TWarum fremde Schornsteinfeger plötzlich im Alten Land auftauchen

Bezirksschornsteinfegerin Melanie Mehrkens (links) freut sich über die Unterstützung von Kim Konca und Sascha Schümmer aus NRW, die kurzfristig eingesprungen sind. Foto: Lankuttis
Für Melanie Mehrkens war es eine große Erleichterung, für die Bürger in der Samtgemeinde Lühe eine große Überraschung: An der Tür standen plötzlich fremde Schornsteinfeger. Warum?
Hollern. „Ihr habt mich gerettet und Wunder vollbracht. Jetzt kann ich beruhigt die Weihnachtszeit genießen“, sagte Melanie Mehrkens erleichtert in der Woche vor Heiligabend zu Kim Konca und Sascha Schümmer. Beide leben im Kreis Heinsberg in der Nähe von Aachen. Acht Tage waren sie vor allem in Grünendeich im Einsatz. Denn bis Jahresende, so Mehrkens, sollten alle Messungen der Heizungen, Kehrungen der Schornsteine und Feuerstättenschauen erledigt sein.
Mit Aushilfen zu arbeiten, sei nicht ungewöhnlich, sagt Mehrkens. Schornsteinfeger hätten das Motto „Einer für alle, alle für einen“. Sie helfen sich gegenseitig, wenn sie freie Kapazitäten haben. Doch in der Region war Mehrkens nicht fündig geworden.
Schornsteinfegerinnen sind über WhatsApp gut vernetzt
So postete die junge Chefin einen Aufruf in der WhatsApp-Gruppe der Schornsteinfegerinnen - die Frauen sind gut vernetzt. Kim Konca nahm Kontakt auf und holte Sascha Schümmer mit ins Boot, den sie von früher kannte. Der Geselle sagte zu. Auch Hamburg reizte ihn. „Ich war fleißig, bin fertig mit meinem Bezirk“, sagt Schümmer. Wie üblich in der Branche hatte er deshalb bereits ab 9. Dezember frei.
„Die Kunden hier waren ganz verwundert, als sie mich sahen“, sagt der 34-Jährige. „Sie sind das gar nicht gewohnt, dass Männer kommen.“ Kein Wunder, denn Melanie Mehrkens klettert schon seit 2007 den Altländern aufs Dach und genießt die Aussicht auf die Elbe. Vor gut drei Jahren hat sie den Betrieb von Timo Gerke übernommen, als dieser Bürgermeister der Samtgemeinde Lühe wurde. Die zwei Teilzeitkräfte, Claudia Gerke im Büro und Schornsteinfegermeisterin Sonja Möller, blieben.
Nur drei Schornsteinfeger-Bezirke im Elbe-Weser-Raum in Frauenhand
Das Frauen-Trio ist für 3000 Liegenschaften in Hollern-Twielenfleth, Grünendeich, Steinkirchen und teils in Guderhandviertel und Mittelnkirchen zuständig. Nur drei der 96 Schornsteinfeger-Bezirke im Elbe-Weser-Raum mit fünf Landkreisen seien in weiblicher Hand, sagt die Meisterin, die zwei Kinder hat.
Mit Aushilfen hat Mehrkens schon schlechte Erfahrungen gemacht, nicht nur bezüglich der Leistung. Fremde erregen bisweilen Misstrauen. Claudia Gerke erzählt, dass ein Mann vom Hof gejagt worden sei. Deshalb hat sie dieses Mal extra alle Kunden über die Aushilfen informiert.
Kim Konca und Sascha Schümmer sind herzlich empfangen worden. „Ich hab viele Geschichten über das Alte Land und Tipps für Touristen erzählt bekommen“, sagt Kim Konca. Die 31-Jährige sieht keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern in dem Beruf. Ab Januar macht sie sich selbstständig und sucht noch Personal. „Ich hätte auch gerne so ein Engelchen wie Claudia“, sagt die Schornsteinfegermeisterin und lobt die gute Organisation des Büros.
Karteikarten statt Tablet bei der Arbeit
Ihr Kollege wundert sich, Karteikarten statt eines Tablets in die Hand zu bekommen. Das sei altmodisch, aber sehr praktikabel. „Ich würde wieder kommen“, sagt Sascha Schümmer. „Und hier gibt es den leckersten Apfelsaft.“
Er wird oft als Glücksbringer angesprochen. Das kennen alle drei. Wer einen Schornsteinfeger am Knopf der Jacke dreht, ihm über die Schulter spuckt oder ihn anfasst, dem soll das Glück winken.
Viele Anfragen wegen Kaminöfen
Mehrkens liebt den Kontakt zu den Menschen und zu den Kunden. Die Politik mache es aber etwas anstrengend, sagt sie. Ständig kämen Anfragen, welche Kaminöfen ab Januar stillgelegt werden müssen. Öfen bis Baujahr 2010 haben meistens zu hohe Feinstaubwerte und nachrüsten sei schwierig beziehungsweise zu teuer.
Immer noch hat sie, wie seit der Diskussion um das Heizungsgesetz, zahlreiche Neuabnahmen von Öl- und Gasheizungen. Nur wenige haben eine Wärmepumpe und brauchen keinen Schornsteinfeger mehr. Als Energieberater seien sie aber auch in Zukunft gefragt.