TStephan Weil in Jork: Wo sich die EU laut Ministerpräsident noch verbessern muss

Der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wirbt bei dem Europa-Tag in der St.-Matthias-Kirche in Jork für das Friedensprojekt Europa. Foto: Vasel
Für Ministerpräsident Stephan Weil ist Europa mehr als eine Geldverteilungsmaschine. Die EU stehe für Frieden, Sicherheit, Wohlstand und gemeinsame Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Dennoch sieht auch Weil einen Reformbedarf.
Jork. Mit einem Grußwort der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), läutete Pastor Paul Benjamin Henke am Sonnabend den 3. Europa-Tag in der St.-Matthias-Kirche in Jork ein. Im Schatten des acht Meter hohen spätbarocken Altars von 1710 stellte sich der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) den Fragen des Pastors - und der Bürger.
Die Kirchengemeinde wollte mit ihrem Tag erneut „ein Zeichen für Europa setzen“, sagte Pastor Henke. Für ihn und seine Mitstreiter ist die Europäische Union (EU) ein Garant für Menschenwürde, Freiheit, Solidarität und Demokratie. Ihr Ziel: eine möglichst hohe Wahlbeteiligung am 9. Juni 2024. Bei der Europawahl 2019 lag diese in der Gemeinde Jork bei 71,02 Prozent. Damit landeten die Altländer im Kreis Stade auf Platz 1. Diesen wollen die Altländer verteidigen. Ministerpräsident Stephan Weil machte sich - mit Blick in die voll besetzte Kirche - für Jork keine Sorgen um die Wahlbeteiligung.
Ministerpräsident sieht EU vor großen Herausforderungen
Nach dem russischen Angriffskrieg vom 22. Februar 2022 auf die Ukraine und die Energiekrise sieht der Sozialdemokrat die Europäische Union „vor einer riesigen Herausforderung“. Der Frieden in Europa sei nicht mehr sicher. So werden die EU-Staaten ihre Verteidigungsausgaben weiter erhöhen und sich auf einen möglichen Wahlsieg des Nato-Kritikers Donald Trump vorbereiten müssen.
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Die europäische Sicherheitsarchitektur müsse ausgebaut werden - insbesondere zwischen Frankreich und Deutschland, auch mit den europäischen Nato-Staaten. „Ich mag keine Aufrüstung“, sagte Weil, dennoch sei diese notwendig. Infolgedessen werde es weniger Ressourcen für andere Bereiche geben. So ehrlich müsse die Politik auch sein. Er halte es mit dem Dichter Wilhelm Busch: „Der Frieden muss bewaffnet sein.“

Blick in die voll besetzte Kirche beim 3. Europa-Tag in Jork. Foto: Vasel
Auch die Demokratie sei seit 2019 europaweit unter Druck geraten. Stephan Weil verwies unter anderem auf das Ungarn unter Viktor Orban und das Polen vor Donald Tusk, wo die Unabhängigkeit von Justiz und Medien gefährdet sei beziehungsweise war. Das ist für Weil nicht hinnehmbar. Für ihn stehe die EU insbesondere für gemeinsame Werte - wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Hier müsse Brüssel konsequenter gegenüber Staaten seien, die gegen den gemeinsamen Wertekanon verstoßen. Trotz alledem sei die EU handlungsfähig: Er verwies in Jork auf die Einigung auf eine einheitliche Asylpolitik.
Bürger profitieren von Europa auch finanziell
Für Weil ist die EU ein Erfolgsprojekt. Der Ministerpräsident machte in der St.-Matthias-Kirche deutlich, dass ein Dexit - sprich ein Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union - dem Land wirtschaftlich schwer schaden würde. Er verwies auf den Brexit und auf aktuelle Studien. Unter dem Strich profitiere die Bundesrepublik erheblich von dem gemeinsamen Markt mit knapp 500 Millionen Verbrauchern. Dieser sei auch für die niedersächsischen Unternehmen ein riesiger Vorteil.
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Allein durch den Binnenmarkt habe „jeder Niedersachse über den Daumen im Jahr rund 1000 Euro mehr zur Verfügung“, rechnete Weil in Jork vor. Ein von der AfD geforderter Austritt aus EU und Eurozone würde laut Institut der deutschen Wirtschaft einen Wohlstandsverlust von 400 bis 500 Milliarden Euro jährlich bedeuten und 2,2 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland gefährden. Der von der extremen Rechten geforderte EU-Austritt käme einem Programm für eine massenhafte Verarmung gleich, warnte der Ministerpräsident.
Mehr als 50 Millionen Euro seien in der letzten Förderperiode in die Region geflossen. Doch letztlich, so Weil, sei die EU, mehr als eine Geldverteilungsmaschine. Ein starkes demokratisches Europa sei wichtig - auch, um sich zwischen der USA und der Volksrepublik China behaupten zu können.
Stephan Weil sieht auch Reformbedarf in Brüssel
Weil sieht allerdings auch einen Bedarf für Reformen. Er verwies auf das Beispiel Wolf. Die EU müsse sich stärker auf gemeinsame Ziele - hier Sicherung der Population - konzentrieren, die Form der Umsetzung sollte stärker den Mitgliedsstaaten überlassen werden. Die Krux: Das EU-Recht, aber auch das Bundesnaturschutzrecht und die Rechtsprechung (Stichwort: OVG Lüneburg) verhindern noch, dass der Wolfsbestand in Regionen wie Niedersachsen, in denen es sehr viele Wölfe gibt und der Erhaltungszustand gesichert ist, wirksam reguliert werden kann.

Europa-Tag in Jork: Der Altländer Shantychor und die Irish Dancer der Diekdancers treten gemeinsam auf. Foto: Vasel
Er geht davon aus, dass sich erst 2025 - mit der neuen EU-Kommission - etwas bewegen wird. Letztlich müsse sich Brüssel vom Mikromanagement verabschieden. Er sei sich einig mit den Altländern, dass der Bestand - mit Blick auf Weidewirtschaft und Deichsicherheit - reguliert werden müsse. In der Fragestunde sprach der frühere Gemeindebrandmeister Claus Rehder das Thema wolfsfreie Zone erneut an, die Schafe seien die Garanten der Deichsicherheit. Für Weils klare Haltung gab es viel Beifall in der Kirche.
Einig war er sich auch mit Bürgermeister Matthias Riel, dass ein Bürokratieabbau bei EU-Fördermittelanträgen notwendig sei.
Rundgang mit Ministerpräsident Stephan Weil, Pastor Paul Henke, der SPD-Landtagsabgeordneten Corinna Lange, Landrat Kai Seefried (CDU) mit Tochter Marie und Blütenkönigin Anna-Sophie Sietas. Foto: Vasel
Nachmittags feierten die Altländer - nach einem Rundgang mit Weil, der SPD-Landtagsabgeordneten Corinna Lange, Bürgermeister Matthias Riel, Landrat Kai Seefried (CDU) und Blütenkönigin Anna-Sophie Sietas - ein Europa-Fest mit EU-Infostand, Tanz und Musik im Pfarrgarten, der TuS Jork stellte eine Europa-Fußballmeisterschaft für die Jüngsten auf die Beine.