TObstbautage: Altländer hoffen auf eine neue Agrarpolitik in Berlin

Obstbau-Meister: Christoph Budde, Frederik Dummeyer, Nils Eckhoff, Thore Feindt, Lukas Hastedt, Henrik Heinrichs, Conrad Knüppel, Kevin Köpcke, Marc Köpcke, Nick Köpcke, Nils Langguth, Julius Lehmbeck, Jan Mählmann, Sören Minners, Frank Molske, Beyke Pape, Kevin Quast, Hannes Schliecker, Malte Somfleth und Lukas Stechmann - eingerahmt von der Altländer Blütenkönigin Linn Schuback und Erdbeerkönigin Thu-Ha I sowie Kammerpräsident Gerhard Schwetje und Esteburg-Vize Dr. Matthias Görgens. Foto: Vasel
Die Obstbauern haben der Politik vor der Bundestagswahl mit ihrem Altländer Appell sechs Forderungen mit auf den Weg gegeben. Das sind konkrete Punkte.
Jork. „Ökologie und Ökonomie funktionieren nur im Einklang - und nicht mit der Brechstange“, unterstrich der Vorsitzende der Landesfachgruppe Obstbau, Claus Schliecker, zu Beginn des Verbandspolitischen Tages der 75. Norddeutschen Obstbautage. Notwendig seien eine ideologiefreie Pflanzenschutzmittelpolitik, bezahlbare Energie, auskömmliche Preise und gleiche Wettbewerbsbedingungen im europäischen Obstbau. Schliecker: „Wir möchten vom Verkauf unserer Produkte leben.“
Erforderlich seien der Erhalt der Agrardieselbeihilfe, Investitionsförderungen und steuerfreie Risikoausgleichsrücklage, mahnte auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Aktuell seien die Erzeugerpreise auskömmlich. Das liege allerdings weniger an der Wertschätzung des Lebensmitteleinzelhandels für die Äpfel aus der Region, sondern am Unglück vieler Kollegen. Vor allem in Ostdeutschland hatte der Frost fast 100 Prozent der Ernte zerstört.

Robotik-Experte Lasse Clausen (Agravis) im Gespräch mit Dr. Karsten Klopp, Jens Stechmann, Bauernpräsident Joachim Rukwied und Claus Schliecker (von links). Foto: Vasel
Kurz vor der Bundestagswahl haben sich die Vertreter der knapp 500 Obstbaubetriebe an der Niederelbe „für einen Politikwechsel in Berlin“ starkgemacht. Extremisten erteilten sie eine Absage. Schliecker mahnte eine Kurskorrektur in Berlin an. Er gab den Politikern aus den Reihen von CDU, SPD und Grünen gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden Jens Stechmann und dem besten der 20 neuen Obstbau-Meister, Lukas Stechmann, sechs Forderungen mit auf den Weg. Für ihren Altländer Appell ernteten die Redner in der voll besetzten Altländer Festhalle in Jork großen Beifall.
1. Mindestlohn: Die Obstbauern warnten vor einer erneuten Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde. Dafür hatte sich SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ausgesprochen. In seiner Meisterrede verwies Lukas Stechmann auf das Beerenobst. Der Anbau gehe stetig zurück. Heimische Produkte könnten bei einem drastisch erhöhten Mindestlohn „nicht mehr rentabel erzeugt“ werden.
Seit der Einführung im Jahr 2017 sei der Mindestlohn um 60 Prozent gestiegen, die Erzeugerpreise hingegen nicht. Schliecker verwies auf die Ukraine- und Corona-Krise. Der Selbstversorgungsgrad von Obst liege in Deutschland bei 20 Prozent. Damit ist Deutschland auf Importe angewiesen. Mit Blick auf die Ernährungssicherheit müsse die heimische Produktion gestärkt werden.

Bester Meister: Lukas Stechmann bei der Meisterrede in der Altländer Festhalle. Foto: Vasel
Vor diesem Hintergrund fordern die Obstbauern eine Ausnahmeregelung für kurzfristig beschäftigte Saisonarbeitskräfte. Notwendig sei eine Drittstaatenregelung zur Beschäftigung ausländischer Saisonarbeitskräfte, die im Sommer und Herbst auf den Höfen pflücken.
2. Pflanzenschutz: Die Obstbauern beklagen, dass es immer weniger wirksame Wirkstoffe gibt. Im Obstbau sei das Reduktionspotenzial beim Pflanzenschutz nahezu ausgeschöpft. Gleichzeitig scheuen die Firmen aufgrund hoher Auflagen und Kosten die Zulassung neuer Produkte. Viele stellen die Forschung ein.

Messerundgang mit dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied (rechts). Foto: Vasel
Ohne Notfallgenehmigungen können viele Schaderreger nicht mehr bekämpft werden. Es komme immer häufiger zu Pflanzenschutzmittelresistenzen. Gleichzeitig fördere der Klimawandel die Einwanderung von Schaderregern. Vor allem das ideologisch agierende Umweltbundesamt sperre sich gegen neue Mittel. Dabei sei die Artenvielfalt groß. Die Zulassung müsse in die Hände von Fachbehörden gegeben werden, die auf Grundlage wissenschaftlicher Fakten entscheiden. Die Obstbauern verweisen auf die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und das Bundesinstitut für Risikobewertung.
3. Chancenprogramm Obstbau: Große Chancen in der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln liegen im Pflanzen neuer resistenter und widerstandsfähiger und allergikerfreundlicher Sorten. Stichwort: schorf- und mehltauresistente Apfelsorten. Mit einem Marketingkonzept für diese neuen Apfelsorten könne der Apfelkonsum angeregt werden.
Der Bund könne ihren Anteil mit einem Förderprogramm auf zehn Prozent der deutschen Apfelproduktion steigern. In den nächsten zehn Jahren sollte Rodung und Neupflanzung von jährlich etwa 500 Hektar - rund 1,35 Millionen Bäume - gefördert werden. Bei der Entwicklung neuer Sorten müssten auch Instrumente wie die Gen-Schere (CRISPR-Gentechnik) erlaubt sein, forderte Jung-Meister Lukas Stechmann.
4. Wettbewerbsgleichheit: Wettbewerbsverzerrungen in der EU müssten ein Ende haben. Obstbauern müssen bundeseinheitlich in den Genuss der Förderung der Prämie bei der Mehrgefahrenversicherung kommen. Kollegen in Bayern bekommen bis zu 65 Prozent der Kosten der Hagelversicherung vom Staat erstattet, Niedersachsen nicht. Der Klimawandel bedeute eine deutliche Verschärfung des Anbaurisikos.
5. Flächenprämie: Der Integrierte Obstbau müsse - wie der Öko-Obstbau - für seine Leistung für die Natur und den Klimaschutz mit einer Flächenprämie belohnt werden.
6. Herkunftskennzeichen: Notwendig sei ein Label, das Verbrauchern zeigt: In diesem Produkt stecken deutsche Äpfel. Stechmann verwies auf Apfelsaft. In diesem stecke häufig Konzentrat aus China, Polen und den USA.
Jung-Meister Stechmann redete Klartext zum Abschluss: „Außerdem wünschen wir uns einen echten Fachmann als Bundeslandwirtschaftsminister - und nicht einen, der sich dafür hält, weil er Hanfpflanzen anbauen kann.“