TTom Sawyer und Huckleberry Finn: In Jork politisch korrekt erzählt?
Messer-Joe als Zeuge vor Gericht. Foto: Felsch
„Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ ist ein Klassiker, der immer auch Diskussionen hervorruft und neu interpretiert wird. Eine Freiheit, die sich auch die Kleine Jorker Bühne nimmt.
Jork. Nach der Komischen Oper Berlin, die in ihrer Aufführung „Nigger Jim“ wegließ und aus „Indianer Joe“ kurzerhand Killer Joe machte, erreicht das Thema nun auch die Kleine Jorker Bühne. Die Opernfassung von Mark Twains Romanfigur Tom Sawyer war es aber nicht, die die Regie veranlasste, es in ihrem diesjährigen Weihnachtsmärchen genauso zu halten. Es ging auch nicht darum, eventuellen Kritiken von Zuschauern, die sich an dem Begriff Indianer stören könnten, von vorneherein entgegenzuwirken, betonen Ines Moschner und Katharina Mumm.
Regie führten Ines Moschner, Regina Weber und Katharina Mumm. Foto: Felsch
„Wir haben bewusst darauf verzichtet, weil wir den Wortlaut schwierig finden. Wir wollen keine Stigmatisierung“, sagen die Regisseurinnen. In ihrem Weihnachtsmärchen treibt daher kein Indianer sein Unwesen. Der Bösewicht ist ein Weißer namens Messer Joe.
„Das ist auch nicht unser Thema“, fügt Regieassistentin Regina Weber hinzu. Genauso wenig wie die Sklaverei. Aber in der Fassung von Hannes Hirth, für die sich die Kleine Jorker Bühne entschieden hat, komme ein Sklave sowieso nicht vor, sagen Moschner und Mumm. Also musste man da nichts streichen oder umbenennen.
An der Ausstattung wurde nicht gespart
„Mark Twain wollte mit seinem Buch auf die Missstände wie Sklaverei und die Behandlung der Indianer hinweisen“, erklärt Mumm. Aber in der Ankündigung heiße es ja: „Tom Sawyer und Huckleberry Finn – ein Klassiker neu erzählt“. Der Fokus liegt für das Regie-Team auf der Freundschaft und der Frage: Wie weit ist man bereit zu gehen, um Freiheit und Wahrheit zu verteidigen?

„Tom Sawyer“ auf der Kleinen Jorker Bühne. Foto: Felsch
Bis auf Kleinigkeiten orientiert sich die Inszenierung dicht an dem historischen Vorbild. Ein Waisenjunge, der bei seiner Tante Polly aufwächst, und Huckleberry Finn, sein freiheitsliebender Freund vom Mississippi, geraten zwischen Abenteuerlust, Freundschaft und der Suche nach Gerechtigkeit in ein Netz aus Geheimnissen und Schuld.
Kleine Jorker Bühne
Zeugen eines Mordes: Was Tom Sawyer und Huckleberry Finn in Jork machen
Das Ensemble der Kleinen Jorker Bühne punktet mit farbenfrohen Kostümen und schuf ein aufwendiges, in sich stimmiges, opulentes Bühnenbild. Geschickt wurde der düstere Friedhof, dort, wo der Mord an dem Doktor geschieht, mit Licht und Tontechnik in Szene gesetzt.

Das diesjährige Weihnachtsmärchen der Kleinen Jorker Bühne ist sehenswert und gelungen. Foto: Felsch
Stimmungsvoll und romantisch mutet die zweite, kleine Bühne am Seitenrand der Altländer Festhalle an, dort, wo sich Tom und Huck mit einem Boot hinflüchten. Das Knistern des Lagerfeuers wirkt so täuschend echt, dass der Eindruck entsteht, dies hier ist real.
Ein spannendes Abenteuer mit Herz - das passt zu Weihnachten, wie auch die ganze Geschichte, die die Mitwirkenden – mehr als 50 an der Zahl – gekonnt darstellen. Mit viel Esprit und Humor – ohne den ernsthaften Hintergrund zu vergessen, den Mark Twain im Sinn hatte.
Jugendbuch auf dem Index
Dass sein Roman gleich nach seinem Erscheinen in den USA auf den Index gesetzt wurde, weil der Zensur die Verherrlichung des Lotterlebens, das Huckleberry Finn führt und die legere Sprache einschließlich vieler Kraftausdrücke ein Dorn im Auge waren, bedauern seine Fans. Jahrzehnte später stand der Jugendbuchklassiker erneut in der Kritik - aus ganz anderen Gründen: In der DDR wurden Passagen, die zu kapitalistisch anmuteten, geändert. In den USA und in Deutschland galten die Begriffe Nigger und Indianer als politisch unkorrekt.
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Mark Twain habe mit seinem Roman provozieren wollen und er habe sich kritischer Themen angenommen, indem er die gesprochene Sprache der Südstaaten literarisch verarbeitete, behaupten einige Literaturkritiker. Der historische Kontext - das Buch stammt aus einer Zeit, in der die Begriffe Nigger und Indianer gebräuchlich waren - werde übersehen, eine „bereinigte“ Fassung stieß bei den Befürwortern der Originaltexte auf Empörung.
Rassistische Sprache vermeiden
Das Gegenargument liefern die Verfechter der Political Correctness: Das Wort Neger verschwand mehr und mehr aus der Alltagssprache, da es als abwertende, rassistisch diskriminierende Bezeichnung und als Schimpfwort gilt. Laut Duden von 2006 ist Schwarzafrikaner, Afroamerikaner, Afrodeutscher und Afrodeutsche angebracht.

Alle Aufführungen der Kleinen Jorker Bühne von „Tom Sawyer“ sind bereits ausverkauft. Foto: Felsch
Was die Debatte um das Wort Indianer angeht: Die German Association of Indians erklärt dazu: „Die englische Übersetzung des Wortes ‚Indianer‘ lautet ‚Indian‘. Längst nicht alle Native Americans lehnen das Wort ‚Indian‘ ab. Es wird oft in Gesprächen im Alltag verwendet.“
Das diesjährige Weihnachtsmärchen der Kleinen Jorker Bühne ist - bar jeglicher Diskussionen - sehenswert und gelungen. Allerdings sind alle Vorstellungen bereits ausverkauft.

Tom und Huck sorgen sich um Muff Potter, der unschuldig im Knast sitzt. Foto: Felsch
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