T1,8 Millionen Euro Schaden: Angeklagter legte im Knast mit seiner Betrugsmasche los

Der Eingang vom Landgericht Stade. Foto: Carmen Jaspersen/dpa
Windige „Palmöl“-Geschäfte: Ein 56-Jähriger muss sich wegen besonders schweren Betruges in 143 Fällen verantworten vor dem Stader Landgericht verantworten. So landete sein „Geschäftsmodell“ bei der Polizei auf dem Tisch.
Stade. Eine Polizistin lieferte Details über die Ermittlungen gegen den Mann, der private Geldgeber um knapp 1,8 Millionen Euro gebracht haben soll.
10.000 Euro verleihen, kurz danach 14.000 Euro zurückerhalten. Oder aus 150.000 auf diese Art 180.000 Euro machen. Solche oder ähnliche Angebote klangen für die Betroffenen augenscheinlich zu verlockend, um sich das gute Geschäft entgehen zu lassen. Oft klappte es beim ersten Mal. Also erhöhten die Bekannten des Angeklagten die „geliehenen“ Summen, die angeblich in Palmöl- oder Dünger-Geschäfte fließen sollten. Hunderttausende Euro verliehen sie nicht selten. Meist endete die Kette erst, als der Angeklagte nicht mehr zurückzahlte.
Landgericht Stade
T Windige „Palmöl“-Geschäfte: 56-Jährige soll in 143 Fällen betrogen haben
So wurde die Polizei auf das „Geschäftsmodell“ des Selsingers aufmerksam
So stellt sich heute laut Polizei und Staatsanwaltschaft das „Geschäftsmodell“ des Angeklagten dar. Doch wie kam es zu dieser Erkenntnis? „Schildern Sie doch bitte, wie das Verfahren zu Ihnen auf den Tisch kam“, bat Richter Stefan Tomczak am Mittwoch eine als Zeugin geladene Beamtin des Zentralen Kriminaldienstes (ZKD) der Polizeiinspektion Rotenburg.
Die Polizistin berichtete, dass es im Frühjahr 2017 eine Geldwäsche-Verdachtsanzeige gegen den Angeklagten gegeben habe. „An zwei Tagen hintereinander waren 70.000 beziehungsweise 75.000 Euro auf ein Konto des Angeklagten überwiesen und jeweils kurz danach abgehoben worden.“ Der Hinweis sei von der Bank gekommen.
Im Verlauf der begonnenen Ermittlungen habe es eine Hausdurchsuchung gegeben. Es seien Computer und Smartphones des Mannes beschlagnahmt worden.
Angeklagter „könne einem Eskimo in Sekunden einen Kühlschrank verkaufen“
Damals habe der Angeklagte Steuerschulden in Millionenhöhe gehabt, berichtete die Polizistin. Was vermutlich keines der Betrugsopfer wusste: Der Mann, über den eines seiner mutmaßlichen Opfer sagt, dass er „einem Eskimo in Sekunden einen Kühlschrank verkaufen könnte“, saß von 2012 bis 2016 eine Haftstrafe in der JVA Bremervörde ab. Schon während des Freigangs habe der Angeklagte, der nach BZ-Informationen ursprünglich aus der Region Diepholz stammt, im Jahr 2015 erste dubiose Leihgeschäfte angeschoben, führte die Beamtin aus.
Bei den ersten Ermittlungen 2017 sei bald festgestellt worden, dass es sich nicht um – jeweils mutmaßlich – Geldwäsche, sondern um Betrug handelte. Die Auswertung von PC und Handys habe ergeben, dass der Angeklagte „über zig Konten ganz viel Geld von links nach rechts und von oben nach unten schob“, sagte die Polizistin. Auch eine Bargeldabhebung über 500.000 oder 600.000 Euro sei aufgetaucht, erinnerte sich die Beamtin.
Betrugssumme von 1,8 Millionen Euro - War das wirklich alles?
Es habe Geldtransfers mit Banken in Tschechien, Schweden, England und Malta gegeben. Auch Geldtransfers über Online-Bezahldienste wie PaySafe. „Ich wage, zu bezweifeln, dass das, was uns in den Fallakten vorliegt, wirklich alles war“, sagte die Polizistin mit Blick auf die genannte Gesamt-Betrugssumme von 1,8 Millionen Euro. Sie habe die Daten von den Computern des Angeklagten und die Auskünfte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ausgewertet, alle Namen und Geldflüsse, teils sogar mit Darlehensverträgen, notiert. Anschließend sei fast jeder, der auf der erstellten Tabelle auftauchte, von ihr oder einem Kollegen kontaktiert worden. Auch einen Mann aus München hätten die Beamten vor Ort befragt.
„Es stellte sich heraus, dass wir als Polizei gar nicht so gern gesehen waren“ (bei den mutmaßlichen Opfern; d. Red.), sagte die Polizistin im Zeugenstand. Ein Mann aus der Nachbarschaft des Angeklagten habe sie und ihren Kollegen „quasi rausgeschmissen“ mit dem Hinweis, dass dieser „doch so ein netter Mensch sei“. Nur die wenigsten hätten sich wirklich betrogen gefühlt.
Der Name einer Frau sei besonders häufig aufgetaucht. Diese habe sich als Lebensgefährtin des Angeklagten herausgestellt. Sechs der zig Konten, die für die fragwürdigen Geldflüsse genutzt wurden, seien auf ihren Namen gelaufen. Faktisch jedoch habe der Angeklagte über Konten und Geld verfügt. „Das ist aus Chat-Verläufen ersichtlich“, erläuterte die Polizistin.
Eigentlich sollte am Mittwoch auch diese Lebensgefährtin in Stade aussagen. Wegen eines Krankheitsfalles am Landgericht wurde das jedoch verschoben. Aus gleichem Grund wird der Prozess auch nicht, wie eigentlich geplant, am Donnerstag, sondern am Donnerstag, 14. März, 9.15 Uhr, fortgesetzt.