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Politik

TÖko-Siedlung von Viebrockhaus spaltet Grünendeich

Visualisierung: Ein erster Entwurf für das geplante Wohngebiet oberhalb der Spreenstraße zeigt die "Smart City - Grünendeich" aus der Vogelperspektive.

Visualisierung: Ein erster Entwurf für das geplante Wohngebiet oberhalb der Spreenstraße zeigt die "Smart City - Grünendeich" aus der Vogelperspektive. Foto: Viebrockhaus

Das Projekt ist spektakulär – und umstritten. Viebrockhaus plant, in Grünendeich insgesamt 54 neue Wohneinheiten zu bauen. Das sorgt für kontroverse Debatten.

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Von Björn Vasel
Freitag, 21.06.2024, 00:07 Uhr

Grünendeich. Der Andrang am Dienstagabend war groß: Mehr als 70 Bürger - überwiegend aus dem ab 1972 erschlossenen Wohngebiet Blütenstraße - verfolgten die Sitzung des Rates der Gemeinde Grünendeich in der Schönen Fernsicht. Ein Großteil von ihnen lehnt das Viebrockhaus-Projekt grundsätzlich ab. Wie berichtet, will das Harsefelder Unternehmen auf einer Grünfläche insgesamt 54 neue Wohneinheiten schaffen.

Bei der politischen Abstimmung lehnten die Christdemokraten Kai Klegräfe und Gerd Dehmel sowie Thomas Wriede (FWG) die Aufstellung eines Bebauungsplans für das neue Wohngebiet nordöstlich der Spreenstraße in Grünendeich ab. Die Mehrheit des Rates hingegen will neuen Wohnraum schaffen.

Neubürger würden Geld in die Kassen der Gemeinde spülen

„Seit 40 Jahren herrscht Stillstand“, klagte Rolf Lühders (CDU). Er war sich mit Ulrike Mohr (Grüne) und Inge Massow-Oltermann (FWG) einig, dass Bedarf nach neuem Wohnraum bestehe. Junge Familien könnten Geld in die Kassen von Gemeinden und Einzelhandel spülen. Die Obstbauflächen, auf denen das Neubaugebiet geplant ist, seien nicht mehr wirtschaftlich zu bearbeiten; Alternativen für die Fläche gebe es nicht.

Mehr als 70 Anwohner verfolgten die Sitzung des Rates in der Fernsicht in Grünendeich.

Mehr als 70 Anwohner verfolgten die Sitzung des Rates in der Fernsicht in Grünendeich. Foto: Vasel

Die Anwohner hingegen wollen den unverbauten Blick auf die Obstplantagen und Wiesen behalten. Des Weiteren fürchten sie den Verkehr, sollte das Wohngebiet lediglich über die Spreenstraße erschlossen werden. Einige Eigentümer sorgen sich, dass es während der Bauphase zu Schäden an ihren Häusern kommen könnte.

Auch die Entwässerung bei Starkregen könne zum Problem werden, so ihre Befürchtung. Außerdem sei die Infrastruktur, von der Kita über Nah- und Ärzteversorgung bis hin zur Schule, nicht auf Bevölkerungswachstum ausgelegt. Klegräfe und Dehmel teilten die Sorgen ihrer Nachbarn. Dehmel will zudem verhindern, dass Obstbauflächen verschwinden. Außerdem fürchte er Konflikte zwischen Tennisverein und Neubürgern.

Viebrockhaus geht auf Sorgen der Nachbarn ein

Viebrockhaus-Projektentwickler Guido Attabra stellte sich im Rat den Fragen der Bürger und Politiker. Das Unternehmen aus Harsefeld will auf der fast 2,3 Hektar großen Fläche eine Öko-Siedlung nach dem Vorbild der CO₂-neutralen SmartCity in Harsefeld errichten. Ein erster Entwurf liegt vor.

Von den 54 Wohneinheiten sollen 27 in Form von Power Townhouses errichtet werden. Mit diesem Haustyp will Viebrockhaus sozial geförderten, bezahlbaren Wohnungsbau und nachhaltiges Bauen verbinden. Wohnungsgrößen von 50 bis 95 Quadratmeter - für Single- und für Mehrpersonenhaushalte - seien in den einstöckigen Satteldachhäusern mit bis zu fünf Wohnungen angedacht. Geplant sei Wohnen für alle Generationen und Einkommensgruppen.

Weitere 27 Wohneinheiten könnten in Form von Einzel-/Doppelhäusern in dem Quartier entstehen. Dabei setze Viebrock laut Guido Attabra auf kleine Grundstücke um die 350 Quadratmeter. Für 300.000 bis 400.000 Euro könnten Käufer ein Haus erwerben. Die Kosten für das Grundstück kämen obendrauf. Diese Preise würden noch nicht feststehen.

Photovoltaik und Gründach sind Standard. Die Neubürger würden durch die PV-Anlagen einen Großteil ihres Stroms selbst erzeugen können. Regenwasser würde durch die Kombi Gründach-Zisterne nicht oder gedrosselt in die Gräben fließen, die Straßen und Wege werden offenporig ausgeführt.

Attabra griff die Sorgen der Nachbarn auf. Er versprach ein Beweissicherungsverfahren, damit die Anwohner auf der sicheren Seite sind, falls es zu Schäden durch die Erschließungs- und die Bauarbeiten käme. „Die Beweissicherung ist bei uns Standard“, sagte der Viebrock-Manager. Die neuen Häuser sollen auf Holzpfählen errichtet werden. Diese sollen erschütterungsfrei in den Marschboden gerammt werden. Eine Grundwasserabsenkung sei nicht geplant.

Deutlich machte Attabra auch, dass die Viebrockhaus AG die Spreenstraße-Anwohner vom Baustellenverkehr entlasten wolle. Deshalb gebe es die Überlegung, die Lkw über ein Grundstück von Rainer Cordes zu leiten. Dieser ist der Initiator des Baugebiets. Die Baustraße könne an die Berthold-Drewes-Straße angebunden werden.

Über einen städtebaulichen Vertrag werde Viebrock nicht nur die Kosten des ergebnisoffenen Bebauungsplanverfahrens tragen, sondern sich auch verpflichten, einen Infrastrukturausgleich an die Gemeinde Grünendeich zu zahlen.

Das Geld dürfen die Altländer nicht auf den Kopf hauen. Der Folgekostenbeitrag muss zweckgebunden verwendet werden und in Kita und Schule fließen. Grundlage der Berechnung ist die prognostizierte Zahl der Kinder, die nach der Fertigstellung des neuen Wohngebietes diese Einrichtungen besuchen werden. Das sei heutzutage ohnehin üblich, sagte Attabra.

Politik will Bürger weiter an der Planung beteiligen

Bürgermeister Nikolai Müller (CDU) und Gemeindedirektorin Henrike Lühders machten in der teils emotionalen Bürgerfragestunde noch einmal deutlich, dass die Bürger bei der Planung weiterhin gehört würden. Der Aufstellungsbeschluss bedeute, dass die Bürgerinnen und Bürger über die Öffentlichkeitsbeteiligung einen Einfluss auf die Planung nehmen und Stellungnahmen abgeben können.

„Es ist noch nichts in Stein gegossen“, sagte Müller. Er sieht Bedarf für eine zweite Zufahrt für Rettungskräfte. Das Verfahren sei ergebnisoffen, am Ende entscheide allerdings der Rat.

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