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T Tanzt, Mamas, tanzt! Vor allem aus der Reihe!

Leonie Ratje

Leonie Ratje Foto: Tageblatt

Erst die Kinder, dann das Vergnügen: Das ist die Message, die von „Mama geht tanzen“ ausgeht. Was überhaupt nicht gegen die Veranstaltung spricht. Aber tanzende Mütter weichen von der gesellschaftlichen Norm ab.

Von Leonie Ratje Sonntag, 11.02.2024, 17:05 Uhr

Buxtehude. Wenn alles nervt, der Stress unter der Kopfhaut pulsiert oder ich vor Wut zu platzen drohe, hilft: Austanzen! Musik aufdrehen und loslassen. Ich stampfe und hüpfe, schleudere die Arme, drehe mich wild im Kreis. Ich gröle und weine und lache bis ich nicht mehr kann. Tanzen heilt.

Ich wünsche jeder Mutter, die am Samstag tanzen war, dass sie nassgeschwitzt und aufgekratzt, mit glücksglänzenden Augen und leichtem Herzen nach Hause gegangen ist. „Mama geht tanzen“: Eine tolle Gelegenheit, sich aus dem Mama-Alltag auszuklinken.

Der Frühstückstisch deckt sich nicht von allein

Tatsächlich jedoch bleiben die Mütter gepflegt eingeklinkt. In alle Pflichten, die das Leben für sie vorsieht. Mama tanzt, wenn sie gerade nicht anderweitig gebraucht wird. Nur kurz freilich, eben mal raushuschen. Weil, klar, nachts um 2 im Club abzuhotten, ist natürlich nicht kompatibel mit dem Familienleben. Der Frühstückstisch deckt sich nicht von allein. Windeln und Bettlaken wollen gewechselt, Mittagessen vorbereitet, Tränen getrocknet, Mamataxen gefahren werden. Feiern wie zuvor? Ey, keine Ahnung, was bei euch so los war, Ladys, aber ich war zuvor nie, nicht ein einziges Mal, von 20 bis 23 Uhr tanzen. Zugegeben, es gab Abende, da wäre es womöglich klüger gewesen, um 23 Uhr nach Hause zu gehen, aber das ist ein anderes Thema.

Früher habe ich geglaubt, dass Geburtsschmerzen das Schlimmste sind, was eine Mutter aushalten muss. Dabei fängt der Schmerz nach dem Wochenbett überhaupt erst an. Seit ich Mama bin, bin ich müde. Mutter sein ist so sauanstrengend. Wusstet Ihr, dass Flamingos ihr Pink verlieren, während sie ihre Kinder aufziehen?

Mamas tanzen, nachdem sie die Kinder ins Bett gebracht haben

Vermutlich kommt „Mama geht tanzen“ so gut an, weil das Konzept außergewöhnlich ist. Es betont, was nicht selbstverständlich ist. Tanzende Mütter weichen von der Norm ab. Die Norm ist eine Gesellschaft, in der Männer (Väter) Puppen tanzen lassen. Und weil das zwar unfair sein mag, aber bitte, bitte so bleiben soll, sucht sich der Mamatanz eine Lücke im System. Mamas sind müde, logisch, also tanzen sie früh. Mamas haben echt viel zu tun, normal, also tanzen sie nur drei Stunden lang. Mamas tanzen, nachdem sie die Kinder ins Bett gebracht haben und bevor sie auf dem Sofa einpennen. Concealer und Sekt regeln. Niemand hinterfragt die Erschöpfung. Warum ist die Belastung der Mütter so groß, dass es dieses spezielle Format braucht?

Viele Sexismen entlarven sich übrigens ganz wunderbar, wenn man sie umdreht. Karrieremann. Boyboss. Working Dad. Powermann. Papa geht tanzen? Firlefanz! In unserer Welt sind Kinder noch immer Frauensache. Ein Kind verändert alles für eine Frau. Für Männer gibt es keinen Karriereknick und am Wochenende zieht Papa los. Niemand fragt, wo seine Kinder sind.

Das Weltwirtschaftsforum hat errechnet, dass Frauen weltweit erst im Jahr 2154 gleichberechtigt sein werden. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Bock bekomme ich, mich so richtig auszuklinken.

Tanzt, Mamas, tanzt! Vor allem aus der Reihe!

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