.
Guter Zusammenhalt in der Klasse
„Sicherlich werden sie schon bald vor Entscheidungen des Gewissens gestellt. Sie müssen dann die Kraft finden, den rechten Weg zu bestreiten und nicht wie so viele auf krummen Wegen dem Lebenserfolg näherzukommen suchen“, wird Rektor Lindemann, der die Festrede hielt, in dem Artikel zitiert. Das ist zum Glück nicht passiert. Jeder der Schulabgänger hat einen Beruf ausgeübt, einige haben sogar Karriere gemacht.
„Zwar hat nicht jeder von uns gleich im Anschluss eine Lehrstelle gefunden, einige haben danach die Höhere Handelsschule besucht und sich weitergebildet“, weiß Stubbe. „Unsere Wege haben sich natürlich zwangsläufig getrennt, aber zu den Klassentreffen sind diejenigen, die konnten, immer gern gekommen“, freut sich Stubbe, der das Treffen mitorganisiert hat.
Den Lehrern mit Respekt begegnet
Nun war es wieder so weit. Der bekannte Gastronom Stubbe sitzt im dunkelblauen Anzug in der Gaststube im Hotel Altes Land und begrüßt seine ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschüler, die teilweise mit ihren Ehepartnern gekommen sind. „Wir haben in der Klasse zusammengehalten, waren eine tolle Gemeinschaft, Mobbing gab es nicht. Unseren Lehrern sind wir mit großem Respekt begegnet“, sagt Stubbe und erntet dafür allgemeines Kopfnicken von seinen ehemaligen Klassenkameraden.
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Die meisten von ihnen hatten keine weite Anreise, fast alle sind in der Gegend geblieben oder wieder hierhin zurückgekehrt. „Einer von uns ging nach Argentinien, kam aber wieder“, weiß Stubbe. „Und die Annegret ist nach Schweden gegangen, hat dort zwei Doktortitel erworben“, ergänzt Waltraud Sibberns, geborene Feindt, die seit ihrer Heirat in Bremerhaven wohnt.
Klassentreffen mit Tanz
Fredy Kalina, geboren im ostpreußischen Masuren, wuchs im Alten Land auf, lebte in Hannover und jetzt in Delmenhorst. Der ehemalige Finanzbeamte erlangte Berühmtheit als junger, erfolgreicher Leichtathlet des VfL Stade. Der Sprinter, dessen Familie 1945 nach Steinkirchen floh, erreichte dreimal in Folge das Finale bei den Deutschen Meisterschaften über 200 Meter. Noch heute, mit 87, spielt er regelmäßig Tennis, um fit zu bleiben. „Ohne Sport, das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt er.
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„Zu Anfang haben wir uns alle fünf Jahre getroffen und auch noch getanzt“, erinnert sich Waltraut Sibberns. „Aber jetzt im hohen Alter sehen wir uns jedes Jahr und seit einiger Zeit mit Ehepartnern“, sagt Stubbe. Sein Schulkamerad Wolfram Schulz wird von seiner Frau Renate Schulz-Quirini begleitet. Die beiden hatten sich als junge Studenten in Berlin kennengelernt und sind dann nach Südamerika ausgewandert, aber seit 36 Jahren ist Buxtehude wieder ihre Heimat.
Weitere Treffen geplant
Nach dem Mittagessen - Fisch oder Fleisch - geht die Zeitreise weiter. Wer Lust hat, besichtigt den Jorker Ortskern, dort wo die alte Mittelschule einst stand. Zum Kaffeetrinken, selbstverständlich mit traditionellem Butterkuchen, finden sich alle wieder in der Gaststube ein und tauschen Neuigkeiten aus.
Drei Ehemalige konnten diesmal aus Krankheitsgründen nicht dabei sein. Denen schickt Stubbe eine Karte, denn der Kontakt untereinander soll nicht abreißen. „Leider sind einige aus unseren Reihen bereits verstorben, aber das ist der Lauf der Dinge, damit muss man rechnen“, sagt Stubbe. Deshalb sei es so wichtig, dass die Klassentreffen nicht einschlafen, denn man habe doch eine sehr schöne Zeit miteinander verbracht, an die es sich lohne, sich gemeinsam zu erinnern, findet Stubbe.