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Kinderbetreuung

TVier Tagesmütter aus Jork berichten: Warum die Kindertagespflege immer schwieriger wird

Die Tagesmütter aus Jork dürfen je bis zu fünf Kinder in ihrer Gruppe betreuen.

Die Tagesmütter aus Jork dürfen je bis zu fünf Kinder in ihrer Gruppe betreuen. Foto: Battmer

Jork ist eine Hochburg der Kindertagespflege. Diese Form der Betreuung feiert in diesem Jahr 50-jähriges Jubiläum. Wie sich die Arbeit in den Jahren verändert hat und warum Tagesmütter und -väter weiter um Wertschätzung kämpfen müssen.

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Von Mario Battmer
Dienstag, 02.04.2024, 13:50 Uhr

Jork. „Halli, Hallo, wie schön, dass ihr da seid.“ 17 Kinder und ihre Tagesmütter sitzen zusammen, singen und klatschen. Ein Morgenkreis wie dieser ist so oder ähnlich bei den meisten Kindertagespflegen ein tägliches Ritual. An diesem Donnerstag fällt es etwas größer aus - denn die vier Tagesmütter Barara Böckelmann, Jana Olumese-Patz, Ines Heisler und Kim-Karolin Schoorman aus Jork haben sich für den Morgen zusammengetan, um in der Sporthalle an der Festhalle zu toben und zu spielen.

Tagespflege: Kinderbetreuung in Kleingruppen

Viele Tagespflegepersonen sind Quereinsteiger. „Das, was ich von meinem Job zurückbekommen habe, hat mir nicht gereicht“, sagt Jana Olumese-Patz über ihre Arbeit im Bereich Sales und Marketing. Der Sprung in die Tagespflege sei leider etwas, das teilweise weniger anerkannt sei. „Wir sind keine Hausmütterchen von nebenan, sondern selbstständige Unternehmer.“ Gerade von Erziehern werde die Tagespflege mitunter als minderwertig angesehen, obwohl sie das Gleiche leisten: Kinderbetreuung mit einem pädagogischen Anspruch.

„Viele Kinder kommen in der Kita klar, aber andere brauchen einen kleineren Rahmen“, sagt Olumese-Patz. In Krippen werden bis zu 15 Kinder betreut, in der Kita bis zu 25. In der Tagespflege sind es nur fünf Kinder oder acht, wenn man sich zur Großtagespflege zusammenschließt. Kindertagespflege sei „das Beste aus beiden Welten“, betonen die Tagesmütter. Familiäre Umgebung, aber mit einem geregelten Ablauf. Ganz ähnlich wie in einer Kindertagesstätte, doch durch die kleineren Gruppen könne flexibler auf die Bedürfnisse eingegangen werden.

300 Stunden Qualifizierungskurs gegen jahrelange Ausbildung

Kim-Karolin Schoorman ist erst seit Februar Tagesmutter. Eigentlich wollte sie sich schon nach der Geburt ihres ersten Kindes 2019 Kindertagespflege anbieten, dann bekam die gelernte Hotelkauffrau noch Zwillinge. Die Arbeitszeiten im Gastgewerbe seien nicht so gut mit der Familie vereinbar,

erzählt sie. „Ich dachte, ich biete genau das an, was ich vermisst habe.“

Kinder spielen in der Sporthalle in Jork.

Kinder spielen in der Sporthalle in Jork. Foto: Battmer

Von vielen bekäme sie Respekt für ihre Entscheidung, von Erziehern weniger. „300 Stunden für die Tagespflege gegen vier Jahre Ausbildung - das finde ich selber nicht fair“, erzählt sie. „Im Grunde leisten wir genau das Gleiche.“ Zum Vergleich: Eine Ausbildung zum Erzieher dauert mindestens zwei Jahre. Um als Tagespflegeperson anerkannt zu werden, ist ein Qualifizierungskurs mit 300 Stunden notwendig.

Jedes dritte Krippenkind in Tagespflege betreut

Kindertagespflege im Landkreis Stade stellte zum Stichtag 1. Oktober 2023 insgesamt 357 Plätze zur Verfügung. Das sind bis zu 30 Krippengruppen mit bis zu 90 Fachkräften, rechnet die Regionalgruppe Landkreis Stade der Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen (BvK) vor. 78 Tagespflegepersonen arbeiten im Kreis Stade, Buxtehude zählt nicht dazu, da die Hansestadt einen eigenen Bezirk darstellt. Beispiel Jork: In der Gemeinde arbeiten zwölf Tagesmütter und ein Tagesvater. Jedes dritte Krippenkind wird in der Tagespflege betreut, kreisweit liegt der Anteil in den Kommunen zwischen 6,3 und 34,8 Prozent.

Damit leistet die Tagespflege einen entscheidenden Beitrag zur Kinderbetreuung im Kreis Stade. Dabei sei es nicht so, dass die Tagespflege ein Notanker für die Familien ist, die keinen Platz in der Kita bekommen haben, erzählt Barbara Böckelmann. Die Hälfte der Eltern entscheidet sich frühzeitig für einen Platz in der Tagespflege, sagt sie, dennoch werde die Tagespflege „von vielen immer noch als zweite Wahl wahrgenommen“.

50 Jahre Kindertagespflege: Arbeit hat sich verändert

Seit 1974 gibt es die Kindertagespflege in Deutschland, sie feiert in diesem Jahr 50-jähriges Jubiläum. Die Betreuung in der Tagespflege ist nach einer Gesetzesänderung im Jahre 2004 der Kita gleichgestellt. „Mit denselben Auflagen und demselben Auftrag“, betont Barbara Böckelmann. Sie arbeitet seit etwa 20 Jahren als Tagesmutter und weiß, wie sich die Arbeit in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verändert hat. „Weg von der Nachbarschaftshilfe zu einer Tätigkeit, von der man auch leben kann.“

Tagesmütter und -väter sind Unternehmer

Tagespflege sei professioneller - aber auch bürokratischer und komplexer geworden. Etwa 20 Prozent der Arbeitszeit falle für Administratives wie Vorbereitungszeit, Dokumentation oder Elterngespräche an - zusätzlich zur Betreuungszeit wie die Tagesmütter betonen. Auf der einen Seite ist das durchaus das Los der Selbstständigkeit, könnte man sagen. Allerdings würden andere Unternehmer diese Zeit in Rechnung stellen - Tagespflegepersonen bekommen aber einen festen Lohn vom Landkreis Stade. Für diese Arbeitszeit gibt es vom Kreis 40 Euro pro Tageskind. Einmal im Jahr.

Auch Ines Heisler stört die steigende Bürokratie. Seit 2010 ist sie als Tagesmutter dabei. Die Plätze bei ihr sind gefragt, wie bei den Kolleginnen oder in der Kita auch. Sie mache ihren Job gerne, auch wenn die Anerkennung von Außen mal ausbleibt. „Wir werden durch die Eltern wertgeschätzt, das ist das Wichtigste.“

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