TVom Kreis Stade in die Welt: Export von Geest-Kartoffeln boomt

Kartoffeln sind sein Spezialgebiet: Agrar-Ingenieur Wolfgang Hauschild aus Deinste. Foto: Laudien
Agria, Leyla oder Emiliana – jede Kartoffelsorte hat ihre Vorzüge. Von der Geest reisen sie in ferne Länder – und kommen zurück auf unseren Tisch.
Harsefeld. Ob traditionell Kartoffelsalat am Heiligabend oder Salzkartoffeln zu Gans und Festtagsbraten - was wäre das Weihnachtsessen ohne Kartoffeln. Deutsche lieben die gesunde Knolle - auch als deftige Kartoffelsuppe, Pommes frites oder Chips.
Durchschnittlich verzehrt der Deutsche 67 Kilogramm Kartoffeln pro Jahr. Erfreulich: 2024 ist laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit einer Rekord-Kartoffelernte von etwa 12,7 Millionen Tonnen zu rechnen - neun Prozent mehr als 2023 und 17 Prozent über dem mehrjährigen Durchschnitt. Entscheidender Grund hierfür ist die um neun Prozent vergrößerte Anbaufläche.
Nahrungsmittel
Rekord-Kartoffelernte erwartet
Besonders in Niedersachsen, dem größten deutschen Kartoffelanbaugebiet mit einem Anteil von 48 Prozent an der deutschen Kartoffelfläche, weiteten die Betriebe ihre Anbauflächen aus. Dort wird eine Ernte von voraussichtlich 6,3 Millionen Tonnen erwartet, was einem Plus von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.
Modernste Lagerhäuser in Apensen und Harsefeld
Die RAISA eG, ein Genossenschafts-Unternehmen mit Hauptsitz in Stade, verfügt auf der Geest über eigene Kartoffellagerhäuser: Das größte für Speisekartoffeln befindet sich in Apensen, ein weiteres in Harsefeld speziell für Pflanz- oder sogenannte Saatkartoffeln für Anbau.

Blick in das Harsefelder Kartoffellager mit moderner Sortieranlage. Foto: Laudien
Die Lagerung erfolgt dort fast ausschließlich in Großkisten - mit wenigen Ausnahmen: Big-Packs stehen auf Wunsch israelischer Kunden für die Fahrt nach Rotterdam bereit. Dort werden die Pflanzkartoffeln von israelischen Inspekteuren stichprobenartig auf Viren und Keime begutachtet, um danach weiter nach Israel zu reisen.

Die Big-Packs mit Saatkartoffeln von der Geest werden über Rotterdam nach Israel exportiert. Grünes Licht steigert die Qualität. Foto: Laudien
„Israel ist ein guter Kunde. Eine einwandfreie Qualität ist aufgrund des warmen Klimas in der Wüstenregion mit künstlicher Bewässerung besonders wichtig“, sagt Wolfgang Hauschild.
Bekannte Sorte Grata aus eigener Züchtung
Kartoffeln sind Hauschilds Spezialgebiet. Nach Ausbildung bei Nord-Kartoffel und Studium zum Agrar-Ingenieur ist der 61-Jährige seit 36 Jahren bei RAISA für Kartoffeln zuständig. Bereits 1919 wurde dort mit der Kartoffelzucht begonnen.
Die aus eigener Züchtung hervorgegangene Sorte „Grata“ hatte seit 1955 lange Zeit einen Flächenanteil von über 20 Prozent in Deutschland. Heute werden gemeinsam mit zwei Partnern Kartoffelzucht, Vertrieb und Forschung im Bereich Pflanzkartoffeln durch die Firmen EUROPLANT Pflanzenschutz und EUROPLANT Innovation betrieben.

Wolfgang Hauschild ist bei RAISA seit vielen Jahren Abteilungsleiter für Kartoffeln. Foto: Laudien
Im Kartoffelbetrieb seiner Eltern in Deinste habe er als Kind die Kartoffelsäcke noch per Hand zugenäht, erzählt Hauschild. Heute geht bei Raisa das meiste vollautomatisch. „Der Mensch ist noch für die Endkontrolle zuständig“, so der Abteilungsleiter. Die Lagerhäuser sind mit modernen Sortier- und Aufbereitungsanlagen ausgestattet.

Digitale Steuerung im Überblick: die komplette Anlage im Harsefelder Kartoffellager auf dem Bildschirm. Foto: Laudien
In den letzten Jahren wurde kräftig investiert. Allein die Sortieranlage hat rund eine Million Euro gekostet. Geplant sei eine KI-gesteuerte Anlage, verrät Hauschild. Eine Notwendigkeit aufgrund des akuten Fachkräftemangels, begründet der Agrar-Ingenieur.
Norddeutsche Kartoffeln optimal für südliche Länder
Die norddeutsche Kartoffel ist besonders robust und eignet sich daher sehr gut für trockene Bedingungen und andere Lichtverhältnisse. Südliche Länder wie Israel, Spanien oder Portugal seien auf deutsche Pflanzkartoffeln angewiesen, da sie aufgrund ihrer Klimaverhältnisse keine eigenen Kartoffeln für den Anbau produzieren können, erklärt Hauschild.
Das Europlant-Sortiment bietet mehr als 100 Sorten von A wie Afra bis Z wie Zuzanna, darunter auch Leyla, die Kartoffel des Jahres 2024, sowie Tomensa, die in Israel zu Kartoffel-Chips verarbeitet wird und Agria für Pommes frites. 50 Prozent der in Israel angebauten Kartoffeln verbleiben im Land, die andere Hälfte geht in den Export - auch zurück nach Deutschland.
Keine Exporte von Geest-Kartoffeln nach Russland
Zu Russland sind Handelsbeziehungen von der Geest aufgrund der Sanktionen nahezu abgebrochen - zu Israel gehen sie trotz Krieg in Gaza unvermindert weiter, berichtet Hauschild. Lediglich Anbaugebiete nahe der Grenze zu Gaza waren von Angriffen betroffen. Der Anbau in Israel wird von den Bauern relativ normal betrieben - auch zur Versorgung der eigenen Bevölkerung.
Noch vor Weihnachten pflanzen die israelischen Landwirte die Saatkartoffeln aus den Big-Packs von der Geest auf ihren Feldern. Bereits Anfang des neuen Jahres kommen daraus die ersten Frühkartoffeln aus Israel zurück in deutsche Supermärkte.