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TSietas-Kräne gehen nach Vietnam: Welche Zukunft hat das Werft-Gelände?

Der große Jucho-Portalkran wird bald allein stehen: Die vier kleinen Liebherr-Kräne sind verkauft und reisen nach Vietnam.

Der große Jucho-Portalkran wird bald allein stehen: Die vier kleinen Liebherr-Kräne sind verkauft und reisen nach Vietnam. Foto: Richter

Es war die Posse der Woche: Denkmalschutz ja oder nein. Die vier alten Sietas-Kräne werden jetzt verschifft. Der Investor bewies einen langen Atem. Was bleibt? Die Fragen zum Standort Neuenfelde.

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Von Anping Richter
Montag, 30.09.2024, 05:40 Uhr

Cranz. Eigentlich gehörten sie immer zusammen, der große Jucho und die kleinen Hafenkräne. Jetzt bleibt der 50 Meter hohe Portalkran allein zurück - als Erinnerung an die große Zeit des Schiffsbau-Standorts Neuenfelde.

Der Jucho, ursprünglich 1965 von der Dortmunder Stahlbaufirma C.H. Jucho für die Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel gebaut, steht seit 1990 an der Este-Mündung. Er darf nicht demontiert werden.

Der Abbau der letzten vier klassischen Hafenkräne auf dem Gelände der seit 1635 nachgewiesenen Sietas-Werft war jedoch nicht mehr zu stoppen. Die Kulturbehörde hatte das ganze Ensemble am 18. September unter Denkmalschutz gestellt - zu spät. Die kleinen Kräne waren zu dem Zeitpunkt schon längst verkauft.

Was noch hinter der Kranrettung-Idee steckte

Hinter der Idee, die Kräne zu retten, steckte mehr als Nostalgie: Dr. Gudrun Schittek aus Cranz, Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen, und der 17-jährige Neuenfelder SPD-Vorsitzende Ermiya Ciger hatten sich für den Erhalt auch eingesetzt, weil ihnen etwas an der Zukunft des maritimen Wirtschaftsstandorts liegt.

Ihre Hoffnung war, dass die Kräne Nutzwert haben für Betriebe, die die alte Werft in die Zukunft bringen und neue Arbeitsplätze schaffen. Zu denen gehört aktuell zum Beispiel die Este Project Service (EPS) in den ehemaligen Hallen der Neuenfelder Maschinenfabrik, die auf den Umschlag von Schwergut bis zu 450 Tonnen spezialisiert ist.

Auch die Stadt Hamburg hat Interesse an der weiteren wirtschaftlichen Nutzung der alten Werft bekundet und will das Gelände erwerben. Doch das seit 2021 laufende Insolvenzverfahren, zu dem die Zwangsversteigerung des 20 Fußballfelder großen Geländes gehört, zieht sich hin und ist kompliziert.

Russland-Embargo verkompliziert die Lage

Eine TAGEBLATT-Anfrage dazu ließ Insolvenzverwalter Dr. Achim Ahrendt von der Kanzlei HWW unbeantwortet. Wie berichtet hatten 2021 bei der Insolvenz der Werft, die zuletzt dem russischen Unternehmen Pella Shipyard gehörte, mehr als 500 Gläubiger Forderungen von insgesamt 300 Millionen Euro angemeldet, auch für nicht fertiggestellte Schiffe. Bekannt ist, dass es auch russische Gläubiger gibt und das Russland-Embargo die Abwicklung verkompliziert.

Die Stadt Hamburg hatte den Insolvenzverwalter gebeten, mit dem Verkauf der Kräne zu warten, bis klar ist, wem das Gelände gehören wird. Er entsprach dieser Bitte aber nicht.

Die Kulturbehörde kam zu spät

Als die Kulturbehörde merkte, dass der Abbau im Gange war, stellte sie das Ensemble unter Denkmalschutz - zu spät. Die vier kleinen Kräne waren zu diesem Zeitpunkt längst verkauft und sollen nach Vietnam verschifft werden.

Gudrun Schittek macht sich Sorgen, dass Güter in Neuenfelde nun nicht mehr über den Wasserweg transportiert werden könnten. „Zusätzlicher Güterverkehr mit Lkw über die Straßen ist für die Region untragbar“, sagt sie.

Eine Verwendung als Logistikfläche wäre naheliegend. Doch es gibt Unternehmen, die auf dem alten Werftgelände andere Möglichkeiten sehen. Eines davon ist ReBoat, das in einem zukunftsträchtigen Bereich tätig ist, dem maritimen Recycling.

Seit drei Jahren bemüht sich die Firma auf dem Gelände inzwischen darum, für eine Anlage zum Umbau, Rückbau und Recycling eine Genehmigung nach deutschem und EU-Recht zu bekommen. Angesichts des schleppenden Insolvenzverfahrens und der vielen ungeklärten rechtlichen Faktoren ist das schwierig.

ReBoat wartet dringend auf klare Verhältnisse

Es habe Testläufe gegeben, aber noch keinen offiziellen Betrieb, sagt Mark Walberg, einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter von ReBoat. Er möchte angesichts kursierender gegenteiliger Aussagen etwas klarstellen: „ReBoat ist grundsätzlich interessiert an der Erhaltung der Ressourcen des ehemaligen Werftbetriebes.“

Bei der Reparatur, dem Recycling und dem Verkauf von Wasserfahrzeugen und maritimem Gerät richte sich seine Firma nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz. Die Wiederverwendung sei dabei dem Recycling vorzuziehen.

Hier kommen die vier kleinen Hafenkräne ins Spiel: ReBoat, das die Kräne nach der Sietas-Pleite gekauft hatte, sah auf der Werft keine wirtschaftliche Verwendung mehr, an anderen Standorten in Deutschland gab es diese Möglichkeit aufgrund heutiger gesetzlicher Auflagen auch nicht. Deshalb hatte Reboat die Kräne schon vor einem Jahr an eine andere Firma verkauft - zur Wiederverwendung im Ausland.

Investoren brauchen langen Atem

ReBoat hat langen Atem bewiesen. Doch auf die meisten Investoren dürfte die Situation abschreckend wirken. Sollte die Stadt Hamburg bei der Zwangsversteigerung zum Zuge kommen, hat der Senat angekündigt, die Flächen im Erbbaurecht zu verpachten.

Auf dem Gelände ist Platz für viele Unternehmen - auch für einen der großen Player in der Region. Ein Airbus-Sprecher sagt dazu auf Nachfrage: „Durch den Hochlauf der Produktion sind wir stets an Nutzungsmöglichkeiten von Grundstücken rund um unseren Standort Hamburg interessiert.“

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